Pro: 20 Punkte leichtfertig verschenkt

Marc Marquez ist, was den reinen Speed auf der Strecke angeht, der vielleicht beste Pilot der Welt. Marc Marquez ist ein absolutes Tier im direkten Zweikampf. Marc Marquez ist aber kein Ausnahmekönner in puncto Rennintelligenz. Das hat der Repsol-Honda-Pilot in den vergangenen beiden Saisons mehrmals bewiesen. Im Vorjahr versuchte er in Misano gegen Valentino Rossi um den Sieg zu kämpfen, obwohl er an diesem Tag einfach nicht die Pace dazu hatte. Ein Sturz war die Folge. Zwei Wochen später blieb er im Aragon-Grand-Prix souverän führend bei Regen auf Slicks draußen. Erneut stürzte er. Am vergangenen Sonntag versuchte er nun Rossi niederzuringen, obwohl er auf dem weicheren Reifen in der Schlussphase mit stumpfen Waffen kämpfte. Ein weiteres Mal endeten seine Bemühung in einem Crash.

Der Unterschied zwischen diesem Malheur und Marquez' beiden Patzern in der zweiten Saisonhälfte 2014 liegt auf der Hand. Während er damals den MotoGP-Titel nach zehn Siegen zum Saisonauftakt schon so gut wie sicher hatte und somit in den Rennen auch einmal ein unnötiges Risiko eingehen konnte, muss er in diesem Jahr im Kampf um die Weltmeisterschaft gegen Valentino Rossi konstant Punkte sammeln. Hätte er seinen italienischen Widersacher in Termas de Rio Hondo einfach ziehen lassen - bis zum Zieleinlauf hätte er ihm ohnehin nicht Paroli bieten können - wären Marquez 20 Zähler in der Gesamtwertung sicher gewesen, so reiste er mit null Punkten aus Südamerika ab.

Nach einer Berühung mit Rossi knallte Marquez auf den Asphalt, Foto: motogp.com
Nach einer Berühung mit Rossi knallte Marquez auf den Asphalt, Foto: motogp.com

Es liegt in der Natur eines jeden Rennfahrers, möglichst bei jedem Rennen auf dem obersten Treppchen stehen zu wollen. Am Ende interessieren einzelne Grand-Prix-Erfolge aber nur wenig, es zählen eigentlich nur die großen Titel. Und um einen solchen gegen Valentino Rossi in Ausnahmeform zu erringen, wird mehr nötig sein als nur schnelles Motorradfahren. Das muss auch der Außerirdische Marc Marquez einsehen.

Contra: 20 Punkte weg, who cares?

Hopp oder Drop, Alles oder Nichts - so kennen wir Marc Marquez, so lieben wir Marc Marquez. Nicht umsonst waren zwei Drittel der Podestplätze seiner Karriere Siege. Man darf nicht vergessen: Hätte sich Marquez in dem Duell mit Rossi durchgesetzt, wäre er jetzt sogar WM-Leader! Hopp oder Drop eben, Alles oder Nichts.

Siegen oder Fliege - so läuft das bei Marc Marquez, Foto: Milagro
Siegen oder Fliege - so läuft das bei Marc Marquez, Foto: Milagro

Die gesamte Strategie von Marquez war auf einen Sieg ausgerichtet. Er wusste, dass die Honda mit dem härteren Hinterreifen nicht funktioniert und daher seine einzige Chance die Flucht nach vorne war. Das gelang ihm zu Beginn gut, danach verwaltete er sein schwarzes Gold super. Dass er versucht hat, den Sieg tatsächlich zu verteidigen, kann und darf man ihm nicht anlasten, denn das war ja die Strategie. Letztlich haben auch nur eineinhalb Runden gefehlt. Zweieinhalb Minuten also, die Marquez von Sieg oder Niederlage trennten. Dass er sich eine Verteidigung über diese Distanz mit stumpfen Waffen zutraute, zeugt von großem Selbstvertrauen.

Genau deswegen ist es auch nicht weiter schlimm, dass Marquez am Sonntag eine Null angeschrieben hat. So ist der Doppel-Weltmeister eben gestrickt, da werden keine halben Sachen gemacht. Über das "Hätte, wäre, wenn" und die vermeintlich sicheren 20 Punkte reden wir, wenn Rossi tatsächlich in der Endabrechnung im November vor Marquez landet. Falls der Spanier es überhaupt dazu kommen lässt...