Mit Beginn der MotoGP-Saison 2014 ging ein mittelgroßer 'Paradigmenwechsel' einher. Nach nur zwei Jahren wurde die ungeliebte Kategorie der Claiming Rule Teams (CRT) wieder abgeschafft; an ihre Stelle trat die neu kreierte Open-Klasse. Während die CRT nie über den Status eines Mittels zum Zweck hinauskam, die sonst zu dünn besetzten MotoGP-Starterfelder aufzufüllen, wartete die Open-Kategorie von Beginn an mit einem klar durchdachten Konzept auf. Rein Sportlich betrachtet änderte sich innerhalb der niedrigeren Kategorie jedoch wenig: Wie auch in den beiden CRT-Jahren fuhr Aleix Espargaro bisweilen Kreise um seine Konkurrenz.

Durch zahlreiche Zugeständnisse sollte die Teilnahme an der Zweirad-Königsklasse auch kleineren Teams schmackhaft gemacht werden. Als Hauptidee fungierte dabei, die große Schere im Leistungsniveau zwischen Werksmaschinen, Satellitenbikes und den privat eingesetzten Rennmotorrädern durch diverse Vorteile schrittweise zu schließen. So standen den Open-Teams mit zwölf Antriebsaggregaten pro Saison mehr als doppelt so viele zur Verfügung wie den Rennställen unter Factory Entry. Ein um vier Liter größeres Tankvolumen (24:20) sowie ein extra-weicher Hinterreifen stellten weitere gravierende Vorzüge der Open-Kategorie dar. Zudem durfte die Einheitselektronik von Magneti Marelli durch die jeweils besten Innovationen der einzelnen Teams ständig weiterentwickelt werden, was vor allem gegenüber dem CRT-Reglement einen deutlichen Vorteil brachte.

Open-Reglement: Große Verwirrung vor Saisonstart

Noch vor dem Saisonstart kam es jedoch zunächst zu größeren Verwirrungen. Mit dem 28. Februar endete die Frist für die die Einschreibung der Teams in die jeweilige Kategorie. Für einen Paukenschlag sorgte jedoch Ducati, das plötzlich sowohl mit den beiden Werksmotorrädern als auch mit den beiden Pramac-Satellitenbikes in der Open-Kategorie antreten wollte. Klar schien zunächst, dass der italienische Hersteller über die bereits genannten Vorteile eine höhere Chance sah, die Lücke zu den Dominatoren Honda und Yamaha zu schließen. Vor allem die Möglichkeit, die Antriebsaggregate auch während des Jahres weiterzuentwickeln sowie auch die Standardsoftware durch eigene gewinnbringende Updates für die gesamte Open-Kategorie zu verbessern, machte Ducati diesen Schritt besonders schmackhaft.

Die Causa Ducati stiftete noch vor der Saison reichlich Verwirrung, Foto: Ducati
Die Causa Ducati stiftete noch vor der Saison reichlich Verwirrung, Foto: Ducati

Bereits bei den zweiten Sepang-Tests im März wurde jedoch offensichtlich, dass die starke Software der Italiener dem Team in Kombination mit den Open-Boni zu große Sprünge ermöglichte. Bei den finalen Vor-Saison-Tests in Doha gingen zudem die restlichen Open-Teams auf die Barrikaden, da die von Ducati inspirierte neue Einheits-Software zwar deutlich leistungsstärker war, jedoch ebenfalls gleichermaßen komplex. So klagten die kleinen Rennställe, dass sie weder über das Kapital noch über das Personal verfügten, diese gewinnbringend zu nutzen. Nach erfolgreichen Protesten gingen die Open-Teams also weiter mit der ursprünglichen Software an den Start. Ducati, das letztlich doch als Factory-Entry in die Saison startete, bekam per Reglement dennoch die Vorteile der Open-Klasse zugesprochen, da im Vorjahr kein Sieg bei trockenen Bedingungen gelang.

Die Teams

Mit Forward Racing (Yamaha), Gresini (Nur Scott Redding, Honda), Drive M7 Aspar (Honda), Avintia Racing (Kawasaki-Motor, Hector Barbera ab Aragon Ducati-Antrieb), Ioda Racing Project (Aprilia-ART), Paul Bird Motorsport (Aprilia-Antrieb), Cardion AB Motorracing (Honda) gingen insgesamt sieben Teams in das erste Open-Jahr der MotoGP-Geschichte. Obwohl das Leistungsniveau im gesamten Feld durch das neue Reglement deutlich dichter werden sollte, offenbarte bereits die Open-Kategorie an sich ein deutliches Leistungsgefälle. Mit 151 Punkten sowie einem zweiten Platz bei der Regenlotterie in Aragon stellte Forward auf dem starken Production Racer Yamahas vor allem in Person von Aleix Espargaro für die Konkurrenz meist eine unüberwindbare Hürde dar.

Forward Racing entpuppte sich dank Aleix Espargaro als klare Nummer 1 der Open-Klasse, Foto: Forward
Forward Racing entpuppte sich dank Aleix Espargaro als klare Nummer 1 der Open-Klasse, Foto: Forward

Auch Aspar machte das Meiste aus seinen Möglichkeiten, staubte vor allem bei Chaosrennen zum Ende der Saison mehrere Top-10-Platzierungen und gute Punkte ab. Mit 116 WM-Zählern etablierte sich der Rennstall der spanischen Motorrad-Legende Jorge Martinez somit klar als Nummer zwei. Scott Redding zeigte in seinem Rookie-Jahr für Gresini ebenfalls ansprechende Leistungen, sammelte 81 Punkte. Auf Avintia (35 Punkte), Cardion (33), PBM (18) und Ioda (17) klaffte jedoch bereits eine gewaltige Lücke. Während Cardion jedoch lediglich mit einem Bike an den Start ging, profitierte Avintia nach einem wahren Seuchenjahr noch spät durch einen Wechsel Barberas von Kawasaki auf Ducati. Alleine in den letzten drei Saisonrennen sicherte sich der Rennstall anschließend 28 der insgesamt 35 WM-Punkte.

Die Motorräder

Zumindest in der niedrigeren Kategorie entschied Yamaha das Duell gegen Erzrivale Honda für sich. Der M1-Production-Racer erwies sich gegenüber der RCV1000R als das leistungsstärkere Motorrad. Quantitativ betrachtet behielt Honda durch vier Maschinen im Feld immerhin mengenmäßig die Oberhand. Während das Avintia-Bike durch Ducati-Antrieb spät in der Saison sein Potential andeutete, mussten vor allem die Aprilia-ART-Kundenmaschinen von Ioda sowie die FTR-Kawasakis von Avintia böse Niederlagen einstecken. Auch die Paul-Bird-Motorsport-Aprilia ließ meist ein angemessenes MotoGP-Niveau vermissen.

Der M1 Production Racer entpuppte sich von Beginn der Testsaison an als das stärkste Open-Bike, Foto: Milagro
Der M1 Production Racer entpuppte sich von Beginn der Testsaison an als das stärkste Open-Bike, Foto: Milagro

Die Fahrer

Aleix Espargaro zeigte nahezu über die gesamte Saison hinweg seine Ausnahmeklasse und sicherte sich mit deutlichem Vorsprung den Open-Titel vor Scott Redding (126:81 Punkte). Der Spanier in Diensten von Forward brachte vor allem auf den extraweichen Reifen in Training und Qualifying regelmäßig Traumrunden zustande, stellte seine Yamaha in Assen gar sensationell auf Pole. Insgesamt war er bei neun Freien Trainings der schnellste Mann auf der Strecke, sicherte sich gar fünf Mal die Freitagsbestzeit. Mit WM-Rang sieben, seinem zweiten Platz in Aragon sowie vierten Rängen in Katar und Assen untermalte Espargaro seinen Status als einer der Top-Piloten im Feld eindrucksvoll.

Neuling Redding überzeugte ebenfalls mit durchweg positiven Leistungen. Lediglich zwei Mal verpasste der Engländer in 18 Rennen die Punkte, beendete das Jahr zudem als bester der vier Honda-Open-Piloten. Bereits beim Saisonauftakt in Losail beeindruckte er als Siebter, wiederholte dieses Kunststück auf Phillip Island. Lediglich acht Punkte fehlten ihm, um Gresini-Teamkollege Alvaro Bautista auf der deutlich stärkeren Satelitten-RC213V zu schlagen. In der Kategorie Rookie des Jahres belegte Redding hinter Pol Espargaro ebenfalls Rang zwei.

Scott Redding stellte bereits als Rookie auf der Open Honda Gresinis sein Können unter Beweis, Foto: Gresini Honda
Scott Redding stellte bereits als Rookie auf der Open Honda Gresinis sein Können unter Beweis, Foto: Gresini Honda

Auch Hiroshi Aoyama kann mit seinem Arbeitsjahr durchaus zufrieden sein. Als einziger Pilot im Feld absolvierte der Japaner jede einzelne Rennrunde, spulte in den 18 Saisonrennen so beeindruckende 448 Rennkilometer ab. Nur in Assen verpasste Aoyama die Punkte, entschied das interne Aspar-Duell gegen Ex-Weltmeister Nicky Hayden jedoch mit 68:47 relativ deutlich für sich. Der US-Amerikaner musste nach Handgelenks-Beschwerden jedoch mitten in der Saison eine Operation und somit eine Zwangspause von vier Rennen einlegen. Karel Abraham zeigte mit 33 Punkten ein ordentliches Jahr, während Hector Barbera nach seinem Wechsel auf Ducati mit 23 Punkten in den letzten drei Rennen positiv von sich reden machte.

Nach 196 Grand Prix beendete zudem 'Texas Tornado' Colin Edwards im Alter von 40 Jahren seine lange und eindrucksvolle Motorrad-Karriere. Mit Rang 13 beim Heimrennen in Indianapolis beendete er seine Laufbahn angemessen mit WM-Punkten.

Redaktionskommentar

Die Neueinführung der Open-Klasse brachte unbestritten Fortschritte gegenüber den beiden CRT-Jahren. Aleix Espargaro beispielsweise profitierte vor allem in der Qualifikation oft massiv von den extraweichen Reifen, was ihm meist die Grundlage für solide Top-10-Platzierungen im Rennen ermöglichte. Erwartungsgemäß kämpfte das Gros der niedrigeren Kategorie bei den Grands Prix jedoch ausschließlich um die hinteren Punkteränge. Trotz vier Litern mehr Sprit und deutlich frischeren Motoren gelang es nur in überschaubarem Maße, die Lücke auf die Werks- und Satellitenteams zu schließen. Der extraweiche Reifen brachte jedoch immerhin auf eine schnelle Runde in den Trainings bisweilen deutliche Vorteile, was das Feld zumindest optisch näher etwas mehr zusammenrücken ließ. Bis die angedachte Einheitssoftware für das gesamte Feld im Jahr 2016 eingeführt wird, besteht bei allen Änderungen keine Chance, die gravierende Lücke zur Spitze zu schließen (Samy Abdel Aal).