Fehlenden Mut kann man den Ingenieuren bei Suzuki auf keinen Fall unterstellen. Bei der Konstruktion des neuen MotoGP-Prototypen gingen sie mit der Entscheidung, einen Reihen-Vierzylinder anstatt eines V4-Motors zu verbauen, durchaus ein Risiko ein. Von den bisher vertreten Marken setzen Honda und Ducati auf ein Aggregat mit V-förmig angeordneten Zylindern, lediglich Yamaha verwendet ebenfalls einen Reihenmotor. Die M1 brauchte allerdings ebenfalls Jahre, um in Sachen Leistung mit den Prototypen von Honda oder Ducati mithalten zu können. Ganz hat man das wohl immer noch nicht geschafft.

Nun scheint Suzuki dasselbe Schicksal zu ereilen. Rund zwanzig Stundenkilometer in der Topspeed-Messung fehlten Randy de Puniet bei seinem Wildcard-Einsatz am Rennwochenende auf die Spitze, den nächstjährigen Werkspiloten Aleix Espargaro und Maverick Vinales ging es am Montag nicht wesentlich besser. Der GSX-RR fehlt es also ganz klar an Power. Die Schuld daran dürfte das Motorenkonzept tragen, wie auch Suzukis MotoGP-Projektleiter Satoru Terada zugeben musste: "Es ist bei einem Reihenmotor schwieriger, Leistung herauszuholen. Wir liegen bei den Pferdestärken etwas zurück. Das ist aktuell die Schwachstelle des Motorrads."

Randy de Puniet war bei seinem Wildcard-Einsatz praktisch chancenlos, Foto: Suzuki
Randy de Puniet war bei seinem Wildcard-Einsatz praktisch chancenlos, Foto: Suzuki

Handling als Pluspunkt

Doch wenn derartige Schwierigkeiten von Anfang an zu erwarten waren, warum hat man sich dann für den Reihen-Vierzylinder entschieden? Nun, dieses Konzept hat zwar in puncto Leistung seine Nachteile im Vergleich zu einem V-Aggregat, doch was das Handling des Motorrads angeht auch seine Vorteile. Der Reihenmotor wird wie die V-Version in einem MotoGP-Bike quer eingebaut, braucht der Längsachse nach allerdings aufgrund der in einer Linie angeordneten Zylinder weniger Platz und ermöglicht es den Konstrukteuren so, die Maschine kürzer zu bauen. Das macht das Motorrad wendiger und agiler - ein klarer Vorteil auf engen und kurvigen Kursen. Hinzu kommt, dass der Reihenmotor in seinem Aufbau wesentlich unkomplizierter und daher auch leichter ist, was die Möglichkeit bietet, das gewonnen Gewicht an anderer Stelle zu verbauen und den Schwerpunkt des Motorrads tiefer zu setzen.

Tatsächlich fanden Aleix Espargaro und Maverick Vinales nach ihrem ersten Tag mit der neuen Suzuki lobende Worte für das Handling der Maschine. "Der Rahmen ist fantastisch", meinte etwa Espargaro. "Die Front des Motorrads lässt sich sehr gut einlenken. Außerdem kann ich mich besser hineinlehnen, aggressiver fahren und schnellere Kurvengeschwindigkeiten erzielen als mit der Open-Yamaha in diesem Jahr. Das Motorrad wirkt auch viel leichter. Dadurch ist es extrem einfach, es zu bewegen und Richtungswechsel durchzuführen." Ähnliche Worte fand MotoGP-Rookie Vinales: "Das Chassis funktioniert sehr gut. Ich kann wirklich hart bremsen und das Motorrad lässt sich sehr gut einlenken."

Aleix Espargaro kann nur auf mehr Leistung hoffen, Foto: Suzuki
Aleix Espargaro kann nur auf mehr Leistung hoffen, Foto: Suzuki

Projektleiter Terada erklärte aber, dass neben den Vorteilen in Sachen Handling auch ganz schlichte, wirtschaftliche Überlegungen hinter dem Reihen-Vierzylinder stehen. Man will damit den Verkauf der Serienmotorräder ankurbeln, die bei Suzuki ausschließlich mit ebensolchen Aggregaten ausgestattet sind. "Für unser Unternehmen ist die Verbindung zwischen der Serienfertigung und dem Rennsport sehr wichtig. Wir bauen keine V4-Motorren für die Straße, was auch ein Grund für den Reihenmotor war", so der Japaner.

Unkonventionelle Lösungen als Firmenphilosophie

Suzuki ist durchaus dafür bekannt, ungewöhnliche Wege im Bereich des Motorenbaus zu gehen. Mitte der 1970er-Jahre, als Barry Sheene für die Marke zwei Weltmeistertitel hintereinander gewann, setze man als erster Hersteller überhaupt auf vier im Quadrat angeordnete Zylinder. Damals wurde der Mut der Ingenieure also belohnt. Es bleibt abzuwarten, ob das knapp vierzig Jahre später auch noch der Fall sein wird.