Wie fühlst du dich auf einem MotoGP Bike?
Leon Camier: Um ehrlich zu sein, ist es ganz anders als ein Superbike. Ein MotoGP Bike ist zwar schon noch ein Motorrad und du hast die gleichen Grundlagen, aber das Gefühl von Reifen, Bremsen, Chassis, alles ist anders. Natürlich denke ich, dass ich mit mehr Zeit einen großen Unterschied machen kann. Ich weiß, welche Änderungen ich vornehmen müsste, aber das ist nichts, das du mal eben an einem einzelnen Rennwochenende machst. Wir bräuchten Tests und ich müsste dafür trainieren. Das ist ein großer Unterschied beim Fahrstil, den ich ändern müsste, aber gleichzeitig auch etwas, was nach und nach von alleine kommt, denk ich. Mein erstes Gefühl war aber gut. Ich fühlte mich direkt wohl und ich denke, das Bike passt zu meinem Stil. Jedes Mal, wenn ich auf dem Bike sitze, verstehe ich mehr davon, was ich tun muss.

Haben die Motorräder etwas gemeinsam?
Leon Camier: Es ist noch immer ein Motorrad. Die Eindrücke sind ähnlich. Du kennst den Transfer der Gewichtsverteilung, hast ein ähnliches Gefühl, aber auf diesen Bikes ist es schon anders. Das Limit ist mit den Bridgestone-Vorderreifen viel weiter weg. Die Charakteristiken des Hinterreifens sind sehr ähnlich. Wenn du ihn zu sehr misshandelst, dann mag er das nicht. Es gibt aber auch viele Charakteristiken, die anders sind. Es dauert seine Zeit, das zu lernen.

Wie schwierig war es, deinen Fahrstil anzupassen?
Leon Camier: Ich konnte mich schon immer ziemlich gut an andere Dinge anpassen. Da es ziemlich anders ist, braucht es einfach Zeit, das Limit und alles andere herauszufinden. Das Anpassen an sich war nicht so schwer, ich glaube, das hat man auch schon an meinem ersten Wochenende gesehen. Ich habe mich in Indy recht schnell angepasst. Wenn ich mehr Zeit hätte, könnte ich aber sicherlich noch größere Schritte machen.

Was war am Schwierigsten?
Leon Camier: Ich denke, die Reifen kennenzulernen. Das ist auf jeden Fall das Härteste, denn das macht den größten Unterschied. Du musst in den Rennen genau verstehen, wie stark du den Hinterreifen belasten kannst und genau das Gleiche gilt für den Vorderreifen. Ich habe das Gefühl, das du das Bike zwar extrem schnell fahren musst, aber ohne die Reifen zu stark zu beanspruchen und das ist richtig hart. Alles in Balance zu halten, kostet etwas Zeit. Wenn du den Vorderreifen zu stark belastest, dann wird er zu heiß und bewegt sich hin und her. Logischerweise hast du dann kein so gutes Gefühl. Das Gleiche gilt für den Hinterreifen: Wenn ich den Hinterreifen missbrauche, dann wird er in den nächsten Kurven zu heiß und funktioniert nicht richtig gut. Du musst also eine Balance finden, in der du das Bike sehr schnell fährst, die Reifen aber schonen kannst. Das ist schwer.

Leon Camier musste Vieles erst lernen, Foto: Aspar Team
Leon Camier musste Vieles erst lernen, Foto: Aspar Team

Hat dir jemand wie Bradley Smith als dein Trainingspartner Tipps gegeben?
Leon Camier: Ich denke, seine Situation mit der Yamaha ist anders. Wenn dann haben wir nur darüber gesprochen, wie anders die Reifen sind, wie ich mit ihnen arbeiten kann, weil sie ja ganz anders sind, als das, was ich gewohnt bin. Das ist wirklich das Schwierigste. Das und die Bremsen. Wenn du zum ersten Mal aus der Box fährst und absolut keine Hitze drin hast, dann funktionieren sie nicht - buchstäblich gar nicht. Du bremst, bremst, bremst und bremst und dann funktionieren sie vielleicht. Charakteristiken wie diese: wie du die Hitze in den Reifen hältst, wie du die Bremsen aufwärmst und sowas. Das habe ich von Bradley und den anderen Leuten gelernt.

Was macht die MotoGP so Besonders für dich?
Leon Camier: Die MotoGP ist der Gipfel des Motorradrennsports. Die Bikes sind komplette Prototypen. Das ist der Ort, an dem man versuchen sollte, erfolgreich zu sein. Das ist die Nummer eins im Straßenrennsport. Natürlich würde ich auch in Zukunft gern hier sein. Wenn ich die richtige Möglichkeit nicht bekomme, wo ich gut sein kann, dann schaue ich zur Superbike. Ich habe kein Interesse daran, hierher zu kommen, um einfach nur in der MotoGP herumzufahren. Das interessiert mich gar nicht. Ich würde gern in einer Situation sein, in der ich Ergebnisse holen kann. Das ist mir wichtiger, als allein die Tatsache, in diesem Fahrerlager zu sein. Daran arbeiten wir jetzt.

Was war dein erster Gedanke, als du in Indy auf das MotoGP Bike gestiegen bist?
Leon Camier: Wie ein Mini-Bike! Das war mein erster Gedanke. [lacht] Die Position war die von Nicky [Hayden], auch der Lenker, die Fußrasten und alles. Ich konnte nicht glauben, wie klein das alles war. Ehrlich gesagt, hatte ich Angst, dass ich das Bike nicht fahren könnte, weil es so klein war, aber später änderten wir den Lenker, brachten den Sitz in eine anständige Position, änderten die Fußrasten und das Bike fühlte sich wirklich gut an. Ich fühle mich gut auf dem Bike.

Also hast du auch mit deiner Größe keine Probleme?
Leon Camier: Nein, absolut nicht. Ich sehe sicherlich groß darauf aus, aber ich kann mich perfekt draufsetzen, was gut ist und in den Kurven merke ich es nicht einmal. Das war nur die Position von Nicky, wie ich zuvor schon gesagt habe.

Wie war dein Heimrennen im MotoGP-Rahmen?
Leon Camier: Wundervoll! Das ist natürlich das, wovon du als Kind träumst: Zu Hause in der MotoGP zu fahren. Ich denke, es war wichtig, ruhig zu bleiben. Ich saß auch erst zum dritten Mal auf dem Bike. Gerade beim Heimrennen ist es immer leicht, so aufgeregt zu sein und zu denken, dass man genau an diesem Wochenende alles machen kann. Jedes Mal, wenn ich auf dem Bike saß, haben wir große Fortschritte gemacht. In jeder Session wurden wir schneller.

Deine Saison 2014 war ziemlich 'abwechslungsreich'. Was ist da genau alles passiert?
Leon Camier: Der Deal mit Suzuki platzte in letzter Minute, also habe ich versucht, bei Ioda reinzukommen. Wir waren uns einig. Wir wollten zum ersten Test in Malaysia fahren. Ich habe gewartet, gewartet und gewartet und nichts passierte. Am Ende sagten sie: 'Es sieht jetzt eher so aus, als würden wir erst zum zweiten Malaysia-Test, dann nach Katar fahren und dann die Saison bestreiten.' Aber das passierte nie. An diesem Punkt war mir schon klar, dass es ein größeres Problem gab. Es stellte sich heraus, dass ein Sponsor das Team in letzter Minute verlassen hatte. Also stand ich am Ende ohne Startplatz da. Das war ziemlich mies. Dann war Sylvain Barrier aber plötzlich verletzt und sein Platz bei BMW in der Superbike wurde vorübergehend frei. Das lief dann ziemlich gut für mich. Im ersten Rennen konnte ich schon gewinnen [EVO-Kategorie], dann gewannen wir alle vier Rennen, die ich gefahren bin. Das war richtig gut. Dann kam Sylvain aber zurück und übernahm den Platz wieder. Damit saß ich erneut ohne Arbeit da. In Laguna Seca konnte ich dann noch einmal die MV Agusta fahren. Es lief ziemlich gut. Das war das beste Ergebnis, das sie je hatten, aber natürlich nur ein einmaliger Einsatz. Das wussten sie aber vorher. Dann bekam ich die Möglichkeit, die MotoGP auszuprobieren.

Für BMW feierte Leon Camier 2014 schon Siege in der EVO-Kategorie der World Superbike, Foto: BMW
Für BMW feierte Leon Camier 2014 schon Siege in der EVO-Kategorie der World Superbike, Foto: BMW

Wie schwierig ist der Wechsel zwischen den Bikes und den verschiedenen Serien?
Leon Camier: Natürlich ist es nicht leicht. Das Wichtigste ist, dass du mit der richtigen mentalen Einstellungen herangehst. Es ist leicht, etwas zu versuchen, was aber zu früh ist oder schon zu früh zu hart zu pushen und dann dumme Dinge zu tun. Du musst Schritt für Schritt vorgehen und nach und nach Fortschritte machen. In dieser Situation ist es leicht, Fehler zu machen. Du versuchst, schnell zu fahren ohne das Bike zu kennen oder zu wissen, wo alles ist. Das ist nicht leicht. Auf der positiven Seite habe ich viel darüber gelernt, was ich von einem Motorrad brauche. Das waren so viele Maschinen, die mir aber gezeigt haben, schnell zu verstehen, was falsch ist und was richtig. Du verstehst viel mehr über ein Bike und kannst viel besser versuchen, damit schnell zu sein.

Hast du schon eine Idee, wie es 2015 weitergehen soll?
Leon Camier: Natürlich. Wir sprechen schon mit einigen Teams, welche Möglichkeiten es gibt und einige zeigen Interesse. Es sieht gut aus. Es ist auch gut zu wissen, dass die Leute verstehen und schätzen, was ich bisher getan habe. Das ist ein gutes Gefühl für mich. Wir werden sehen, was passiert.