Noch immer scheint es ein wenig irreal: Marc Marquez ist bezwungen! Beim Tschechien-GP in Brünn musste der 'Außerirdische' nach 22 Runden eine äußerst schmerzliche Niederlage hinnehmen, bekam erst mehr als zehn(!) Sekunden nach dem Führungsduo Dani Pedrosa und Jorge Lorenzo die Zielflagge geschwenkt. Doch damit nicht genug: Trotz verletzten Fingers und eines Starts unter starken Schmerzmitteln landete auch noch Altmeister Valentino Rossi deutlich vor Marquez im Ziel. So verpasste der zehnfache Rennsieger 2014 nicht nur den ewigen Startrekord mit elf Erfolgen in Serie, sondern stand zudem erstmals seit Mugello 2012 (Moto2) bei einer Zielankunft nicht auf dem Podium.

Pedrosa hingegen setzte mit seinem 26. Triumph in der Königsklasse einer langen Leidenszeit ein Ende. Seit dem Malaysia-GP im Vorjahr hatte der kleine Katalane nicht mehr gesiegt - eine Negativserie von 13 Rennen. Doch wie brachte Pedrosa sein 'Meisterwek' von Startplatz fünf zu Stande? Wie schaffte er es, den groß auftrumpfenden Lorenzo letztlich um 0,4 Sekunden in Schach zu halten? Und wie entwickelte sich der Dreifacherfolg der 'ewigen Marquez-Jäger' über den diesjährigen Dominator? Motorsport-Magazin.com hat in der großen Brünn-Analyse für euch wie immer alle Antworten parat.

Pedrosa und Lorenzo mit halsbrecherischem Anfangstempo

Durch die Startplätze fünf und sechs bei gleichzeitiger Pole Position für Marquez war für Pedrosa und Lorenzo klar: Nur ein Blitzstart und eine gute Anfangsphase dürften ihnen unter normalen Umständen die Aussicht auf eine legitime Siegchance erhalten. Dies glückte beiden vorzüglich, jedoch kam anschließend alles anders. Marquez schien von Beginn an nicht in der Lage, seinen Widersachern zuzusetzen. Bereits beim Start preschten Pedrosa und Lorenzo vorbei und machten sich an die Verfolgung der beiden Ducatis von Andrea Iannone und Andrea Dovizioso.

Pedrosa gelang nach langer Zeit mal wieder ein starker Start ins Rennen, Foto: Milagro
Pedrosa gelang nach langer Zeit mal wieder ein starker Start ins Rennen, Foto: Milagro

Vor allem Lorenzo suchte direkt sein Heil in der Flucht, wohlwissend, dass er auf dem weicheren Vorderreifen gegenüber der schnellen Konkurrenz auf dem härteren Pneu gegen Rennende einen Nachteil haben müsste. In den Runden zwei und drei brannte der Yamaha-Star dann auch seine mit Abstand schnellsten Umläufe des GP in den Asphalt, schluckte Pedrosa und die Ducatis, und hatte am Ende der dritten Runde bereits einen Vorsprung von knapp einer Sekunde auf den Honda-Piloten.

Pedrosa drehte den Spieß jedoch um - und seinerseits mächtig auf. Bis zum Ende des sechsten Umlaufes nahm er Lorenzo rund 1,3 Sekunden ab, ging somit in Führung. In Runde drei gelang ihm dabei mit einer Zeit von 1:56.027 nicht nur die schnellste Rennrunde am Sonntag, sondern aller Zeiten auf dem Circuit in Brünn. Marquez und Rossi hatten nach einer schwachen Anfangsphase nach Runde sechs bereits einen Rückstand von 1,4 respektive 1,8 Sekunden. Die beiden Ducatis mussten bereits zu diesem frühen Zeitpunkt des Rennens dem irren Tempo an der Spitze Tribut zollen - und schieden aus dem Kampf um Sieg und Podium aus.

Im Anschluss an das Rennen gestand Lorenzo ein, dass die Wahl des weicheren Vorderreifens ein Fehler war. Um die Unebenheiten der Strecke sowie die kühle Luft- und Asphalttemperatur von 17 respektive 23 Grad Celcius auszugleichen, hielten er und sein Team diese Maßnahme jedoch zunächst für angebracht. Das obere Schaubild zeigt, wie Lorenzos Zeiten nach den ersten beiden Runden doch deutlich abbauten, während Pedrosa auf dem härteren Vorderreifen in der Spitze sogar noch einen schnelleren Umlauf hinbekam.

Einmal in Führung, holte Pedrosa dann auch sprichwörtlich den Hammer raus. Ab Runde sechs legte er eine irrsinnige Serie von neun Runden von maximal 1:56.3er-Zeiten hin (inklusive Aufholjagd auf Lorenzo gar zwölf!), und fuhr sich so einen Vorsprung von knapp 1,9 Sekunden bis zum Ende der vierzehnten Runde heraus. Um zu demonstrieren, wie eindrucksvoll dieser Rennentscheidende Run Pedrosas war, folgt nun eine Auflistung der Anzahl der 1:56er-Zeiten (und besser) der Top-4-Piloten

Fahrer:PedrosaLorenzoRossiMarquez
Runden 1:56.3 und besser:12534

Dass Pedrosa alleine auf die gleiche Anzahl kommt, wie seine schärfsten Konkurrenten zusammen, demonstriert den unglaublichen Speed, den der Honda-Pilot in den ersten beiden Renndritteln auf die Strecke brachte. Doch warum baute er trotz harter Reifen gegen Ende massiv ab? Wie schaffte es Lorenzo, trotz des eigentlichen Nachteils des weicheren Vorderreifens in der späten Rennphase noch bis auf 0,4 Sekunden an Pedrosa heranzufahren? Um diese Frage zu beantworten, bedarf es einmal mehr eines Schaubildes. Die folgende Graphik zeigt die Rundenzeiten Lorenzos zwischen den Runden vier und zweiundzwanzig. Nachdem Lorenzo nach zwei Umläufen das schnelle Abbauen seines Reifens bemerkte, pendelte er sich mit seiner unglaublichen Rennintelligenz auf einem Niveau ein, das schnell genug war und das er bis ins Ziel halten konnte.

Während Lorenzo bis auf drei positive Ausreißer in 19 Runden 16 Mal zwischen einer Zeit von von 1:56.4 und 1:56.6 blieb, baute Pedrosa ab Runde 15 merklich ab. Nachdem seine Reifen in Folge der wahnsinnigen Zeitenhatz stark abbauten, litt er nach eigenen Angaben gegen Ende unter starkem Chattering, verlor zudem viel Grip und Zeit beim Herausbeschleunigen aus den Kurven. Die folgende Tabelle zeigt, wie Lorenzo gegen Ende so noch einmal merklich aufholte.

RundePedrosaLorenzoAbstand
151'56.5151'56.3371.699
161'56.4981'56.5311.732
171'56.9001'56.5641.396
181'56.7021'56.5681.262
191'56.6441'56.6571.275
201'56.4791'56.5111.307
211'56.7971'56.4280.938
221'56.8191'56.2910.410

Rossi ab Rennmitte zu schnell für Marquez

Pedrosa und Lorenzo entpuppten sich von Beginn an als deutlich zu stark für Marquez, und ließen diesen bereits ab Runde zwei hinter sich. Das falsche Setup des amtierenden Weltmeisters, der permanent über durchdrehende Reifen beim Herausbeschleunigen aus den Kurven klagte, verhinderte einen Angriff auf die Spitze quasi ab unmittelbar nach Rennbeginn. Dabei steckte Marquez in einem wahren Teufelskreis: Da auch die Bremsbalance seiner RC213V nicht stimmte, verpasste er regelmäßig die optimalen Bremspunkte, nutzte die Reifen so noch stärker ab und verlor immer mehr Zeit beim Herausbeschleunigen. Nachdem Marquez auf den frischen Pneus zu Rennbeginn noch einigermaßen mithalten konnte, musste er nach rund einem Drittel des Rennens merklich abreißen lassen.

Rossi hingegen klagte zu Beginn über Probleme beim Kuppeln, welche aus seinem schwer verletzten Finger resultierten. Nach ein paar Runden waren die Schmerzen jedoch weg, und Rossi blies seinerseits zur Attacke auf Marquez. Allerdings baute der Weltmeister seine Führung auf den Yamaha-Piloten bis Runde zehn zunächst einmal auf 1,1 Sekunden aus, ehe größere Probleme einsetzten und Rossi bereits am Ende von Runde 13 vor Marquez lag. Wie unterlegen Marquez gegenüber seinen Kontrahenten ab Runde neun war, demonstriert die folgende Graphik:

Fazit

Auch Marquez ist menschlich und begeht einmal Fehler. Sein gegenüber der Konkurrenz sträflich falsches Setup machte es auch dem 'Außerirdischen' unmöglich, gegen die Elite der MotoGP anzukommen. Pedrosa, Lorenzo und Rossi hatten zum ersten Mal in dieser Saison ihr Schicksal in eigener Hand - und nutzten die Chance prompt. Dass dies jedoch nun zu einem Dauerzustand wird, darf getrost bezweifelt werden. Ausnahmen bestätigen bekanntermaßen die Regel. Interessant wäre sicherlich noch gewesen, Rossi in diesem Rennen von Beginn an im Vollbesitz seiner Kräfte zu sehen.