Stefan Bradl unterschreibt also bei Forward Racing und pilotiert damit 2015 eine Open-Yamaha statt einer Factory Honda. Was auf den ersten Blick wie ein Abstieg aussieht, könnte sich als richtig für die Karriereplanung erweisen.

Klar, hätte er die Wahl zwischen seiner RC213V und dem Bike des italienischen Forward-Rennstalls gehabt, wäre diese sicher auf die Honda gefallen. Doch die Bosse des japanischen Herstellers ließen ihm keine solche Wahl. Bradl musste den besten unter einigen Plänen B auswählen und entschied sich für Forward. Das könnte mehrere Vorteile mit sich bringen.

Zunächst hat er bei seinem neuen Team weniger Druck. Sowohl von Seite der Medien als auch von Hersteller-Seite und nicht zuletzt von sich selbst. Seit seinem Moto2-Titel im Jahr 2011 stand der Bayer permanent im Rampenlicht der deutschen Motorrad-Presse. Verständlich, waren doch Fans und Journalisten nach 18 Jahren ohne WM-Triumph ausgehungert und froh, dass es wieder einen der Ihrigen gab, der in der Weltspitze mitmischte. Dass dieser im Debütjahr in der Königsklasse auf dem gleichen Motorrad unterwegs war wie der amtierende Weltmeister Casey Stoner, ließ die Erwartungen nicht gerade sinken.

Hohe Erwartungen bei Honda

Bradls schönster MotoGP-Moment blieb eine Eintagsfliege, Foto: Honda
Bradls schönster MotoGP-Moment blieb eine Eintagsfliege, Foto: Honda

Entsprechende Erwartungen hatte freilich auch Honda, wo man wenige Monate vor Bradls MotoGP-Debüt mit Marco Simoncelli den Kronprinzen im eigenen Haus durch einen tragischen Unfall verloren hatte. Hondas Fahrer in den Kundenteams stehen in der ersten Reihe, wenn es um Nachbesetzungen im Werksteam geht, hieß es immer. Doch die Augen von Livio Suppo und Shuhei Nakamoto sind streng und Bradl stand von Anfang an auf dem Prüfstand. Eine kleine Spitze von Suppo in einem TV-Interview hier, vermeintlich motivierende Kritik von Nakamoto gegenüber einer Zeitung da begleiteten den deutschen MotoGP-Piloten in den vergangenen zweieinhalb Jahren.

Letztlich machte sich Bradl auch selbst viel Druck, sprach von Podien und ersten Startreihen, doch nur allzu oft schlichen sich kleine und größere Fehler ein. Letztlich stehen nach zweieinhalb Jahren auf einer Factory Honda nur ein Podestplatz und eine Pole Position zu Buche - für die Ansprüche eines Weltkonzerns ist das selbst für einen Satelliten-Fahrer zu wenig.

Bei Forward kann Bradl ab Januar wieder befreit fahren, ohne den Traum vom Werksteam im Kopf und ohne die Argusaugen der Honda-Bosse im Nacken. Und dass die Yamaha das beste Bike der Open-Klasse ist, bewies Aleix Espargaro in dieser Saison schon mehrfach. 2015 kann Bradl zeigen, was wirklich in ihm steckt, denn von Podien spricht jetzt niemand mehr und als Forward-Fahrer sehen sechste Plätze weit besser aus denn als LCR-Pilot. Genau das ist Bradls große Chance.