In der MotoGP-Gerüchteküche brodelt es schon Wochen vor Saisonstart gewaltig. Der Fahrermarkt gleicht bereits jetzt einem heillosen Durcheinander von Mutmaßungen, eventuell durchgesickerten Informationen und verhandlungstaktischer Kniffe gefinkelter Manager. Der Grund: Bis auf Cal Crutchlow und Pol Espargaro hat keiner der aktuellen Top-Fahrer einen Vertrag über das Saisonende hinaus. Marc Marquez, Dani Pedrosa, Jorge Lorenzo, Stefan Bradl, Valentino Rossi und Andrea Dovizioso sind für ambitionierte Teamchefs zu haben, auf der anderen Seite dürfen sich die Piloten um die titelfähigen Motorräder von Honda und Yamaha sowie mögliche Werksfahrer-Engagements bei Ducati und Suzuki balgen. Das wird ein Gemetzel mit harten Bandagen.

Der Lorenzo-Poker

Böse Blicke: Lorenzo war schon mal zufriedener, Foto: Yamaha Factory Racing
Böse Blicke: Lorenzo war schon mal zufriedener, Foto: Yamaha Factory Racing

Das Gerücht um einen Wechsel von Jorge Lorenzo zu Ducati stellte Mitte Januar den Auftakt in die Silly Season dar. Einem spanischen Radiosender zugespielte Infos wiesen 15 Millionen Euro vermeintliche Jahresgage aus. Im Rahmen der Testfahrten in Sepang goss auch Honda-Boss Shuhei Nakamoto Öl ins Feuer, als er offen Interesse an der Verpflichtung Lorenzos bekundete. Diese Vorgänge zeigen zwei Dinge klar: Erstens, dass Lorenzo die begehrteste Aktie am Markt ist und zweitens, dass er darum seinen Marktwert so hoch wie möglich halten will.

So glücklich wie einst ist Lorenzo bei Yamaha nämlich nicht mehr. Im Vorjahr klang immer wieder leise Kritik am Motorrad und dem Entwicklungstempo der Japaner durch. Lorenzo hält sich nach wie vor für den besten Piloten im Feld, der die Niederlage gegen Marc Marquez nicht nur seinem Schlüsselbeinbruch, sondern auch seinem fahrbaren Untersatz zuschiebt. Was würde da näher liegen als auf das gleiche Material wie sein Bezwinger zu wechseln? Einen Verbleib bei Yamaha will er sich deshalb teuer abringen lassen. Hier geht es aber weniger um monetäre Überlegungen als um Zugeständnisse bei der Entwicklung.

Rossis Entscheidung

Lorenzos Machtposition stärkt der Umstand, dass Yamaha auch um Valentino Rossi bangen muss. Der bald 35-Jährige (Geburtsag: 16. Februar) stellte ein mögliches Karriereende für 2014 in den Raum. Der Rauswurf seines langjährigen Crewchiefs Jeremy Burgess nach 80 gemeinsamen Siegen zeigte zwar, dass Rossi noch immer erfolgshungrig ist. Allerdings könnte dieser Personalwechsel auch ein letztes Aufbäumen des siebenfachen MotoGP-Weltmeisters sein. Läuft es auch unter dem neuen Crewchief nicht, könnte Rossi endgültig die Lust verlieren. Denn den Kampf um Siege nur von hinten zu beobachten, davon hat der Dottore nach drei Jahren die Schnauze voll. Das erstmalige Antreten seines neuen Rennstalls "Team Sky VR46" in der Moto3 ist nur ein weiteres Indiz für einen baldigen Abschied vom aktiven Sport. Für Yamaha wäre ein Abschied Rossis schlimm, verliert man auch Lorenzo käme das einem Supergau gleich, für den es mit den Espargaro-Brüdern Aleix und Pol in den eigenen Reihen nur einen unzureichenden Plan B gibt. Das weiß Lorenzo, wenn er mit Yamaha-Boss Lin Jarvis am Verhandlungstisch sitzt.

So harmonisch geht es hinter den Kulissen nicht zu, Foto: Repsol Honda
So harmonisch geht es hinter den Kulissen nicht zu, Foto: Repsol Honda

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass Honda Lorenzo öffentlich schöne Augen macht? Immerhin hat man mit Marquez den amtierenden Weltmeister und das Top-Talent des kommenden Jahrzehnts und mit Dani Pedrosa den einzigen Fahrer, der in acht aufeinanderfolgenden Jahren Saisonsiege einfahren konnte. Nakamotos Interessensbekundung hat mehrere Gründe und ist mehr als ein bloßer Bluff um Unruhe in die Yamaha-Box zu bringen. Bei Repsol Honda hängt der Haussegen seit der vergangenen Saison schief. Zwischen dem Marquez-Lager rund um Emilio Alzamora und der Pedrosa-Fraktion von Alberto Puig tobt ein interner Machtkampf. Das Desaster von Phillip Island zeigte klar auf, dass eine Seite der Box mit der anderen nicht mehr offen spricht.

Familienstreit im Hause Honda

Die Marquez-Seite hat spätestens seit dem Titelgewinn Oberwasser. Dass der frischgebackene Champion die alte Stoner-Crew in seiner Box durch seine Vertrauensleute aus dem Moto2-Meisterjahr austauschen durfte, ist ein erstes Zugeständnis der Honda-Bosse. Pedrosa hingegen muss sich den Vorwurf gefallen lassen, es in acht Jahren als Honda-Werksfahrer nicht geschafft zu haben, Weltmeister zu werden. Verletzungen hin oder her. Mit mittlerweile 28 Jahren ist Pedrosa nicht mehr der Jüngste. Ein finanziell lukrativer Wechsel zu Ducati oder Suzuki (oder gar Yamaha?) samt Teamleader-Status könnte dem Katalanen für den Herbst seiner Karriere gut tun und spielt in den Überlegungen seines Management wohl eine Rolle.

Die Situation auf dem Fahrermarkt birgt jede Menge Zündstoff und Fragezeichen. Was etwa Suzuki für seine beiden Werks-Motorräder plant, ist noch völlig ungewiss. Und vielleicht bleibt am Ende ja doch alles oder zumindest vieles beim Alten. Ein Sprichwort gilt nämlich auch für die Gerüchteküche: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.