Die Kathedrale bietet immer eine Überraschung - sagt die Legende. Wenn es nur eine Überraschung gewesen wäre, hätten wir das locker verkraftet. Aber so viele verwirrende Ereignisse an nur drei Tagen gehen auf keine Kuhhaut. Wir versuchen noch einmal, alles erwähnenswerte zusammenzubekommen und lassen uns nicht noch einmal davon verwirren, dass der ganze Spaß schon am Donnerstag losgeht - auch wenn viele schon am ersten Trainingstag wohl das Gefühl hatten, dass die Informationsflut für ein ganzes Wochenende ausreichen würde.

"Rossi ist der Sieger, Lorenzo der Held", das teilten viele am Samstagabend bei Twitter mit. Gegenüber dem italienischen TV gab sich Jorge Lorenzo aber bescheiden: "Nein, ich bin kein Held. Helden sind die Menschen, die hart arbeiten, um bis zum Ende jedes Monats zu überleben. Ich bekomme Geld für diese Sachen." Übrigens war der amtierende Weltmeister mit seinem Geld auch ganz allein in der Lage, einen Privatjet zu chartern und damit ins Krankenhaus nach Barcelona und direkt vom OP-Tisch wieder zur Rennstrecke zu fliegen. Yamaha hatte also definitiv kein Druckmittel.

Um das zu beschreiben, was Lorenzo an diesem Rennwochenende geleistet hat, fehlen schlichtweg die Superlative. "JL99 - jenseits der Call of Duty - für alle, die denken, sie sind hart, denkt noch einmal nach", beschrieb Jeremy McWilliams den neuen Iron Man der MotoGP. Cal Crutchlow ist nach diesem Wochenende als harter Hund wahrlich abgelöst. Mal ganz ehrlich: Wie wahrscheinlich war es, dass der 26-Jährige nach dem heftigen Crash nicht 48 Stunden lang beobachtet wird, sondern in ebendieser Zeit nach Barcelona fliegt, sich operieren lässt, wieder nach Holland fliegt und in weniger als 48 Stunden wieder auf dem Motorrad sitzt?

Abgesehen davon, dass Schlüsselbeinbrüche in Assen irgendwie zu den Lieblingsverletzungen der Fahrer gehörten, gleicht die Lorenzo-Geschichte einfach einem Märchen. Noch viel unrealistischer wirkt es, dass Lorenzo nicht einfach mit Motor Nummer sieben aus der Boxengasse gestartet und hinter einigen CRT-Fahrern noch als 14. ins Ziel gegurkt ist, sondern mit Platz fünf zehn Punkte abgeräumt hat und in der WM noch immer nur neun Zähler auf Dani Pedrosa verliert. Diese Story wird definitiv ein eigenes Kapitel in den MotoGP-Heldensagen erhalten, ganz sicher.

Kick it like Beckham

Ein anderes Kapitel schlug Valentino Rossi am Rennsamstag in Assen auf. Der vielfache Champ, der von vielen nach zwei hilflosen Jahren bei Ducati schon abgeschrieben wurde, hat es noch einmal bewiesen und damit einen weiteren Meilenstein auf seinem langen erfolgreichen Karriereweg gelegt. Dieses Mal kein Stolperstein. Rossi ist zurück an der Spitze - zur Freude aller. Aber ganz ehrlich: Das wurde auch langsam Zeit. Denn hätte der Superstar nicht bald ein derartiges Ausrufezeichen gesetzt, müssten wir wirklich fürchten, dass er sich zurückzieht und was wäre die MotoGP ohne Valentino Rossi? Wie sich das anfühlt, haben wir - mehr oder weniger - in den letzten zwei Jahren, acht Monaten und 19 Tagen gemerkt. Traurig. Besonders gut an Rossis Sieg waren die jubelnden Fans vor dem Podest, die für ein wahres Gänsehautfeeling sorgten.

Marc Marquez stürzte ebenso heftig, doch keiner machte großes Aufsehen darum, Foto: Milagro
Marc Marquez stürzte ebenso heftig, doch keiner machte großes Aufsehen darum, Foto: Milagro

Dabei gibt es noch einen, der schon bereit steht, in die Fußstapfen eines Superhelden zu treten: Marc Marquez. Der Rookie stand in den Niederlanden schon zum sechsten Mal auf dem Podest und das in nur sieben jemals gefahrenen Rennen der Königsklasse. Dazu fuhr er mit einem gebrochenen Finger und einer gebrochenen Zehe - was einem Marquez nach den zahlreichen Stürzen und trotzdem atemberaubend guten Ergebnissen scheinbar schon gar nicht mehr angerechnet wird. Dennoch zeigte der Honda Pilot nur einmal mehr, was für ein unglaubliches Talent er hat. Heldenhaft war auch Crutchlows Pole Position. Schade für den Briten, dass nicht mehr als Platz drei drin war. Doch für einen Fahrer auf einer Privatmaschine ist selbst das schon eine unglaublich starke Leistung.

Für Dani Pedrosa verlief das Wochenende etwas unglücklich, hätte er die Chance doch beim Schopf packen und seinen engsten Verfolger noch weiter distanzieren können. Doch für Pedrosa lief es einfach nicht gut. Da konnte der kleine Spanier fast froh sein, dass Lorenzo verletzt war. Einfach nicht gut lief es auch für Ducati. Nicky Hayden und Andrea Dovizioso konnten auf dem TT Circuit schlichtweg gar nichts reißen, auch wenn sich beide die Ergebnisse schön zu reden versuchten. Zumindest stand Dovizioso mit seinem Hector-Barbera-Manöver in den Schlagzeilen. Kick it like Beckham lautete das Motto. Der Italiener hatte beim Fußballspiel vor dem Catalunya GP im Camp Nou ja kräftig geübt.

Doch nicht nur das MotoGP Rennen bot den Zuschauern beste Spannung und tolle Überraschungen. Neben den Spaniern in der Moto3 gaben es sich auch die Moto2 Piloten wieder ordentlich. Zur großen Freude der deutschsprachigen Fans schaffte es Dominique Aegerter im harten Kampf gegen die Konkurrenz endlich aufs verdiente Podium, nachdem er in diesem Jahr schon drei Mal mit Platz vier nur knapp dran vorbeischrammte. Sollte ihm bald noch der Sprung auf den obersten Podestplatz gelingen, könnte auch Aegerter ein Kapitel in der Heldensage zugeschrieben bekommen.