Es war ein Duell, das stellvertretend für die Machtverhältnisse im Paddock der Motorrad-WM stand: Auf der einen Seite der heißblütige Spanier Aron Canet, auf der anderen Seite der stets entspannt wirkende Lorenzo Dalla Porta. Spanien und Italien - die beiden stärksten Fraktionen im Zweikampf um nichts Geringeres als den WM-Titel in der Moto3-Klasse.

Diesem Schauspiel durften die Fans der kleinsten Kategorie der Weltmeisterschaft in den vergangenen Monaten beiwohnen. Wie so oft in der Moto3 hatte das Titelduell auch in der abgelaufenen Saison sämtliche Facetten zu bieten: Vom direkten Zweikampf der Konkurrenten um Siege über Pech mit Defekten bis hin zu unverschuldeten Kollisionen, die den WM-Kampf entscheidend prägten. Letzten Endes setzte sich Dalla Porta klar durch und punktete vor allem durch seine Konstanz. Elf Podestplätze - davon sechs zweite Ränge - bei nur zwei Nullnummern (eine davon nach der Titelentscheidung) gaben den Ausschlag.

Italien konnte somit die kleinste Klasse von Spanien nach eineinhalb Jahrzehnten zurückerobern, denn Dalla Portas Triumph war der erste eines Italieners in der Einsteigerkategorie seit sich Andrea Dovizioso 2004 durchgesetzt hatte. In diesem titellosen Zeitraum konnte Spanien nicht weniger als acht der 13 möglichen Titel erringen und unter anderem fallen die ersten Titel von Alvaro Bautista, Marc Marquez, Maverick Vinales, Alex Marquez und Joan Mir in diese Zeitspanne. All diese Weltmeister fahren längst MotoGP oder sind - wie im Falle Bautistas - aus dieser sogar schon zurückgetreten.

Dalla Portas Titel ist auch insofern bemerkenswert, als es der erste italienische WM-Titel seit einem Jahrzehnt ist, an dem Valentino Rossi nicht beteiligt war. Denn seit Marco Simoncellis 250cc-Triumph in der Saison 2008 holte Rossi zunächst selbst den bislang letzten MotoGP-Titel Italiens (2009), ehe 2017 und 2018 mit Franco Morbidelli und Francesco Bagnaia zwei Fahrer aus Rossis VR46 Riders Academy in der Moto2 triumphieren konnten.

Lorenzo Dalla Porta fuhr 2019 zum WM-Titel in der Moto3, Foto: Leopard Racing
Lorenzo Dalla Porta fuhr 2019 zum WM-Titel in der Moto3, Foto: Leopard Racing

Italiens Motorradherz ist somit nicht länger nur auf Rossis Rennfahrerschule angewiesen, denn neben Dalla Porta gibt es mit Tony Arbolino und Romano Fenati zwei weitere "unabhängige" Moto3-Laufsieger aus Italien. In der Moto2 holten zudem Enea Bastianini und Fabio Di Giannantonio (ebenfalls beide nicht Teil der VR46 Academy) Podestplätze.

In den kleinen Klassen macht Italien somit Spanien immer heftiger seinen Platz als Nation an der Spitze streitig. Nach Siegen ging die Moto3 im "Ländermatch" der beiden Motorrad-Giganten 8:8 aus, in der Moto2 setzte sich Spanien mit 8:5 durch, beide Nationen holten jeweils einen Titel - neben Dalla Porta in der Moto3 war es der Spanier Alex Marquez in der mittleren Kategorie. "Rookie des Jahres" wurde allerdings in beiden Klassen ein Italiener: VR46-Schützling Celestino Vietti in der Moto3, Di Giannantonio in der Moto2.

Die Zukunftsaussichten der Italiener sind in jedem Fall rosig: In der kleinsten Kategorie stellt man 2020 mit sieben Fahrern gleich viele wie Spanien, in der mittleren Klasse hat man mit neun Fahrern im Vergleich mit Spaniens sieben Piloten sogar die Oberhand. Nur in der Königsklasse bleibt das von Marc Marquez angeführte Spanien unangefochten: Ganze neun Fahrer stellt das iberische Königreich 2020, von denen lediglich zwei (Tito Rabat und Aleix Espargaro) ihren 30. Geburtstag hinter sich haben.

Von Italiens sechs Fahrern haben Andrea Iannone, Andrea Dovizioso und Valentino Rossi den 30er bereits hinter sich, Danilo Petrucci wurde im Oktober 29 Jahre alt. Für frisches Blut in der italienischen MotoGP-Fraktion sorgen aktuell lediglich Morbidelli und Bagnaia. Doch wie sich 2019 in den beiden kleinen Klassen zeigte, hat Italiens Aufholjagd begonnen.