Tom, mit welchen Gefühlen startest du in die neue Saison?
Tom Lüthi: Ich bin ready für die neue Saison. Die Vorbereitung war gut und wir konnten die Zeit auf der Strecke aufgrund des Wetters sehr gut nutzen. Die Testfahrten waren auf jeden Fall notwendig, aber jetzt reicht es und es wird Zeit, dass wir wieder Rennen fahren.

Wie schwierig ist die nach einem Jahr in der MotoGP die Umstellung auf die neue Moto2 gefallen?
Tom Lüthi: Ich war froh, dass wir bereits eine Woche nach dem letzten MotoGP-Rennen in Valencia mit dem neuen Moto2-Bike fahren konnten. Damit konnte ich sofort ein neues Gefühl aufbauen, das man in den Winter mitnimmt. Die Umstellung war schon ziemlich groß, denn man fährt mit anderen Reifen und muss andere Linien nutzen. Mein altes Moto2-Gefühl war aber noch in meinem Hinterkopf abgespeichert, deshalb musste ich einfach nur so viele Runden wie möglich drehen. Allerdings musste ich den Fahrstil schon ordentlich umstellen, zum Beispiel bei der Hinterradbremse. Die habe ich viel zu stark benutzt und musste erst wieder eine Position finden, wo ich den Fuß wieder besser auf der Raste halten konnte. Das war ein Automatismus aus einem Jahr MotoGP, denn ich mir wieder abgewöhnen musste.

Wie sehr unterscheidet sich im Hinblick auf den Fahrstil das neue Moto2-Motorrad vom alten, das du bis 2017 gefahren bist?
Tom Lüthi: Das ist schwierig zu beurteilen, weil ich nach einem Jahr in den MotoGP keinen direkten Vergleich anstellen kann. Die neue Moto2 dürfte etwas schneller sein als die alte, aber von der MotoGP sind wir immer noch sehr weit entfernt. Es ist also wohl ein bisschen anders, aber nichts komplett Fremdes für mich. Vor allem wurde es Zeit, dass sich endlich im Bereich Elektronik etwas tut.

Hast in diesem Bereich Vorteile gegenüber deinen meisten Konkurrenten, weil du bereits in der MotoGP mit Elektronik gearbeitet hast?
Tom Lüthi: Das dachte ich zunächst, aber im Nachhinein muss ich sagen, dass ich keinen wirklichen Vorteil dadurch genieße. Die Elektronik ist in der Moto2 brutal reglementiert und wir haben nicht viele Möglichkeiten. Es gibt fertige Mappings, die wir einspielen können und wenn man damit ein wenig spielt, hat man den Dreh rasch raus. Ich hätte gerne mehr Möglichkeiten, etwa für jede Kurve die Motorbremse anders einzustellen. Wäre es auch in der Moto2 so komplex, hätte ich durch die MotoGP-Erfahrung schon einen Vorteil.

Was konntest du sonst noch in diesem schwierigen Jahr in der MotoGP für deine weitere Karriere lernen?
Tom Lüthi: Sehr viel. Es war wirklich ein bitteres Jahr und ich musste viele Dinge auf die harte Tour lernen. Als ich im Winter ein bisschen Bilanz gezogen habe, sind mir sehr viele Dinge eingefallen, die ich gelernt habe. In erster Linie im Bereich Organisation und gut aufgestellt sein für das Wochenende. Als das Team mitten in der Saison zerfallen ist, stand ich ganz alleine da und da bist du in der MotoGP definitiv auf verlorenem Posten. Dadurch habe ich sicherlich viel gelernt.

Wie sieht dein Fazit deiner MotoGP-Saison jetzt, mit etwas zeitlichem Abstand, aus?
Tom Lüthi: Das ist vorbei und ich habe das nicht mehr im Kopf. Ende Januar habe ich damit abgeschlossen.

Würdest du nochmal eine zweite MotoGP-Chance suchen?
Tom Lüthi: Suchen kann man die nur durch Erfolg in der Moto2 und den will ich ohnehin. Aber um ehrlich zu sein: So etwas wie letztes Jahr brauche ich nicht mehr, denn das hatte mit Sport nichts mehr zu tun. Das waren keine Bedingungen, unter denen man eine sportliche Leistung abrufen kann. So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben. Aber vielleicht kommt ja nochmal eine Chance, auch wenn ich nicht mehr der Jüngste bin. Bei Dynavolt Intact GP habe ich einen Zweijahresvertrag und damit habe ich meine Ruhe und kann den Fokus nun wieder voll auf den Sport legen. Das ist mir im Moment das Wichtigste.

Wie sehen denn deine sportlichen Erwartungen für 2019 aus?
Tom Lüthi: Ich möchte von Beginn an vorne mitmischen. Die Vorbereitung lief sehr gut und ich fühle mich bereit. Ich starte also mit genügend Selbstvertrauen und im Hinblick auf die Gesamtwertung bleibt ohnehin Konstanz das oberste Gebot.

Wie schätzt du mit den neuen Triumph-Motoren das Kräfteverhältnis zwischen Kalex und KTM ein? Wird es erneut ein Duell auf Augenhöhe?
Tom Lüthi: Ja, ich denke schon, dass man erneut auf Augenhöhe agieren wird. KTM war in Jerez etwas stärker, dort gab es dank des neuen Asphalts aber irrsinnig viel Grip. Brad Binder war sehr schnell, zwischendurch war auch Jorge Martin sehr flott unterwegs. KTM ist und bleibt ein Racing-Haus, aber auch Kalex ist top aufgestellt. Die haben sich richtig reingehängt und wieder ein sehr gutes Chassis geliefert.

Was steht denn auf deinem Wunschzettel an Kalex? In welchen Richtung sollte sich dieses Motorrad entwickeln, damit es dir mehr entgegen kommt?
Tom Lüthi: Grundsätzlich stehen wir solide da, daher kann ich noch keinen konkreten Wunsch äußern. Wir sind mit diesen Motorrädern auch erst auf zwei verschiedenen Strecken gefahren, daher fehlt noch einiges an Erfahrung. Vielleicht haben wir nach den ersten Überseerennen ein klareres Bild und können dann mit konkreten Vorschlägen an Kalex herantreten.