Nach dem härtesten Indycar Grand Prix' der letzten Jahre auf dem "Mid-Ohio Sports Car Course" blickt Rene Binder auf seine sechs Renneinsätze für Juncos Racing zurück und fasst dabei noch einmal die schönsten Eindrücke aus den USA auf und neben der Rennstrecke zusammen...

Platz 21 in Mid-Ohio war am Ende nicht ganz das, was ihr im Vorfeld erwartet habt. Wie groß ist die Enttäuschung, nachdem Du vor dem ersten Boxenstopp sogar für etliche Runden auf Platz 7 unterwegs warst...
"Das muss man schon etwas relativieren: Ich bin mit dem ersten Reifensatz sehr lange draußen geblieben und hab mich dadurch weit vorarbeiten können. Nach dem Boxenstopp war ich immerhin noch 14., aber auf kalten Reifen der härteren Mischung hab ich gleich wieder alles verspielt, weil ich damit zwei Runden lang nur wild herumgerutscht bin."

Es wäre auf jeden Fall mehr drin gewesen...
"Ja, aber ein Platz in den Top 10 ist aus eigener Kraft nicht realistisch. Zumindest nicht als Rookie in unserer Konstellation mit einem Ein-Wagen-Team ohne Vergleichswerte. Mein Renningenieur war mit meiner Leistung sehr zufrieden. Er hat mich nach dem Rennen gefragt, ob mir eigentlich klar ist, dass wir hier in der härtesten Rennserie der Welt fahren. Als Formel 1 Fan bin ich im ersten Moment etwas zusammengezuckt, aber vielleicht war sein Argument ja gar nicht so falsch. In der Verizon Indycar Series fahren mindestens zehn Fahrer um den Sieg, da gibt es keine Motorenüberlegenheit oder Wasserträger, die einen Teamkollegen vorbeilassen. Abgesehen davon wird ohne Servolenkung und auf extremen Rennstrecken gefahren, die kaum Fehler verzeihen. Man sollte das wirklich nicht unterschätzen."

Rene Binder erlebte teils turbulente Rennen zurück, Foto: Patagonia Visual Solutions
Rene Binder erlebte teils turbulente Rennen zurück, Foto: Patagonia Visual Solutions

In Mid-Ohio gab es nicht eine einzige Gelbphase, also keine Verschnaufpause vom Start bis ins Ziel. Man hat nach dem Rennen Fahrer gesehen, die Minutenlang nicht ansprechbar waren.
"Die Belastungen sind brutal, aber ohne Pace-Car Phase war das schon über dem Limit. Das war körperlich sicher das härteste Rennen, das ich bis jetzt gefahren bin."

Wenn man Deine ersten Grand Prix' also noch einmal zusammenfasst, stehen bei sechs Rennen fünf Zielankünfte zu Buche mit zwei Plätzen im Mittelfeld auf Platz 16 im Barber Motorsports Park und Platz 17 in Toronto...
"Wir haben uns konstant verbessert und wenig Fehler gemacht. Das ist das Wichtigste, daher ist meine erste Mission, einmal den Fuß in die Tür zu bekommen, auch erfüllt. Was mir hier fehlt ist nur die Erfahrung. Ich verliere, wie gesagt, noch zu viel Zeit und Positionen, wenn ich mit kalten Reifen und vollem Tank nach einem Boxenstopp zurück auf die Strecke gehe. Wenn die Reifen einmal auf Temperatur sind, bin ich schon ganz gut dabei. Das zeigen auch meine schnellsten Runden in Mid-Ohio."

Vor allem auf den weicheren Reifen warst Du diesmal sehr stark...
"Ich glaub es war richtig, sich vorrangig auf das Renn-Setup zu konzentrieren."

Deine erste Standortbestimmung in der höchsten amerikanischen Liga mit Juncos Racing ist also abgeschlossen. Was kommt als nächstes...
"Wir werden sehen. Ich bin Juncos Racing sehr dankbar für die Chance, die sie mir gegeben haben. Wenn wir für die kommende Saison etwas auf die Beine stellen ist es für mich aber eine Grundbedingung, einen und zwar einen möglichst guten Teamkollegen zu haben. Der Plan ist nach der Saison noch den einen oder anderen Test zu fixieren, um einen echten Vergleich zu bekommen. Wir haben auf jeden Fall mehr Optionen als vor einem Jahr und zwar sowohl in den USA als auch in Europa. Als nächstes steht jetzt aber einmal ein Test mit ByKOLLES Racing und dann ein Renneinsatz beim FIA WEC Lauf in Silverstone am Programm."

Du warst im Home of British Motor Racing schon oft im Renneinsatz, aber auch in Monza, Monte Carlo und anderen Kultstätten des europäischen Rennsports. Wie kann man die Fans eigentlich mit jenen in den USA vergleichen?
"Es ist natürlich immer ein Unterschied, ob man als Fahrer im Hauptprogramm oder im Rahmenprogramm antritt, aber die Wertschätzung für die Fahrer ist in den USA eine ganz andere. Sie verehren ihre Stars, haben aber auch Respekt für das, was ein Neueinsteiger macht und sie sprechen Dich überall mit dem Vornamen an. Das kann man sonst höchstens noch in Monza erleben. Ich habe gehört, dass wir in Mid-Ohio rund 150.000 Fans hatten."

Rene Binder hatte schöne Momente mit den US-Fans, Foto: Patagonia Visual Solutions
Rene Binder hatte schöne Momente mit den US-Fans, Foto: Patagonia Visual Solutions

Welche Eindrücke hast Du über dem großen Teich eigentlich abseits der Rennstrecke gesammelt?
"Es ist ein riesiges und landschaftlich sehr schönes Land, in dem man unheimlich viel erleben kann. Ich mag diese Abwechslung zwischen den Großstätten und den dünn besiedelten, landwirtschaftlich geprägten Gebieten. Und weil ich ganz gerne auch ein saftiges Steak esse, mag ich auch die amerikanische Küche."