Und alle Jahre wieder: Erneut entwickelte sich der Finallauf der IndyCar-Serie zu einem Drama um Will Power. Nachdem der Penske-Pilot bereits in den beiden letzten Jahren im Schlussrennen noch den Titel an Dario Franchitti verloren hatte, scheiterte er auch dieses Jahr buchstäblich auf der Zielgeraden. Großer Nutznießer war daher am Samstagabend in Fontana Ryan Hunter-Reay - obwohl er mit 17 Punkten Rückstand auf Power ins letzte Rennen gegangen war, reichte dem US-Amerikaner am Ende ein Vierter Platz hinter Tagessieger Ed Carpenter und den Ganassi-Piloten Franchitti und Dixon zu seinem ersten Meisterschaftstriumph.

Geschafft: Hunter-Reay zeigt es an - er ist der neue Meister, Foto: IndyCar/LAT USA
Geschafft: Hunter-Reay zeigt es an - er ist der neue Meister, Foto: IndyCar/LAT USA

Dabei war es für den Andretti-Piloten noch unter denkbar schlechten Voraussetzungen losgegangen. Auf Grund eines nötig gewordenen Motorenwechsels, startete Hunter-Reay nur vom 22. Platz - zwar ereilte Rivale Power in Sachen Motorstrafe das gleiche Schicksal, er konnte das Finale aber immerhin vom 13. Rang aus aufnehmen. Anschließend orientierte sich der Penske-Pilot in der Anfangsphase des Rennens jedoch zu sehr an seinem Titelkonkurrenten - die Überlegung schien klar: Würde er immer in Hunter-Reays Nähe bleiben und diesem nicht von der Seite weichen, könnte er die Chancen auf einen großen Punkteunterschied zwischen beiden im Ziel minimieren und seinen relativ komfortablen Vorsprung somit definitiv über die Zeit bringen. Doch Powers Rechnung ging nicht auf und in Runde 54 ereilte ihn erneut sein Final-Trauma.

Fontana hält den Atem an

Ausgerechnet im Zweikampf mit Hunter-Reay rutschte Power ohne Fremdverschulden auf der Innenlinie das Auto weg - er drehte sich in die Mauer und räumte dabei um ein Haar den über ihm fahrenden Amerikaner mit ins Aus. Anschließend spielten sich kuriose Szenen ab: Power war bereits ausgestiegen und sogar schon umgezogen, als seiner Crew beim Blick auf das Rennergebnis auffiel, dass es durchaus hilfreich sein könnte, den Australier noch einmal ins Rennen zu schicken, um Hunter-Reay das Leben zu erschweren - nicht jedoch durch unfaire Aktionen auf der Strecke, sondern durch das Zurücklegen von mehr Runden als der nur kurz nach Power ausgefallene E. J. Viso. Dadurch konnte sich Power vom Vorletzten auf den 24. Platz zurückschieben, wodurch er immerhin zwei Punkte mehr holen würde.

Die Penske-Crew schob Power noch einmal zurück ins (Titel-)Rennen, Foto: IndyCar/LAT USA
Die Penske-Crew schob Power noch einmal zurück ins (Titel-)Rennen, Foto: IndyCar/LAT USA

Tatsächlich vollbrachte die Penske-Crew das Wunder und machte den beschädigten Boliden des Australiers wieder soweit fahrtüchtig, dass er unter dem Jubel der Zuschauer die nötigen zwölf Umläufe abspulen konnte. Der Druck auf Hunter-Reay war dadurch wieder höher - nun würde der Andretti-Pilot schon einen fünften Platz benötigen, um noch Champion zu werden. Diese Position ergatterte er nach einem Motorschaden des Führenden Alex Tagliani wenig später aber tatsächlich, wodurch er sich virtuell die Meisterschaftsführung um einen Punkt sicherte. Power saß zu diesem Zeitpunkt schon wieder draußen und konnte nichts anderes mehr machen als zu hoffen.

Power kann nur zusehen

Seine Chancen den Titel jedoch außerhalb des Cockpits zu gewinnen, schmälerten sich in der Folge immer mehr, da Hunter-Reay weiter auf dem Vormarsch war und sich acht Runden vor Schluss bis auf den dritten Platz vorschob, da Tony Kanaan seinen KV-Racing-Boliden in der Wand versenkt hatte. Renndirektor Beaux Barfield brachte dann allerdings die rote Flagge heraus, weil er ein Meisterschaftsfinale unter gelb vermeiden wollte - am Andretti-Kommandostand wurde diese Entscheidung natürlich nur äußerst ungern gesehen und es kam, wie es kommen musste: Schon kurz nach dem Re-Start zum Schlusssprint wurde Hunter-Reay von Scott Dixon ordentlich unter Druck gesetzt.

Den Ganassi-Piloten ließ er anschließend jedoch weise ziehen, in dem Wissen, dass seine Position immer noch zum Titelgewinn reichen würde. Für den vorzeitigen Schlusspunkt sorgte dann Takuma Sato, der mit seinem Auto in der Mauer landete, abermals die gelben Flaggen herausbrachte und somit doch noch für ein neutralisiertes Ende sorgte. Beim Team und Hunter-Reay, der die Ziellinie schlussendlich als Vierter überquerte und sich somit neben dem Titel auch noch die Ehrung für den besten Ovalfahrer des Jahres sicherte, brachen anschließend alle Dämme. Sie hatte das Unmögliche doch noch geschafft und Power die Krone um denkbar knappe drei Punkte weggeschnappt.

Strapazierte Nerven

"Ich kann einfach nicht glauben, dass wir Meister geworden sind. Ich fasse es nicht!", freute sich Hunter-Reay, der bei der Rückkehr zu seiner Crew in einer Jubeltraube versank. "Diese rote Flagge am Ende hat unsere Nerven wirklich noch einmal strapaziert. Das ist alles noch gar nicht eingesunken... wir haben hier so viel Arbeit reingesteckt und hatten immer die richten Leute um uns herum." Fair auch, was sich nach dem Rennen abspielte - während Power dem neuen Meister aufrichtig gratulierte, wirkte dieser schon fast so, als wolle er sich beim Australier für den erneuten 'Titel-Klau' entschuldigen.

Auch Teamchef Michael Andretti war nach dem Triumph außer sich vor Freude, Foto: IndyCar/LAT USA
Auch Teamchef Michael Andretti war nach dem Triumph außer sich vor Freude, Foto: IndyCar/LAT USA

Bitterer Nachgeschmack für Power: Unterm Strich verlor er den Titel auch, weil sein Team beim drittletzten Lauf in Sonoma auf Stallregie verzichtete und Teamkollege Ryan Briscoe vor ihm gewinnen ließ - genau diese Punkte fehlten dem Unglücksraben nun. Neben der dramatischen Titelentscheidung ging der Sieg von Ed Carpenter in Fontana fast ein bisschen unter. Für den Amerikaner war es erst der zweite IndyCar-Triumph und der allererste mit seinem eigenen Team überhaupt. Einen weniger glücklichen Tag erlebte F1-Rekordstarter Rubens Barrichello, der bis zur Halbzeit des Rennens konstant in den Top-10 fuhr, dann aber von einem Motorplatzer eingebremst wurde. Er beendete seine erste IndyCar-Saison auf dem respektablen zwölften Gesamtrang.