Die Formel E macht sich warm für die Saison 2022. Vor ihrem achten Jahr trägt die Elektro-Rennserie die offiziellen Testfahrten in Valencia (29. November bis 02. Dezember 2021) aus. Der Circuit Ricardo Tormo ist zum sechsten Mal in Folge Austragungsort für die einzigen gemeinsamen Testfahrten und löste ab 2017 die britische Rennstrecke in Donington ab.

Nach den Werksausstiegen von Audi und BMW treffen sich die elf verbliebenen Teams - inklusive US-Rennstall Andretti mit seinen BMW-Kundenautos - zum ersten und gleichzeitig letzten Mal aufeinander, bevor die Saison 8 am 28./29. Januar 2022 in Saudi-Arabien mit einem Double-Header beginnt. Der amtierende Weltmeister Mercedes mit Fahrer-Champion Nyck de Vries steht vor seinem letzten Jahr in der Formel E, bevor das Werk ebenfalls den Stecker zieht.

Die Valencia-Testfahrten sind vom Montag, 29. November bis Donnerstag, 02. Dezember 2021 anberaumt. Dieser Termin wurde erst jetzt - drei Wochen vor dem Test-Auftakt - offiziell von der Formel E und der FIA bestätigt, gilt aber schon seit langer Zeit als fixiert. Am Montag und Dienstag können die Teams von 09:00 bis 12:00 sowie von 14:00 bis 17:00 Uhr testen. Der Mittwoch ist als fahrfreier Medientag eingeplant, am Donnerstag folgt eine weitere Test-Session von 09:00 bis 15:00 Uhr.

Das gibt es nur in Valencia: Formel-E-Auto im Kiesbett, Foto: LAT Images
Das gibt es nur in Valencia: Formel-E-Auto im Kiesbett, Foto: LAT Images

Formel E in Valencia: Rückkehr an den Ort des Grauens

Der Valencia-Test bedeutet für die Formel E eine Rückkehr an den 'Ort des Grauens'. In der abgelaufenen Saison erlebte die Serie ein mediales Debakel beim Rennwochenende auf dem Circuit Ricardo Tormo im April, als in Folge einer massiven, reglementierten Energie-Reduktion nur 14 Autos die Ziellinie sahen und zahlreiche Fahrer mehrere Minuten für ihre letzte Runde benötigten. Die Formel E verpasste es damals, die Hintergründe transparent in der Öffentlichkeit zu erklären.

So musste bei Zuschauern der Eindruck entstehen, dass den Autos beim ersten Rennen auf einer rein-permanenten Rennstrecke schlichtweg der 'Strom ausgegangen' sei. Was tatsächlich hinter der Energie-Farce von Valencia steckte und derartige Spekulationen und Vorwürfe faktisch nicht stimmten, hatte Motorsport-Magazin.com unter anderem in diesem Artikel beleuchtet:

Formel-E-Boss Agag: "Ein bisschen Skandal ist immer gut"

"Das Problem war, wie es vor allem den Zuschauern erklärt wurde", sagte Formel-E-Gründer Alejandro Agag zu Motorsport-Magazin.com. "Ich vergleiche dieses Rennen gern mit dem Reifen-Thema rund um das Formel-1-Rennen in Indianapolis 2005 (Reifen-Skandal; d. Red.). Hat das dem Ansehen der Formel 1 geschadet? Kann man drüber diskutieren, aber auf jeden Fall erinnern sich die Menschen bis heute an dieses Rennen."

Einen nachhaltigen Schaden für das Ansehen der Formel E konnte Agag durch die Valencia-Farce nicht erkennen: "Ein bisschen Skandal ist immer gut. Du brauchst diese Diskussionen und Kontroversen. Wenn immer alles glatt laufen würde, hätten die Leute nichts mehr, worüber sie sprechen können. Also ist das nicht unbedingt schlecht."

In Valencia fuhr die Formel E erstmals auf einer rein-permanenten Rundstrecke, Foto: LAT Images
In Valencia fuhr die Formel E erstmals auf einer rein-permanenten Rundstrecke, Foto: LAT Images

Neue Regel für 2022: Nachspielzeit im Rennen

Valencia - dieses Jahr eine Corona-Notlösung - taucht im noch nicht vollständigen Rennkalender für die Formel-E-Saison 2022 nicht mehr auf. Ein unrühmliches 'Spektakel' wie auf der spanischen Rennstrecke soll sich allerdings nie mehr wiederholen. Um die durchaus gewollte Energie-Reduktion bei Safety-Car-Phasen oder während Full Course Yellow zu optimieren, wurden die Regeln für die kommende Saison noch einmal angepasst.

Statt wie zuletzt 1 kWh Energie pro Minute während einer Neutralisationsphase abzuziehen - in Valencia waren es 19 von 52 per Reglement verfügbaren kWh - gibt es ab 2022 eine Art 'Nachspielzeit'. Bedeutet konkret: pro Minute unter Safety Car oder Full Course Yellow werden 45 Sekunden auf die Rennzeit von 45 Minuten plus einer Runde addiert. Ein Rennen kann in diesem Fall um maximal 10 Minuten verlängert werden. Nur bei einer Neutralisationsphase nach der 40. Rennminute gibt es keine zusätzliche Zeit.

Das Energie-Management nimmt in der kommenden Saison womöglich eine noch wichtigere Rolle in den Rennen ein. Ab 2022 fahren die Formel-E-Autos im Rennmodus mit 220 statt wie bisher 200 kW Power. Die Zusatzleistung durch den verpflichtend einzusetzenden Attack Mode erhöht sich von 235 auf 250 kW. Wohl um die Batterien zu schonen, werden zudem sämtliche Trainings von bisher 45 auf 30 Minuten Dauer reduziert.

Formel E: Qualifying-Revolution für Saison 8

Zusätzlich beansprucht werden Batterien und Reifen auch durch die Revolution des Qualifying-Formats. Statt der bisherigen Aufteilung aller Fahrer in vier Gruppen mit bis zu sechs Fahrern, werden die Piloten ab 2022 in zwei Elfer-Gruppen aufgeteilt. Die vier Fahrer einer jeden Gruppe mit den schnellsten Rundenzeiten ziehen in eine K.o.-Phase ein, zwischendurch dürfen dabei die Räder gewechselt werden. Die besten Startpositionen werden anhand von Viertel- und Halbfinals sowie einem Finale um die Pole Position ermittelt, wie Motorsport-Magazin.com an dieser Stelle ausführlich erklärt hat.

Ein derartiges Shootout-Qualifying hatte Formel-E-Geschäftsführer Jamie Reigle bereits am Rande des diesjährigen Saisonfinales in Berlin im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com durchblicken lassen. Warum ein etabliertes Format wie in der Formel 1 für die Formel E keine Option war und wie er die Serie langfristig aufstellen will, erläutert der Kanadier in unserer aktuellen Print-Ausgabe.

Reigle: Wollen keine Formel-1-Kopie sein

Reigle erklärt unter anderem: "Aus Sicherheitsgründen wäre es auf Stadtkursen schwierig, anfangs das gesamte Feld auf die Zeitenjagd zu schicken. Wir müssten es in Gruppen aufteilen und hätten wieder das Problem mit den unterschiedlichen Streckenbedingungen. Wichtiger ist aber: Wenn wir die Formel 1 kopieren, dann wären wir nur eine kleine, elektrische F1. Das ist nicht unser Ziel. Wir wollen ein Produkt erschaffen, mit wir uns von allen anderen Rennserien unterscheiden."

Die gesteigerten Anforderungen an die stark eingeschränkte Anzahl der verfügbaren Reifen pro Rennwochenende hat zu einer weiteren Änderung im Reglement für die Saison 2022 geführt. Laut Sportlichem Reglement können Wettbewerber nun vier statt wie bisher drei neue Vorder- und Hinterreifen nutzen. Bei Doppel-Rennen erhöht sich die Anzahl auf sechs Reifen pro Achse.

Vermutlich wird das neue Qualifying-Format bei den Testfahrten in Valencia in einer speziellen Session erprobt, wie es früher auch schon bei der neu eingeführten Energie-Reduktion für die Rennen der Fall war.