Als Formel-E-Weltmeister in die Formel 1? Mit seinem jüngsten Erfolg hat sich Nyck de Vries in Stellung gebracht für eines der begehrten Cockpits in der F1, doch der Niederländer rechnet sich keine allzu hohen Chancen aus. Auf die Frage, ob er 2022 in der Formel E bleiben werde, antwortete de Vries am Rande der IAA Mobility in München: "Es ist ein bisschen früh, um zu wissen, was die Zukunft bringt. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch."

De Vries galt eine Weile als aussichtsreicher Kandidat für einen Platz bei Williams oder Alfa Romeo. Beim Traditionsrennstall aus dem britischen Grove schnappte sich allerdings Formel-1-Rückkehrer Alex Albon den frei gewordenen Platz nach George Russells Aufstieg ins Mercedes-Werksteam. De Vries' Nähe zu Mercedes als Werksfahrer gilt nun als Stolperstein auf dem Weg zu einer möglichen Anstellung bei Alfa als Nachfolger von Antonio Giovinazzi, dessen Sitz offenbar gehörig wackelt.

"Mit De Vries wäre es kompliziert, weil er stark mit Mercedes verbunden ist", bestätigte zuletzt Alfa-Teamchef Fred Vasseur, der den 26-Jährigen bestens aus gemeinsamen und erfolgreichen ART-Zeiten in der GP3-Serie (2016, Platz sechs) sowie der FIA Formel 2 (2019, Meister) kennt. "Es ist viel einfacher für uns, mit jemandem umzugehen, der bei Ferrari unter Vertrag steht als mit jemandem, der vertraglich bei Mercedes ist."

De Vries: Formel 1 bleibt der Traum

De Vries' Hoffnungen auf die Formel 1 scheinen wieder einmal zu schwinden, nachdem dem früheren McLaren-Junior schon 2019 trotz des Gewinnes der Formel-2-Meisterschaft der Aufstieg verwehrt blieb. "Es ist kein Geheimnis, dass jeder junge Fahrer den Traum hat, in die F1 zu kommen", sagte er. "Ich würde lügen, wenn ich heute etwas anderes behaupten würde. Gleichzeitig muss man realistisch und ehrlich zu sich selbst sein."

Die Formel E in Verbindung mit einem Mercedes-Werkscockpit bot vor zwei Jahren die beste Gelegenheit für den ambitionierten Piloten, der parallel bei Langstrecken-Rennen antritt, wie am kommenden Wochenende bei der European Le Mans Series in Spa-Francorchamps. De Vries: "Jetzt weiß ich nicht, was der beste Schritt nach vorne wäre. Ich nehme mir die Zeit und wäge die Möglichkeiten ab."

De Vries: Schade, dass deutsche Hersteller Formel E verlassen

Seine Zukunft in der Formel E ist mit einem potenziellen Ablaufdatum versehen. Mercedes beendet sein Werksprogramm nach der Saison 2022 und folgt damit auf Audi und BMW, die bereits den Stecker gezogen haben. Die Zukunft der Silberpfeile in der Elektro-Rennserie ist aktuell ungeklärt, eine Fortführung als Privatteam unter dem neuen Gen3-Reglement ab 2023 gilt als realistische Option.

"Es ist schade, dass so viele deutsche Hersteller gehen", fand de Vries. "Das ist ein Trend, wenn man auf die Historie des Rennsports blickt. Ab 2023 scheint die Langstrecke (LMDh & Hypercars; d. Red.) eine stärkere Option zu sein. Für mich ist es schwierig, weit vorauszuschauen. Ich muss weiter auf der Strecke abliefern und mir meine Möglichkeiten verdienen. Wenn mir das gelingt, liegen noch ein paar gute Jahre vor mir."

Gelungen ist ihm das sicherlich in seiner zweiten Saison in der Formel E. An der Seite des erfahreneren Teamkollegen Stoffel Vandoorne ging de Vries als erster offizieller FIA-Weltmeister in die Geschichtsbücher der jungen Rennserie ein. Im Verlauf einer höchst turbulenten Saison, in der vor dem Finale in Berlin ganze 18 Fahrer theoretische Chancen auf den Titel hatten, krönte er sich mit zwei Siegen und vier Podestplätzen zum Champion. Im letzten Rennen reichte de Vries Platz acht zum Triumph, nachdem zahlreiche Titelrivalen ausgeschieden waren.

De Vries: Titel nicht vollkommen unverdient

"Ich bin dankbar, dass Fortuna uns am Sonntag auserwählt hat, das Glück spielte uns in die Karten", räumte de Vries ein. "Ich gebe zu, dass es ein wenig einer Lotterie gleichkam und wir die Glückszahl gezogen haben. Aber wir haben die Meisterschaft davor mehrfach angeführt, der Titel ist also nicht vollkommen unverdient. Ich bleibe demütig, weil quasi jeder hätte Weltmeister werden können. Aber wir haben es geschafft, und nur das zählt am Ende."

Offen bleibt, ob de Vries jemals ein Rennen in der Formel 1 bestreiten darf. Aktuell bekleidet er zusammen mit dem Belgier Vandoorne den Posten als Test- und Ersatzfahrer bei Mercedes. Seinen bislang einzigen Einsatz in einem F1-Silberpfeil hatte er Ende vergangenen Jahres bei den Young Driver Tests in Abu Dhabi. Davor gehörte de Vries von 2010 bis 2019 dem Junioren-Programm von McLaren an, zwischenzeitlich absolvierte er zudem ausgewählte Test-Einsätze für Audi.