Die Formel-E-Saison 2021 ist verrückt. Nach 13 von 15 Rennen ist im Kampf um den ersten WM-Titel in der Elektrorennserie noch keine Vorentscheidung gefallen. Nyck de Vries schob sich am vergangenen Wochenende in London mit zwei zweiten Plätzen von Platz zehn an die Spitze der Gesamtwertung. Zwei Wochen zuvor katapultierte sich Sam Bird mit dem Sieg am Sonntag sowie den Zusatzpunkten aus dem Qualifying (drei Punkte für die Pole Position und ein Punkt für Platz eins in der Gruppenphase) vom 13. Platz nach ganz vorne!

Mercedes-Fahrer de Vries führt die WM-Wertung mit 95 Punkten vor Robin Frijns (89 Punkte) an. Dahinter folgen mit 81 Zählern punktgleich Jaguar-Pilot Bird und Jake Dennis, der in London seinen zweiten Saisonerfolg einfuhr.

Pro Rennen kann ein Formel-E-Sieger inklusive der Zusatzpunkte aus der Qualifikation und für die schnellste Rennrunde maximal 30 Zähler einfahren. Vor den beiden Berlin ePrix (14./15. August) haben nicht weniger als 18 Fahrer noch Titelchancen. Angesichts der geringen Abstände ist ein vorzeitiger Titelgewinn nach dem ersten Rennen unwahrscheinlich.

Viele Nullrunden der WM-Spitzenreiter

Auffällig ist die hohe Anzahl an Nullrunden der Fahrer. De Vries blieb in sieben Rennen punktlos, Frijns beendete sechs Renntage ohne zählbares Ergebnis und Sam Bird, der in beiden London-Rennen ausschied, konnte in acht ePrix nicht in die Punkte fahren.

Wie inkonstant die Fahrer in dieser Saison gepunktet haben, zeigt ein Blick auf die Ausbeute. Im bisherigen Saisonverlauf war es möglich, bis zu 390 Punkte einzufahren. Auf de Vries entfallen aktuell 24,4 Prozent der maximal möglichen Punktzahl. Im vergangenen Jahr war Champion Antonio Felix da Costa effizienter. Er sicherte sich im Saisonverlauf mit 47,9 Prozent nahezu die Hälfte der maximal zu erhältlichen Punkte.

Meister mit geringster Punktzahl

Nach dem zehnten Saisonrennen, dem New York ePrix am Samstag, lagen Edoardo Mortara und Robin Frijns punktgleich mit 72 Zählern an der Spitze der Gesamtwertung. In der bisherigen Formel-E-Geschichte hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch kein Tabellenführer weniger Punkte gesammelt. Obwohl die laufende Formel-E-Saison mit 15 ePrix die längste ist und zudem mehr Meisterschaftszähler pro Rennen ausgeschüttet werden als zeitweise in der Vergangenheit, könnte der diesjährige Champion als der mit der geringsten Anzahl an Punkten in die Geschichte eingehen. Aktuell hält Jean-Eric Vergne diesen 'Negativrekord' aus Saison fünf. Der Franzose gewann die Meisterschaft nach 13 Rennen, in denen jeweils 29 Punkte vergeben wurden, mit 136 Zählern (36 Prozent).

Seit der Saison 2018/19 reguliert das Qualifyingsystem die Rangfolge in der Gesamtwertung. Die sechs in der Meisterschaft führenden Fahrer müssen seitdem in der ersten Qualifyinggruppe antreten und finden dort tendenziell schlechtere Streckenbedingungen vor als die Fahrer der späteren Gruppen. Dadurch haben sie häufig keine Chance auf die vorderen Startplätze und müssen sich im Rennen nach vorne kämpfen.

Auffällig ist in dieser Saison: Nach dem Saisonauftakt in Diriyah gab es in jedem zweiten Rennen einen Wechsel an der Spitze der Gesamtwertung. Fahrer, die sich bei einem ePrix auf Platz eins der Gesamtwertung verbessert haben, punkteten im darauffolgenden Rennen nicht. Das Qualifying beendeten sie durchschnittlich auf Platz 18,8.

"Ich war die gesamte Saison über in Qualifyinggruppe eins. Dadurch hatte ich nie die Chance nach ganz vorne zu fahren und wirklich viele Punkte zu holen", sagte Robin Frijns am Sonntag bei Sat.1. "Das ist auf Strecken wie hier in London besonders schmerzvoll. Du qualifizierst dich immer in der Mitte des Feldes und fährst nach vorne, um so viele Punkte wie möglich zu sammeln. Das wird in Berlin auch wieder der Fall sein." Der Virgin-Fahrer ist der einzige Pilot aus den Top-6 der Punktewertung, der in diesem Jahr noch kein Formel-E-Rennen gewonnen hat. 2021 gab es zehn verschiedene Sieger - ein Rekord in der Meisterschaft.

Noch verrückter ist die Tabellensituation in der Teamwertung. Zehn Rennställe können sich in Berlin noch den WM-Titel sichern. Lediglich die beiden Privatteams Dragon und Nio sind nicht mehr im Rennen. In dieser Wertung hat Virgin mit 165 Punkten die Nase vorne. Es folgen Mercedes (158) und Jaguar (156).