Vom frühen Morgen bis in den späten Nachmittag hinein knallte es beim Auftakt zum großen Rennwochenende der Formel E in Rom. Dass der Samstag mit einem höchst bizarren Auffahr-Unfall am Ende des 1. Freien Trainings beginnen würde, hatten wohl nur die wenigsten Beobachter auf dem Zettel. Dass es später im Rennen erneut scheppern würde, war für einige Fahrer und Experten hingegen keine Überraschung.

Und so endete das Rennen, wie es begonnen hatte - hinter dem Safety Car, sehr zur Belustigung einiger TV-Zuschauer tatsächlich einem Elektro-Mini. Dass der erste von zwei ePrix an diesem Wochenende hinter dem Safety-Mini gestartet wurde, sorgte zunächst für Verwunderung. Nur wegen der feuchten Stellen auf der Strecke, nachdem es vor dem Rennstart geregnet hatte?

"Das war bei dem Wetter die einzig logische Wahl", meinte Sam Bird, der nach seinem zweiten Platz nun die Meisterschaft anführt. "Jeder war vor dem Rennstart besorgt. Auf der Strecke gibt es sehr viel neuen Asphalt, der super-rutschig ist. Wir brauchten Zeit, um uns daran anzupassen." Eine Runde zog der E-Mini das Feld hinter sich her, bevor die Rennleitung freie Fahrt gewährte.

Vandoorne: Unnötiges Risiko von Lotterer

Und trotzdem krachte es sogleich, und zwar kapital: Andre Lotterer rauschte Pole-Setter Stoffel Vandoorne beim Überholversuch in die Fahrzeugflanke, beide fielen zurück, der Kampf um den Sieg war kein Thema mehr. "Lotterer ging mit dem Überholmanöver in Kurve 7 aus meiner Sicht ein unnötiges Risiko ein, gerade da die Strecke nach dem Start noch sehr rutschig und nass war", ärgerte sich Vandoorne über die verpasste Chance.

Der Porsche-Fahrer sah die Situation anders, wurde von der Rennleitung aber als Schuldiger ausgemacht und mit einer 5-Sekunden-Zeitstrafe belegt. "Nach dem Safety-Car-Start war ich hinter dem Spitzenreiter, und als der vor Kurve 7 früh bremste, wollte ich innen an ihm vorbei. Doch als er mich sah, machte er die Tür zu und es kam zur Kollision", beschrieb Lotterer den Vorfall.

Diese besagte Kurve 7 war nach dem Rennstart faktisch die Kurve 1: Auf der überarbeiteten Version der 3,380 Kilometer langen Rom-Rennstrecke liegen zwischen Start- und Zielstrich 1,868 Kilometer Entfernung. Dass es auf dem kurzen Weg von der Startlinie bis zur engen Doppel-Linkskurve krachen würde, hatten einige Fahrer schon im Vorfeld befürchtet.

Formel E 2021 Rom: Highlights des Samstagsrennens: (05:07 Min.)

Vergne warnt vor weiterem Unfall

"Manchmal ist der Start nicht an der richtigen Position", kritisierte Jean-Eric Vergne nach seinem zehnten Sieg im 70. Formel-E-Rennen. "In Bern (Massen-Karambolage 2019; d. Red.) wussten wir vor dem Beginn, dass es einen Unfall geben würde. Und den gibt es hier am Sonntag auch, wenn wir nicht wieder hinter dem Safety Car starten! Mit 24 Autos in einer Kurve, das ist wie auf der Kart-Strecke, das ist unmöglich!"

Ob die Formel E beim bevorstehenden Rennen am Sonntag eine Veränderung der Startposition vornehmen wird? "Wenn ich etwas ändern könnte, würde ich das Rennen zwischen Kurve 14 und 15 starten lassen", sagte Sam Bird. "Das gibt uns eine viel bessere Gelegenheit, durch die Kurve zu kommen. Wo wir heute gestartet sind, kann viel zu schnell ein unnötiger Unfall passieren."

Jean-Eric Vergne gewinnt in Rom sein 10. Formel-E-Rennen, Foto: LAT Images
Jean-Eric Vergne gewinnt in Rom sein 10. Formel-E-Rennen, Foto: LAT Images

Bizarrer Auffahr-Unfall mit Folgen

Apropos unnötiger Unfall: Den gab es in der 'Gefahrenzone' rund um den Startbereich schon am Morgen. Der erfahrene NIO-Pilot Oliver Turvey fabrizierte einen nie zuvor gesehenen Unfall am Ende des 1. Freien Trainings, als er ungebremst in Autos krachte, die sich gerade für einen Übungsstart aufgereiht hatten.

Unter den Unfallopfern befand sich neben dem BMW von Jake Dennis auch Jean-Eric Vergne, dessen Techeetah-Team das Auto rechtzeitig reparierte, sodass er zunächst den fünften Platz im Qualifying und dann den ersten im Rennen erringen konnte. "Es war ein großer Schock für mich", sagte Vergne kurz nach dem Vorfall, und später bei der Sieger-Pressekonferenz: "Oliver ist schon lange dabei. Man muss ihn fragen, was da los war."

Vor den TV-Kameras wollte oder durfte sich Turvey zunächst nicht äußern. In der NIO-Pressemitteilung wurde er nachher mit den nichtssagenden Worten zitiert: "Ein harter Tag nach einer unglücklichen Reihe an Umständen, die zu dem Vorfall führten, für den ich mich beim Team entschuldigen möchte."

Rennleitung: Menschlicher Fehler - Strafpunkte für Turvey

Die Stewards drückten es in ihrem Urteil konkreter aus und sprachen von einem schweren Unfall, der auf einem menschlichen Fehler beruhte. Turvey wurden sechs FIA-Strafpunkte aufgebrummt, beim zwölften folgt eine Rennsperre.

Angesichts der Schwere des Unfalls kam Turvey glimpflich davon, für eine Teilnahme am Rennen war der Schaden am Auto allerdings zu groß. Natürlich hätten Turvey und auch das Team wissen müssen, an welcher Stelle auf der Strecke die üblichen Startübungen durchgeführt werden. Sehen konnte er den Ort allerdings nicht, als er mit hoher Geschwindigkeit heranrauschte - der Weg hin zur Startlinie nach der schnellen Kurve 6 ist nicht einsehbar.

"Gut, dass niemand verletzt wurde, das hätte hässlich werden können", sagte der im Rennen Drittplatzierte Mitch Evans. "Man hätte so etwas leicht verhindern können und ich hoffe, dass es nicht mehr passiert." Was der Jaguar-Pilot damit meinte: "Es ist unglücklich, dass das Startprozedere einige Kurven von der geschwenkten Flagge entfernt liegt. Er hat wohl auf seiner Inlap etwas probiert, aber komplett missverstanden, dass wir da die Übungsstarts machen."