Es war ein ungewöhnlicher Ort, an dem Formel-E-Champion Antonio Felix da Costa am Freitag sein mutmaßliches letztes Interview des Jahres 2020 gegeben hat: Bei der Pressekonferenz vor der FIA-Preisverleihung wurde der Portugiese live aus einem Flugzeug zugeschaltet. "Es ist wohl das Interview, das am typischsten für die Saison 2020 ist", scherzte er angesichts der ungewöhnlichen Umstände, die derzeit auf der ganzen Welt herrschen.

Aus sportlicher Sicht war eine lange Pause nach dem fünften Rennen und die Ungewissheit, ob und wie das Rennjahr weitergeführt werden würde, typisch für die sechste Saison der Elektroserie. Nach dem Saisonstart Ende November 2019 nahm die Meisterschaft bis zum globalen Ausbruch der Corona-Pandemie ihren normalen Verlauf. Vorher war aber schon der ePrix in Sanya (China) abgesagt worden.

Für Felix da Costa, der von BMW zu Techeetah gewechselt war, verlief der Saisonstart nicht optimal. Lediglich drei Punkte standen nach dem Doubleheader in Saudi-Arabien auf seinem Konto. Mit zwei zweiten Plätzen in Santiago und Mexiko-Stadt sowie einem Sieg Marrakesch hatte er sich in den darauffolgenden Rennen allerdings rehabilitiert und die Meisterschaftsführung übernommen. Dann kam die fünfmonatige Rennpause.

"Es ist immer gefährlich, eine Pause zu haben, wenn du eine Glückssträhne hast", sagt Felix da Costa bei der Pressekonferenz. "Wenn du in einem Tief steckst, ist es zwar auch gefährlich. Aber auf einem Hoch willst du die Dinge mitnehmen."

Konstanz entscheidet in der Formel E

Das gelang dem 29-Jährigen trotz der Pause. Beim großen Finale in Berlin fuhr er auf Anhieb die nächsten beide Siege ein. Es folgten ein vierter, ein zweiter und ein neunter Platz. Konstanz ist für den ehemaligen DTM-Piloten der wichtigste Faktor beim Titelgewinn. "Die Meisterschaft gewinnst du nicht an guten Tagen, sondern damit, so wenige schlechte Tage wie möglich zu haben. Das Wichtigste ist, Fehler zu vermeiden", sagt Felix da Costa.

Dies gelang durch die Zusammenarbeit des gesamten Teams, wie er schilderte: "Wenn ich ein schlechtes Qualifying hatte, hat das Team nicht gefragt, warum ich schlecht war. Die Leute haben mir gesagt, dass ich beispielsweise zu früh gebremst habe, weil sie mir das Auto nicht so vorbereitet haben, um das Vertrauen zu haben, damit ich spät bremsen kann. Ich habe gesehen, wie engagiert die Leute sind. Das hat mich dazu bewogen, auch eine Stunde früher aufzustehen."

In der abgelaufenen Formel-E-Saison gab es acht unterschiedliche Rennsieger. Felix da Costa und Maximilian Günther, sein Nachfolger bei BMW, waren die einzigen beiden Fahrer, die mehrere ePrix gewannen. Mit drei Saisonsiegen führte der Techeetah-Pilot die Siegeswertung an.

Techeetah startet mit altem Auto in die Formel-E-Saison

Die siebte Saison, in der erstmals ein WM-Titel in der Formel E vergeben wird, könnte für Felix da Costa einen ähnlichen Verlauf nehmen wie das abgelaufene Rennjahr. Er und sein Teamkollege Jean-Eric Vergne werden zunächst mit dem Auto aus der Vorsaison starten. Es soll aber ein Softwareupdate geben. Felix Da Costa steckt hohe Erwartungen in das neue Auto. "Ich habe das Auto schon gefahren. Es ist verrückt gut."

Mit den alten Autos bestritt das Team den offiziellen Formel-E-Test in Valencia. In der kombinierten Gesamtwertung mit den besten Rundenzeiten aus allen Sessions wurde Felix da Costa Vierter und war 0.055 Sekunden langsamer als Spitzenreiter Günther.

Beim offiziellen Formel-E-Test in Valencia fuhren Antonio Felix da Costa und Jean-Eric Vergne mit den Boliden aus der Vorsaison, Foto: LAT Images
Beim offiziellen Formel-E-Test in Valencia fuhren Antonio Felix da Costa und Jean-Eric Vergne mit den Boliden aus der Vorsaison, Foto: LAT Images

"Wegen der Pandemie erlaubt die FIA, das neue Auto erst ab dem fünften Rennen in Rom einzusetzen. Das machen wir, um sicherzustellen, dass die Zuverlässigkeit gegeben ist und wir keine Probleme haben. Vielleicht sind wir nicht schnell genug, um Rennen zu gewinnen und so dominant zu sein wie in der vergangenen Saison. Der Schlüssel wird darin liegen, konstant zu sein und solide Punkte zu sammeln. In der Meisterschaft müssen wir in den ersten vier Rennen am Leben bleiben und in der zweiten Hälfte in den Kampf einsteigen", blickt der Titelverteidiger voraus.

Felix da Costa weiß, dass er aktuell auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen ist. "Wenn man die Formel 1 herausnimmt, ist der Formel-E-Titel das Höchste, das ich erreichen kann. Was Lewis in der Formel 1 schafft, motiviert mich in der Formel E. Ich will Rekorde brechen und meine Spuren hinterlassen", erklärt er. Seine Aktivitäten im Motorsport will er aber nicht nur auf die Formel E beschränken. Wie in den Vorjahren plant er ein paralleles Engagement in der WEC. Mit Jota wurde er in der abgelaufenen Saison Meisterschaftsdritter in der LMP2-Kategorie und wurde bei den 24 Stunden von Le Mans zweiter in der Klasse.

Formel-E-Saison beginnt im Januar

Die siebte Formel-E-Saison beginnt mit einem Doubleheader am 16. und 17. Januar 2021 in Santiago. Am 26. und 27. Februar 2021 sollen in Saudi-Arabien die nächsten beiden Rennen stattfinden. Nach aktuellem Planungsstand besteht die Saison aus zwölf Rennen und wird am 25. Juli 2021 in London beschlossen. Am 19. Juni 2021 ist wieder ein Rennen auf dem ehemaligen Flughafen in Berlin Tempelhof geplant.