Rene Rast folgt beim großen Saisonfinale der Formel E mit sechs Rennen in Berlin (05.-13. August) im Audi-Werksteam auf Daniel Abt. Der Rauswurf des Kempteners in Folge eines Skandals bei einem virtuellen Rennen der Formel E war das große Motorsport-Thema der vergangenen Wochen - und kochte mit der heutigen Rast-Bekanntgabe durch Audi noch einmal auf.

In den sozialen Netzwerken wird schon seit längerer Zeit wild debattiert, ob Audi nur einen Vorwand gesucht habe, Abt vor die Tür zu setzen, um den zweifachen DTM-Champion Rast im Formel-E-Team unterzubringen. So sei der Eklat um seine Person angeblich die perfekte Gelegenheit gewesen, Abt mit sofortiger Wirkung zu feuern.

Was bei diesen Spekulationen oftmals nicht berücksichtigt wird: Abt hatte schon vor dem Eklat geplant, seinen Abschied von Audis Formel-E-Team nach sechs gemeinsamen Jahren bekanntzugeben. Das berichtete Motorsport-Magazin.com unter Berufung auf unterschiedliche Quellen bereits am 29. Mai, drei Tage nach seiner Suspendierung.

Abt bestätigt Bericht von Motorsport-Magazin.com

In dieser Woche bestätigte Abt dies zudem während einer Live-Übertragung auf seinem Twitch-Kanal. Auf die Frage eines Zuschauers, ob diese Gerüchte der Wahrheit entsprechen, antwortete Abt: "Ja, die stimmen. Ich bin nur nicht dazu gekommen. Eine Woche später hätte ich einen Termin gehabt."

Ebenso handelte es sich bei der Suspendierung um eine Entscheidung von ganz oben, nämlich aus dem Audi-Vorstand um den neuen CEO Markus Duesmann. Audi Sport, wo Abt angestellt war, war letztendlich nur der Überbringer der schlechten Botschaft. Der aktuell auf dem VW-Konzern enorm lastende Druck rund um die Abgas-Manipulation, Schadensersatzzahlungen und den Freikauf wichtiger Manager führte zu Abts "alternativloser Suspendierung".

Mit Blick auf seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag und Audis Ankündigung, nach 2020 aus der DTM auszusteigen, war Abt bewusst, wie begehrt sein Werkscockpit in der Formel E war. Und dass Audi mit Rast einen der weltweit erfolgreichsten Rennfahrer dieses Jahrzehnts in den eigenen Reihen weiß und mittels eines attraktiven Cockpits halten möchte, war ebenso offenkundig für Jedermann.

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Abt: Rast kann nichts dafür, was mir passiert ist

Nach der Bekanntgabe, dass Rast für Audi einen Formel-E-Test Anfang Juli bestreiten würde, stellte Abt klar: "Rene kann nichts dafür, was mir passiert ist. Das ist für mich das Normalste auf der Welt und ich habe damit auch gar kein Problem. Ich habe das schon vorher immer gesagt. Ich bin niemandem böse, auch Audi nicht. Es gab da ein paar Leute, die mich nicht so gut fanden und andere, die mich gut finden. So ist das im Leben."

Rast hatte in der Vergangenheit nie ein Geheimnis daraus gemacht, die Formel E für eine interessante Gelegenheit zu halten. 2016 bestritt er bereits ein Rennen in der Berliner Innenstadt für das Team Aguri anstelle des aktuellen Meisterschaftsführenden Antonio Felix da Costa, damals noch mit dem alten Gen1-Auto samt Fahrzeugwechsel zur Rennmitte. Den aktuellen Boliden kennt der Motorsport-Tausendsassa noch nicht.

Rast wollte Karriere in DTM beenden

Hätte Audi jedoch nicht seinen DTM-Abschied nach 24 Jahren bekanntgegeben, hätte Rast wohl in der Tourenwagenserie weitergemacht. "Ich persönlich hatte mich für die nächsten drei bis fünf Jahre in der DTM gesehen", sagte Rast im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Ich hatte geplant, in der DTM meine Karriere zu beenden. Jetzt ist es dafür natürlich noch zu früh."

Da Audi sich nach dem DTM-Aus zunächst nur noch in der Formel E werksseitig engagieren wird, erscheint dieses Programm die logische Wahl für Rast, der seit 2009 Rennen für den Autobauer aus Ingolstadt bestreitet und unter anderem die 24 Stunden auf dem Nürburgring und in Spa sowie das ADAC GT Masters für die Marke mit den vier Ringen gewann.

Abt rechtfertigte Vertragsverlängerungen

Abt stieg 2017 nach der Übernahme des Abt-Teams in der Formel E in den Kreis der Werksfahrer auf. In den vergangenen beiden Saisons erhielt der 27-Jährige jeweils einen auf ein Jahr dotierten Vertrag. In beiden Jahren gelang es Abt, seine Weiterbeschäftigung zu rechtfertigen. Vor allem 2018, als er zwei Rennen gewann, viermal aufs Podest fuhr und die Meisterschaft als Fünfter abschloss.

In der Saison 2018/19 wurde lange über Abts Zukunft spekuliert, als Nachfolger wurde vor allem der amtierende DTM-Vizemeister Nico Müller ins Spiel gebracht. Der Schweizer erhielt für die aktuelle Saison stattdessen ein Cockpit beim US-Team Dragon Racing parallel zu seinem Engagement in Audis DTM-Programm. Audi verlängerte Abts Vertrag kurz vor dem Saisonfinale in New York, in der Meisterschaft landete er als Siebter zum sechsten Mal in Folge hinter Teamkollege Lucas di Grassi.

Teamkollegen-Vergleich: Daniel Abt und Lucas di Grassi

Lucas di GrassiDaniel Abt
Rennen für Audi6363
Siege102
Podestplätze 3110
Pole Positions32
Erste Startreihe113
Schnellste Runden68
Punkte757390
Meisterschaften2016Keine, P5 2016

Di Grassi: Abt oftmals unterschätzt

In der aktuellen und aufgrund der Corona-Krise unterbrochenen Saison 2019/20 lief es mittelmäßig für Abt und das Audi-Team. Nach den ersten fünf Rennen belegte er mit einem sechsten Platz in Saudi-Arabien als bestem Ergebnis den 17. Platz in der Meisterschaft. Ein spektakulärer Unfall beim vorletzten Lauf in Mexiko-City samt kurzzeitigem Krankenhausaufenthalt verbesserte Abts Situation nicht.

Obwohl Abt derzeit ohne Cockpit dasteht und seine Zukunft im Motorsport zunächst offenlässt, hofft sein langjähriger Teamkollege di Grassi auf eine Fortsetzung in der Formel E. "Ich denke, dass die Leute seine Fähigkeiten unterschätzen", meinte der Brasilianer bei Autosport. "Er ist sehr talentiert, hat einen sehr guten Speed und war in den vergangenen Jahren sehr konkurrenzfähig. Also muss er auf jeden Fall dabei sein."

Mit Rast erhält di Grassi, der 2016/17 die Meisterschaft gewann, erstmals seit dem Beginn der Formel E einen neuen Teamkollegen. Mit Abt hatte sich der 35-Jährige zuvor 63 Rennen lang das Zelt respektive die Abt-Audi-Box geteilt. Kein anderes Team in der Geschichte der Elektro-Serie bestritt alle Rennen mit derselben Fahrerpaarung.

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