2,4 Millionen Klicks. Der zuletzt mit dem renommierten Nannen-Preis ausgezeichnete YouTuber Rezo hat mal wieder für Wirbel gesorgt. 'Zerstörte' er im vergangenen Jahr die CDU, war diesmal jemand anders an der Reihe. "Die Zerstörung der Presse", so heißt das neueste Werk des Blauschopfes. Spiegel Online, Süddeutsche oder das Handelsblatt haben sich ausgiebig mit den Inhalten des 59:59 Minuten langen Videos beschäftigt.

Eine Zerstörung ist es nicht, wie Rezo selbst in den ersten Minuten deutlich macht. Klingt im Titel aber wohl spannender. Vielmehr handelt es sich um eine Liebeserklärung an den seriösen Journalismus. Weniger Clickbait, weniger reißerische Headlines, weniger erfundene (!) Interviews in der Klatschpresse oder Medien, die sich als solche bezeichnen. Applaus dafür, alles gut, richtig und wichtig so.

Dass Rezo in seinem Video seriöse Zeitungen, krude Verschwörungs-Theoretiker auf YouTube und Medien ohne jeglichen journalistischen Anspruch zeitweise über einen Kamm schert, wurde ihm in einigen Kommentaren angekreidet. Genauso wenig wie Content-Creator allgemein als 'YouTuber' abgetan werden wollen, sollte das für Rezo auch im Umfeld der Medienlandschaft gelten.

Dass er obendrein seine eigene Person auserwählt, um - sehr ausführlich und transparent, Chapeau dafür - auf Falschmeldungen auch in serösen Medien aufmerksam zu machen, sei ihm gegönnt. Vieles ist korrekt, manches äußerst spitzfindig und nicht zuletzt bleibt die Frage: Wer überwacht die Medien und wer überwacht eigentlich Rezo?

Was das Rezo-Video mit Motorsport zu tun hat? Der Protagonist unserer Geschichte erklärt es selbst in einem an diesem Donnerstag erschienen Podcast namens 'Reden am Limit': "Ich habe das angeschaut und mich da wiedergefunden", sagt hier Daniel Abt. "Hammer-mäßig geiles Video. Ich habe ihm auch geschrieben und meinen Respekt ausgesprochen."

Audi wirft Daniel Abt raus: gerecht oder zu hart? (43:08 Min.)

Verständlich, schließlich befand sich der Rennfahrer aus Kempten in der vergangenen Woche selbst in einer ganz ähnlichen Situation. Sein bei einem virtuellen Rennen der Formel E ausgelöster Skandal ist inzwischen ebenso bekannt wie der Shitstorm, der sich im Anschluss über ihm ergoss und auch die folgende Suspendierung durch seinen Arbeitgeber Audi.

Ein Thema, das weltweilt durch die Medien ging - mal mehr, mal weniger journalistisch eingeordnet und aufbereitet - und sich vor allem in den sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer verbreitete. Während sich vor allem Fachmedien eingehend und hintergründig mit dem Thema beschäftigten, wurde Abt weltweit schon in den Schlagzeilen zahlreicher Medien zerrissen und als Betrüger abgestempelt.

Abt dazu: "Es geht nicht darum, dass alle Journalisten schlechte Arbeit machen, im Gegenteil: Es gibt supergute, mega Journalisten. Es gab auch in meinem Fall eine Handvoll, die ordentliche, kritische Berichte geschrieben und sich damit auseinandergesetzt haben. Und die mich genauso kritisiert, sich aber die Mühe gemacht haben, das aufzubereiten. Und dann gab es andere, die einfach nur Headlines und Bashing wollen und dich einfach mal durch den Kakao ziehen. Das war leider die große Masse."

Dazu sei gesagt: Auslöser dieses Eklats war Daniel Abt selbst. Mit einem vermeintlichen Scherz, der nicht weiter hätte nach hinten losgehen können, brachte er die Sache erst ins Rollen.

Nachdem Rennfahrer-Kollegen bereits während der Live-Übertragung des Rennens Zweifel äußerten, ob Abt wirklich selbst gefahren sei, und einer offiziellen Pressemitteilung der Formel E einen Tag später (Abt wegen "wegen unsportlichen Verhaltens nachträglich disqualifiziert", 10.000 Euro Spende und kurzes Abt-Statement mit Bestätigung, dass er "externe Hilfe in Anspruch genommen" habe, das aber "nie mit einer schlechten Absicht gemeint" gewesen sei) ging es so richtig los mit der globalen Berichterstattung.

Inwieweit kann man Medien hier einen Vorwurf machen? Die harten Fakten samt Zitat-Eingeständnis, siehe oben, lagen schließlich von offizieller Seite auf dem Tisch. Über diesen Vorfall darf und muss berichtet werden, das ist die tägliche Aufgabe eines Journalisten.

Die Crux an der Geschichte: Wie wird darüber berichtet? 'Betrug', das ist ein kurzes, knackiges Wort und passt hervorragend in jede Überschrift. Das ist auch das Wort, das Abt im Nachgang den Job bei Audi kostete, weil es innerhalb des Volkswagen-Konzerns aufgrund der eigenen Vergangenheit und vor allem aktueller Vorgänge auf der schwarzen Liste steht.

Was definiert eigentlich einen Betrug? Im Strafgesetzbuch, Paragraph 263, heißt es: "Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Abt musste auf Geheiß der Formel E eine Spende - man kann es auch als Straf-Spendenzahlung bezeichnen - entrichten, doch handelte es sich per Definition wirklich um einen Betrug? Vor Gericht würde eine solche Anklage aufgrund der Faktenlage wohl kaum standhalten. Schummelei, das trifft es in diesem Fall wohl eher auf den Punkt; klingt aber auch wesentlich unspektakulärer...

Die ersten Nachrichten nach dem Vorfall machten schnell die Runde. Auf Anweisung seines jetzt ehemaligen Arbeitgebers Audi durfte sich Abt zunächst nicht äußern und musste stattdessen mitansehen, wie öffentlich nicht allzu wenig Hass gegen seine Person geschürt wurde. In der Anonymität des Internets sinkt die Hemmschwelle leider schnell auf ein unsägliches Niveau herab, das bekam in der Vergangenheit nicht nur Abt zu spüren.

"Ich musste im Minutentakt zusehen, wie ein Artikel nach dem anderen kam, eine Hass-Nachricht nach der anderen bis hin zu 'Bring dich um'-Nachrichten. Ein unglaubliches Level, ich war 48 Stunden lang wach und konnte nicht schlafen", erinnert sich Abt an den Shitstorm, der über ihm einbrach und der sich anhand tausender öffentlicher Kommentare belegen lässt.

Dass im Anschluss an Abts Video (885.000 Aufrufe, zwischenzeitlich Platz 1 in den YouTube-Trends) seinerseits Audi einen kleinen Shitstorm kassierte, setzte diesem in seiner Gesamtheit unnötigen Ereignis, in dem es keinen einzigen Gewinner gab, die Krone auf.

Abt versucht innerhalb seiner Community zu deeskalieren: "Ich möchte nicht, dass Audi etwas abbekommt. Ich wollte mit dem ganzen Thema nie Hass schüren und kann es nicht für gut befinden, wenn Leute Hass-Nachrichten an Audi schreiben."

Die abschließenden Worte dieser Geschichte gehören Rezo und sollten sowohl für Medien als auch alle Nutzer sozialer Netzwerke gelten: "Eine Message an euch, an alle: Wir haben alle eine Verantwortung, damit sich Bullshit und Unwahrheiten nicht einfach unkontrolliert verbreiten."