Audi Sport suspendiert Daniel Abt nach dem Vorfall beim virtuellen Rennen der Formel E vom vergangenen Samstag mit sofortiger Wirkung. Das gab der Autohersteller am Dienstagmittag in einem offiziellen Statement bekannt. Sollte die Formel E in der laufenden Saison nach der Corona-Zwangspause weitere Rennen bestreiten, wird Abt für das Audi Sport Team Abt Schaeffler nicht mehr am Steuer sitzen.

Im Schreiben der Audi AG heißt es als Begründung: "Integrität, Transparenz und die konsequente Einhaltung geltender Regeln haben für Audi oberste Priorität - dies gilt ausnahmslos für alle Aktivitäten, an denen die Marke beteiligt ist. Aus diesem Grund hat Audi Sport entschieden, Daniel Abt mit sofortiger Wirkung zu suspendieren."

Diese Konzernentscheidung war absehbar, nachdem Abt einen professionellen Sim-Racer engagiert hatte, an seiner Stelle das Rennen zu bestreiten. Nachdem der Vorfall herauskam, belegte die Formel E den 27-Jährigen mit einer Zwangs-Spende in Höhe von 10.000 Euro und strich ihm alle Punkte in der virtuellen Meisterschaft. Abt entschuldigte sich für die Aktion, die im Vorfeld nicht mit Audi abgesprochen worden war und in deren Planung er offensichtlich ganz falsch beraten wurde.

Audi wirft Daniel Abt raus: gerecht oder zu hart? (43:08 Min.)

Scherz geht komplett nach hinten los

Über Abt ist nach der offensichtlich kurzsichtigen und unbedachten als Scherz geplanten Aktion ein wahrer Shitstorm in den sozialen Netzwerken und zahlreichen internationalen Medien hereingebrochen. Schlagzeilen weltweit brandmarken den Audi-Werksfahrer nach seinem Fehltritt als Betrüger.

Wer sich eingängig mit der Thematik beschäftigt, weiß, dass Abt zu keinem Zeitpunkt beabsichtigte, sich böswillig einen sportlichen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, indem er an seiner Stelle einen jungen Sim-Profi aus Österreich ans Steuer ließ, der direkt einen Podestplatz im Sim-Rennen auf dem virtuellen Tempelhof in Berlin herausfuhr.

Siehe Einblendung unten rechts: Offensichtlich, dass hier etwas nicht stimmt, Foto: Formula E
Siehe Einblendung unten rechts: Offensichtlich, dass hier etwas nicht stimmt, Foto: Formula E

Sicher keine schädlichen Absichten

Die Hasswelle, die Abt entgegenschlägt, stößt einigen seiner Fahrerkollegen sauer auf. So dumm die offensichtlich und 'billig' inszenierte Aktion, die Abt als Scherz für ein Video auf einem YouTube-Kanal (360.000 Abonnenten) im Anschluss geplant hatte, auch war, waren sich viele Rennfahrer schon vor der Suspendierung einig: Einen derartigen Shitstorm hat niemand verdient.

"Ich bin sicher, dass er nie irgendwelche schädlichen Absichten hatte", sagt BMW-Werksfahrer Nick Catsburg in einem Interview mit dem VCO eSports Studio. "Wahrscheinlich wollte er nur etwas Lustiges für seinen YouTube-Channel machen. Ein paar Reaktionen, die er abbekommen hat, machen mich krank. Ich habe ein paar Artikel gelesen, in denen vorgeschlagen wird, dass er sein reales Cockpit verlieren sollte für etwas, das er online gemacht hat. Das geht für mich viel zu weit."

Zustimmung unter anderem von BMW-Werksfahrer Connor De Phillippi, der auf Twitter schreibt: "Es ist traurig zu sehen, dass einige eine Mission daraus machen, mit Meinungsartikeln die Karriere von Jemandem zu zerstören. Das soll zu 100 Prozent keinen einzigen Fahrer entschuldigen, der eine schlechte Entscheidung getroffen hat. Es wäre aber schön, wenn etwas mehr Respekt in der Community herrschen würde."

Interessenskonflikt eSports

Abts Vorfall zeigt ein Problem auf, das beim aktuellen und Corona bedingten Hype ums Sim-Racing bisher unbeachtet blieb: In der virtuellen Welt treffen höchst unterschiedliche Ansprüche an diese Materie aufeinander. Auf der einen Seite Fahrer wie Max Verstappen oder Lando Norris, die enorm viel Zeit und Arbeit ins Sim-Racing investieren und die Angelegenheit ernst nehmen - auf der anderen Fahrer, die wenig bis kein Interesse am virtuellen Rennsport zeigen und nur darauf warten, auf die reale Rennstrecke zurückkehren zu können.

Dieser Interessenskonflikt war bereits beim vieldiskutierten Norris/Pagenaud-Clash in der virtuellen IndyCar-Serie zu betrachten und erfuhr jetzt durch Abt seinen vorläufigen und traurigen Höhepunkt. Im Gegensatz zur Formel 1 nehmen an der 'Race at Home Challenge' der Formel E alle 24 realen Fahrer an den Rennen teil - auch auf Anweisung der jeweiligen Hersteller respektive der Formel E selbst, um die virtuelle Überbrückungsphase für Fans attraktiver zu gestalten und aufzuwerten.

Wehrlein: Geht nur um Spaß

Sind die virtuellen Ableger großer Rennserien ein reiner Zeitvertreib? An das hochprofessionelle Sim-Racing reichen sie bei Weitem nicht heran, wie vor einiger Zeit bereits Verstappen mit seiner Ablehnung des F1 2019-Spieles deutlich gemacht hat. Zuletzt sagte Pascal Wehrlein, der zwei der bisherigen fünf Rennen der virtuellen Formel E gewann, zu Motorsport-Magazin.com: "Das ist nicht nah genug an der Realität dran. Das ist einfach nur, um ein bisschen Spaß zu haben an den Wochenenden."

Ähnlich klingt das beim aktuellen Meisterschaftsführenden der Formel E, Antonio Felix da Costa. "Wir verlieren den Blick dafür, was wir wirklich tun und was wichtig ist. Akzeptieren wir Betrug? Nein, aber wer hat noch nie bei Monopoly betrogen? Wir sollten das aus dem richtigen Blickwinkel betrachten", sagt der frühere DTM-Fahrer, der auch in den Profi-Ligen des Sim-Racing aktiv ist und den Umgang mit Abt in der Öffentlichkeit für weitaus übertrieben hält.

Formel E: Daniel Abt sorgt für Eklat - Berlin-Rennen Re-Live (01:49:45)

Abt-Aktion: Respektlos aber nicht betrügerisch

Ebenso geht aus Gesprächen innerhalb der Motorsport-Szene hervor, dass Abts Aktion als überflüssige Respektlosigkeit gegenüber Fahrerkollegen und der Veranstaltung betrachtet wird, die nicht in das Gesamtbild passte. Als ein dummer Scherz, der komplett nach hinten losging und bei dem Abt offenbar von den falschen Leuten beraten wurde. Audi blieb angesichts der Betrugsvorwürfe rund um die Abgas-Affäre des Konzerns am Ende keine andere Wahl, als Abt rauszuwerfen.

Abt: Pionier der Formel E

Wer bei Audi auf Abt, dessen Vertrag zum Ende dieser Saison ausgelaufen wäre, nachfolgt, wurde bislang noch nicht öffentlich kommuniziert. Seit dem Beginn der Serie war der frühere Formel-1-Fahrer Lucas di Grassi aus Brasilien durchgehend sein Teamkollege.

Abt zählte zu den Pionieren der Formel E und ging als einer von nur drei Piloten seit 2014 in jedem der bisherigen 63 Rennen an den Start. 2018 trug er sich nach dem Mexiko ePrix als erster deutscher Rennsieger in die Geschichtsbücher der Formel E ein. Im selben Jahr gewann der Kemptener zudem sein Heimrennen in Berlin. Für Abt-Audi, das seit 2018 als Werksteam antritt, erzielte Abt zwei Siege, zehn Podestplätze sowie zwei Pole Positions. In der ewigen Punkteliste der Elektro-Rennserie liegt er mit 390 Punkten auf dem fünften Gesamtplatz.

Daniel Abts Karriere in der Formel E

StatistikZahlen
Rennen63
Siege2
Podestplätze10
Pole Positions2
Schnellste Runden8
Punkte390
Beste Platzierung5 (2017/18)