Am Samstagabend ging es hoch her in der Techeetah-Garage. Das Team ließ es nach dem doppelten Podesterfolg beim Formel-E-Rennen in Marrakesch ordentlich krachen. Es hallte und knallte bis spät in den Abend hinein aus der Garage heraus in das direkt darüberliegende Media Center im Boxengebäude, in dem die Journalisten eifrig ihre Berichte schrieben.

Nur Einer fehlte bei den Feierlichkeiten des amtierenden Meister-Teams in der Elektro-Rennserie: Jean-Eric Vergne. Der Champion hatte sich nach seinem sensationellen Rennen, das er vom elften Platz aufnahm und hinter Teamkollege Antonio Felix da Costa und BMW-Pilot Max Günther als Dritter beendete, genug für dieses Wochenende.

Trainings-Absage, Quarantäne, 40 Grad Fieber, Podium! "Das war das härteste Wochenende meines Lebens", sagte Vergne, nachdem er sich aus dem Rennauto heraus zur anschließenden Pressekonferenz der drei Bestplatzierten aufgerafft hatte. Viel mehr hatte der Franzose nicht zu sagen, das so genannte Media Pen, in dem nach einem Rennen alle 24 Fahrer noch einmal ausführlich Rede und Antwort stehen, ließ Vergne aus und kehrte zügig zurück ins Hotel.

Die Umstände machten Vergnes Rennen beim fünften Saisonlauf der Formel E zu einer wahren Heldenfahrt. Schon am Donnerstag fühlte sich der zweifache Meister nicht wohl, mit Kopfschmerzen und Fieber plagte er sich abseits der Strecke herum.

Beim Sieger-Teamfoto nach dem Rennen fehlte Jean-Eric Vergne, Foto: LAT Images
Beim Sieger-Teamfoto nach dem Rennen fehlte Jean-Eric Vergne, Foto: LAT Images

Die Folge: Vergne verpasste das diesmal vorgezogene 1. Freie Training am Freitagnachmittag, für ihn sprang Techeetah-Testfahrer James Rossiter ein. Der Brite war eigentlich für den Rookie-Test am Sonntag eingeplant gewesen. Weil er am Freitag aber bei einer offiziellen Session im Auto saß und dafür eine E-Lizenz benötigte, durfte er am Sonntag nicht mehr ran. Der erfahrene Franzose Nicolas Lapierre wurde eingeflogen und übernahm stattdessen.

Vergne musste das Training aus dem Krankenhaus heraus verfolgen. Das Fieber löste eine Reihe an Tests aus, unter anderem auf das große Gesprächsthema im Fahrerlager, das grassierende Coronavirus.

"Gestern war ich in einem Krankenhaus in Marrakesch in Quarantäne", sagte Vergne auf der Pressekonferenz. "Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie mein Tag war. Ich fühlte mich zwar ein wenig besser, lag aber in einem fünf Quadratmeter großen Zimmer. Das war schon hart und ich hatte drei Tage lang 40 Grad Fieber. Es war also nicht mein bestes Wochenende, aber das Team war gut vorbereitet."

Erst am Samstagmorgen griff Vergne ins Geschehen ein. Nach seinen ersten Runden im 2. Freien Training, beendete er das Qualifying trotz mangelnder Erfahrung auf dem elften Platz. Teamkollege Felix da Costa errang unterdessen die erste Pole Position der laufenden Saison für seinen neuen Arbeitgeber.

Im Rennen zeigte sich einmal mehr, dass Techeetah erneut das effizienteste Auto im Feld gebaut hat. Während Felix da Costa sicher seinem zweiten Sieg in der Formel E entgegensteuerte, machte Vergne in der ersten Rennhälfte einen Platz nach dem anderen gut.

Vergne: "Während des Rennens habe ich meine Kopfschmerzen einfach vergessen und alles versucht. An einem Punkt habe ich sogar meinen Ingenieur gefragt, auf welcher Position ich liege, weil ich die Führenden nicht sehen konnte. Als er mir sagte, dass ich Vierter bin, dachte ich: Wow, ich hätte nicht gedacht, dass ich so viel Zeit gutmachen konnte."

Auf die Frage, wie diese Aufholjagd gelang, konnte sich Vergne trotz körperlich angeschlagener Verfassung einen kleinen Coronavirus-Spruch nicht verkneifen: "Hust! Hust! Bestimmt hatten die anderen Fahrer Angst vor mir und haben mich deshalb vorbeigelassen."

Formel E Marrakesch 2020: Rennen-Highlights und Zusammenfassung (06:59 Min.)

Nur Streckengegner Günther verstand keinen Spaß. Acht Runden vor Schluss musste er Vergne zunächst passieren lassen, schlug in der letzten Runde mit einem Täuschungsmanöver jedoch zurück und bugsierte den zweiten Platz über den Zielstrich. Der BMW-Youngster hatte sich seine Energie eigentlich für einen Kampf um den Sieg mit Felix da Costa eingeteilt, musste sie dann aber gegen Vergne einsetzen.

"Das war ein guter Fight mit Max", fand Vergne. "Ich war mir aber sicher, dass er mich noch einmal überholen würde. Ich hatte am Ende nicht mehr genug Energie. Ich dachte, dass ich ihn vielleicht etwas verwirren kann, aber er kam an mir vorbei."

Den verpassten Techeetah-Doppelsieg dürfte Vergne unter diesen Umständen verschmerzen. Zum ersten Mal seit Juni 2019 in Bern fuhr der Meister der letzten beiden Saisons wieder auf das Podium. Vergne belegt nach fünf von voraussichtlich 13 Saisonrennen den achten Platz mit 31 Punkten, Felix da Costa führt die Tabelle mit 67 Zählern an.