Max, wie wichtig war dein erster Sieg in der Formel E für dich als Rennfahrer?
Max Günther: Der Sieg bedeutet mir unglaublich viel. Für mich ist in Santiago ein Traum in Erfüllung gegangen. Es war sehr emotional, die Freude war riesengroß. Es war ein Mega-Tag! Ich könnte momentan nicht glücklicher sein.

BMW Group Motorsport-Direktor Jens Marquardt hat deine Leistung im Anschluss als "reif und abgezockt" bezeichnet. Stimmst du dem zu?
Max Günther: Es zählt zu meinen Stärken, dass ich mich auf mich selbst konzentrieren kann. In diesem Rennen ging es oft darum, sein eigenes Ding zu machen. Das ist sehr gut gelungen und hat uns den Sieg gebracht. Es gab sehr vieles, was wir managen mussten. Zum einen das Energiemanagement, und wegen der heißen Außentemperaturen kam das Batteriemanagement hinzu. Wir haben gewusst, dass darin eine Schlüsselrolle liegt. Deshalb haben wir es uns sehr gut eingeteilt, als wir in Führung lagen. Dann haben wir Antonio Felix da Costa heranstürmen sehen. Aber ich wusste, dass das Rennen erst vorbei ist, wenn wir über die Ziellinie sind.

Der Sieg im erst dritten Rennen für BMW - hättest du so früh mit diesem Erfolg gerechnet?
Max Günther: Für mich war es das Resultat harter Arbeit. Einen Sieg zu planen ist immer schwierig. Ich fühle mich bei BMW i Andretti Motorsport seit dem ersten Tag sehr wohl. Der Auftakt in Diriyah war aus verschiedenen Gründen schwierig. Es hat nicht alles zusammengepasst. In Santiago habe ich mich vom ersten Meter an sehr wohl gefühlt. Ich habe zwar nicht so viel Erfahrung wie andere Fahrer, aber ich bin in den letzten Monaten meinen Weg unbeirrt gegangen und habe einfach versucht, mich zu verbessern. Das hört jetzt auch mit dem Sieg nicht auf.

Hast du in den packenden letzten Runden immer an den Sieg geglaubt?
Max Günther: Ja, ich habe immer daran geglaubt. Natürlich war es erst einmal ein Dämpfer, als Antonio vorbeigeprescht ist. Aufgeben war für mich aber nie ein Thema. Nachdem ich die Führung von Mitch (Evans, d.Red.) übernommen hatte, konnten wir uns das Rennen hinsichtlich Batterietemperatur und Energiemanagement sehr gut einteilen. Ich habe gewusst, dass Antonio von hinten kommt. Mein Ingenieur sagte, dass er sehr gefährlich ist, weil er eine gute Pace hatte. Aber er meinte auch, dass wir eine Chance auf den Sieg haben, wenn wir die Temperaturen besser managen. Und so kam es dann auch. Antonio musste sich am Ende mit Händen und Füßen wehren, weil seine Batterie einen offenbar kritischen Zustand erreicht hatte.

Formel E 2020, Chile: Highlights und Zusammenfassung zum Rennen (06:18 Min.)

Beim Überholmanöver von Felix da Costa kam es zur Kollision. Hat er die Führung mit fairen Mitteln übernommen?
Max Günther: Da hat jeder seine eigene Ansicht. Meine ist, dass sein Manöver sehr spät kam. Er ist nur an mir vorbeigekommen, weil er mich hinten rechts getroffen hat. Er sagt, dass zu wenig Platz war. Ich sage, dass ich ihm dort mehr als eine Wagenbreite Platz gelassen habe. Mehr kann ich ihm nicht geben. Es ging um die Führung. Jeder wollte den Sieg. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht wirklich happy darüber.

Und mit etwas Abstand?
Max Günther: Wenn ich es mir heute anschaue, bin ich es immer noch nicht, weil es grenzwertig war. Das spielt für mich aber keine Rolle mehr. Zum einen habe ich es auf der Strecke bereinigt und zum anderen respektiere ich Antonio als Fahrer und als Mensch.

Hat dir der Sieg größeres Selbstvertrauen gegeben?
Max Günther: Ich glaube, dass es uns bei BMW i Andretti Motorsport generell einen Boost gibt, zusätzliches Vertrauen und Motivation. Natürlich sind von außen die Erwartungen höher, wenn man einen guten Saisonstart hatte, in der Teammeisterschaft vorne ist und zwei Rennen gewonnen hat. Wir werden aber weiter unser Ding durchziehen und unsere Arbeit machen. Wir werden nicht abheben und denken, dass es ein Selbstläufer ist. Die Saison hat gerade erst begonnen.

2019 hattest du in Santiago dein zwischenzeitlich letztes Formel-E-Rennen mit Dragon bestritten. Ziemlich genau ein Jahr später feierst du an gleicher Stelle deinen ersten Sieg mit BMW. Klingt nach einem Märchen...
Max Günther: Ja, die vergangenen zwölf Monate waren eine sehr spannende Zeit... Für mich hat sich bestätigt, dass der Weg der richtige war: Mich auf mich selbst zu konzentrieren und Dinge, die ich nicht beeinflussen kann, gar nicht an mich heran zu lassen. Ich habe versucht, mein Optimum abzurufen, immer besser zu werden und jede Chance, die ich bekomme, zu nutzen.

Als Viertplatzierter in der Meisterschaft musst du beim nächsten Rennen in Mexiko (15. Februar) in der schwierigen Qualifying-Gruppe 1 starten. Was hältst du vom Qualifying-Format der Formel E?
Max Günther: Es ist bekannt, dass auf den meisten Strecken - wenn auch nicht auf allen - die Gruppe 1 kein Vorteil ist. Man muss einfach versuchen, aus dieser Gruppe das Maximum herauszuholen. Dann sieht man, ob es reicht, um in die Superpole-Runde zu gelangen. Das Format macht die Meisterschaft spannend, das Feld ist stärker durchmischt. Es geht um eine gute Show, die wir für die Fans abliefern. Das ist mit dem Regelwerk gewährleistet.