"Sechster in Santiago, ich reise als Führender in der Meisterschaft ab", fasste Stoffel Vandoorne das vergangene Formel-E-Rennen in Santiago de Chile für seine Instagram-Gefolgschaft kurz und knapp zusammen.

Eine Aussage, die bei einem anderen Rennfahrer offenbar eine gehörige Portion Skepsis auslöste: Lando Norris. Der aktuelle McLaren-Pilot wandte sich auf Instagram an den früheren McLaren-Fahrer und bat um Auflösung: "Bitte erkläre die Punkte. Ich bin verwirrt, warum du führst, haha."

In Norris' Gedankenspielen machte die Rechnung keinen Sinn: Platz sechs im Rennen - Führung in der Gesamtwertung? 445 Mal wurde der Post des jungen Internet-Fanlieblings mit einem Herzchen versehen; Norris war wohl nicht der einzige User, der gewisse Zweifel hegte an Vandoornes Eintrag.

Der Belgier, der in dieser Saison für das Mercedes-Werksteam an den Start geht, löste die Wirrungen schließlich selbst auf und schrieb an Norris: "P3 + P3 + P6 = P1. Macht Sinn, oder?" Damit spielte Vandoorne auf seine beiden Podestplatzierungen beim Saisonauftakt in Saudi-Arabien an, die ihn zusammen mit dem sechsten Platz in Chile auf Platz eins in der Fahrerwertung führten.

Norris antwortete prompt und hatte ein Einsehen: "Stimmt! Ich habe die erste Runde komplett vergessen! Ich habe gedacht: 'Was zur Hölle habe ich hier nicht verstanden'... Und dann waren es die Rennen 1 und 2."

Eine kleine Internet-Anekdote zwischen zwei Rennfahrern, die aber sinnbildlich ist für die Misere der jungen Formel-E-Saison 2019/20: Kaum jemand nahm Notiz vom zwei Monate zurückliegenden Saisonstart in Saudi-Arabien, wo die Serie am 22. und 23. November 2019 ihre ersten beiden Rennen austrug.

Nun ist die Formel E hierzulande nicht die Sportart mit der höchsten Relevanz, doch im Normalfall wäre das durchaus historische erste Aufeinandertreffen zwischen Audi und BMW mit den beiden Neueinsteigern Mercedes und Porsche sicherlich eine Meldung außerhalb von Fachmedien wert gewesen. Stattdessen herrschte die große Stille.

De facto wurden die Rennen fast kollektiv unter den Tisch gekehrt. Wenn überhaupt erwähnt, wurde der Saisonstart im Wüstenstaat von den großen Medien politisch kritisch beäugt. Und das zum zweiten Mal in Folge, nachdem Gründer Alejandro Agag vor einem Jahr Saudi-Arabien als neue Heimat der Formel E auserkoren hatte. Zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt, der Fall Khashoggi lässt grüßen...

Die Teams, Sponsoren und Partner der Formel E hielten sich ähnlich vornehm zurück, für die meisten Involvierten außerhalb der Cockpits wurde die sechste Saison inoffiziell am vergangenen Samstag in Santiago eingeläutet. Mit Saudi-Arabien wirbt es sich hierzulande noch nicht so leicht.

Ähnlich dürfte auch die Stimmung an der Rennstrecke gewesen sein. Die wenigen Berichterstatter vor Ort sprachen von maximal 700 (siebenhundert) Zuschauern bei den Rennen nahe der Hauptstadt Riad. Die eigentlich beliebte Autogrammstunde vor dem Rennen wurde kurzfristig abgesagt - mehr Fahrer als Fans in der Warteschlange...

Zuletzt in Santiago sah es besser aus. Gute Stimmung und volle Tribünen beim ersten großen, internationalen Sport-Event in der chilenischen Hauptstadt seit dem Ausbruch der Massenproteste im Oktober 2019. Wo am Samstag die die Formel E ihre Runden drehte, demonstrierten noch wenige Wochen zuvor Menschen auf den Straßen.

In der schwersten sozialen Krise des Landes seit 30 Jahren wurden tausende Menschen verletzt, mehr als 20 kamen ums Leben. Am Rande des Formel-E-Gastspiels blieb es unterschiedlichen lokalen Medien zufolge ruhig.

Formel E 2019/20: Offizieller Rennkalender

StadtLandDatum
Ad DiriyahSaudi-Arabien22./23. November 2019
SantiagoChile18. Januar 2020
Mexiko-CityMexiko15. Februar 2020
MarrakeschMarokko29. Februar 2020
SanyaChina21. März 2020
RomItalien04. April 2020
ParisFrankreich18. April 2020
SeoulSüdkorea03. Mai 2020
JakartaIndonesien06. Juni 2020
BerlinDeutschland21. Juni 2020
New YorkUSA11. Juli 2020
LondonGroßbritannien25./26. Juli 2020