Das hat es in einer FIA-Meisterschaft noch nie gegeben: Mit Audi, BMW sowie den Neueinsteigern Mercedes und Porsche treten in der anstehenden Formel-E-Saison zum ersten Mal vier deutsche Autobauer mit Werksprogrammen gegeneinander an.

Beim Saisonauftakt in Saudi-Arabien (22./23. November) treffen die vier Giganten der deutschen Automobilbranche auf die Konkurrenz von acht internationalen Teams, darunter die Hersteller Nissan, Jaguar oder Mahindra. Mit erstmals zwölf Teams steht die Formel E in ihrem sechsten Jahr vor einer Rekord-Saison.

Vor dem Saisonstart analysiert Motorsport-Magazin.com die deutschen Teams und ihre unterschiedlichen Herangehensweisen.

Audi Sport ABT Schaeffler

Bei Audi wird Kontinuität großgeschrieben: Daniel Abt und Lucas di Grassi stehen vor ihrer sechsten gemeinsamen Saison - einmalig in der Formel E. Das Duo erzielte in den bisherigen 58 Rennen 40 Podestplätze und mehr als 1.000 Punkte - Rekord in der Elektro-Rennserie.

"Diese Konstanz und die eingespielte Zusammenarbeit innerhalb unserer Mannschaft sind unsere großen Stärken in einer so dynamischen und lebhaften Meisterschaft wie der Formel E", glaubt Audi-Teamchef Allan McNish.

Ende 2017 übernahm Audi werksseitig den Startplatz von Abt Sportsline, das sich unter Chef Hans-Jürgen Abt 2014 auf das Abenteuer namens Formel E eingelassen hatte. Als erster deutscher Hersteller in der Formel E gewann Audi auf Anhieb die Team-Meisterschaft. Ein erneuter Triumph in der Fahrerwertung wie mit di Grassi in Saison 3 gelang allerdings nicht mehr.

"Wir wollen erneut um die Titel in der Fahrer- und Teamwertung kämpfen", gibt McNish die Marschroute für Saison 6 vor. Seit der vergangenen Saison und mit der Einführung der Gen2-Rennwagen beliefert Audi das britische Team Virgin Racing mit aktuellen Kundenautos. Zudem können die Fahrer Robin Frijns und Sam Bird den Simulator in Neuburg nutzen.

Formel E 2019: Audis neuer FE06 auf der Rennstrecke: (00:32 Min.)

BMW i Andretti Motorsport

Der Autobauer aus München steht vor seiner zweiten Saison als Werksteam in der Formel E, die Zusammenarbeit mit dem mehrjährigen Partner Andretti aus den USA bleibt bestehen. Die Debütsaison schloss BMW mit dem Fahrer-Duo Antonio Felix Da Costa und Alexander Sims auf dem fünften Gesamtplatz ab.

BMW Motorsport Direktor Jens Marquardt zog eine positive Bilanz, gleichzeitig habe das Team mangels Erfahrung in der Formel E auch mehrfach Lehrgeld bezahlt. Bei den offiziellen Testfahrten diesen Oktober hinterließ die Mannschaft einen ähnlich starken Eindruck wie im Vorjahr.

"Wir wissen, dass die Leistungsdichte extrem hoch ist und sich voraussichtlich noch weiter steigern wird", sagt Marquardt. "In diesem kompetitiven Umfeld muss es dennoch unser Anspruch sein, uns in unserer zweiten Saison weiter zu steigern und regelmäßig in der Spitzengruppe um die Top-Platzierungen kämpfen zu können."

Für den zum Meister-Team Techeetah abgewanderten Felix Da Costa stieß Maximilian Günther neu zum Werksteam. Der 22-Jährige hatte sich in seiner Debütsaison mit starken Leistungen beim vergleichsweise kleinen Dragon-Team für höhere Aufgaben empfohlen. Der Brite Sims wurde einige Zeit später für seine zweite Saison bei BMW bestätigt.

BMW steht vor seiner zweiten Werks-Saison in der Formel E, Foto: LAT Images
BMW steht vor seiner zweiten Werks-Saison in der Formel E, Foto: LAT Images

Mercedes-Benz EQ Formula E Team

Mercedes hat sich vorsorglich auf sein Werksdebüt in der Formel E vorbereitet. 2018/19 bildete der langjährige Partner HWA mit Kundenautos von Venturi die Vorhut, bevor Mercedes den Startplatz offiziell übernahm und nun mit einer Eigenentwicklung antreten wird. Gleichzeitig rüsten die Stuttgarter nun ihrerseits den monegassischen Rennstall Venturi mit Teamchefin Susie Wolff mit Kundenfahrzeugen aus.

In den beiden Werks-Silberpfeilen nehmen der frühere Formel-1-Fahrer Stoffel Vandoorne, der mit HWA erste Erfahrungen sammelte, und Formel-E-Rookie Nyck de Vries Platz. Der junge Niederländer mit McLaren-Vergangenheit kommt als frischgebackener Formel-2-Champion in die Elektro-Rennserie. Damit ist Mercedes das einzige deutsche Team, das nicht auf einen einheimischen Fahrer setzt.

Unter der Leitung des langjährigen Mercedes-Mitarbeiters und aktuellen Teamchefs Ian James gilt es nun, die unterschiedlichen Bereiche möglichst optimal unter einen Hut zu bekommen. Der Antriebsstrang entstand bei Mercedes-AMG High Performance Powertrains in Großbritannien. Hier wurden auch die Hybrid-Power-Units entwickelt, mit denen Mercedes seit 2014 jeweils das WM-Double in der Formel 1 gelungen ist.

Das Affalterbacher Unternehmen HWA führt nach den gesammelten Erfahrungen in der Vor-Saison die Renneinsätze durch und erhält obendrein Unterstützung aus der Formel-1-Zentrale in Brackley. Nicht zuletzt mischt die Serienentwicklung aus Stuttgart mit. "Wir versuchen uns die besten Kirschen aus den unterschiedlichen Abteilungen herauszupicken", sagt der Brite James, der annähernd perfektes Deutsch spricht.

Formel E: Mercedes präsentiert neue Fahrer, Auto & Teamchef: (05:39 Min.)

TAG Heuer Porsche FE Team

Die Wundertüte aus Zuffenhausen: Porsche ist in der Saison 6 das einzige der zwölf Teams, das nicht auf den Erfahrungsschatz aus der Vor-Saison - der ersten mit den Gen2-Rennwagen - zurückgreifen kann. Eine 2017 geplante Partnerschaft mit dem vom US-Amerikaner Jay Penske geleiteten Dragon-Team zerschlug sich; und damit auch die Möglichkeit für Porsche-Ingenieure, die im Motorsport eher ungewöhnlichen Abläufe der Formel E hautnah erlernen zu können.

"Die anderen Teams machen das seit ein paar Jahren, wir hingegen kommen als Greenhorns", sagt Amiel Lindsey, Porsches Einsatzleiter in der Formel E. "Wir gehen den harten Weg und haben großen Respekt vor dem Wettbewerb. Gewinnen wollen wir trotzdem."

Mit Andre Lotterer kehrt immerhin ein Fahrer in die Porsche-Familie zurück, der sich zuvor in zwei Saisons beim amtierenden Meisterteam Techeetah mit der Formel E vertraut machen konnte. "Wir brauchten einen Piloten mit Rennerfahrung", bestätigt der langjährige Porsche-Mitarbeiter Lindsey.

Niemand in der Szene hat Zweifel daran, dass die Motorsportschmiede aus Weissach mit ihrem mehr als erfolgreichen Le-Mans-Hintergrund ein Wörtchen um die Spitze in der Formel E mitreden kann - die Frage lautet: ab wann? Podestplätze zum Ende der Debütsaison wurden zuletzt vom Team als Zielsetzung angegeben.

Porsche-Rennwagen für Formel-E-Debüt: 99X Electric vorgestellt: (11:16 Min.)