Sie waren das Traum-Duo der Formel E: Andre Lotterer und Jean-Eric Vergne. Auf der Rennstrecke kannten die beiden Techeetah-Teamkollegen keine Freundschaft, abseits dafür umso mehr. Nach zwei gemeinsamen Saisons trennen sich nun die Wege von "JeAndre", wie sie in den sozialen Medien gern bezeichnet wurden.

Mit Blick auf die langfristige Zukunft kehrt Lotterer als Fahrer zurück zu Formel-E-Neueinsteiger Porsche. Vergne, der vergangene Woche in New York als erster Fahrer der Geschichte seinen Titel verteidigen konnte und Anteile an Techeetah besitzt, muss sich nach einem neuen Teamkollegen umsehen.

Kein Teamkollegen-Kill wie in der Formel 1

Lotterer machte deutlich, dass er die Zusammenarbeit mit Vergne in der Formel E vermissen wird. "Es war von Anfang an top", sagt der 37-Jährige zu Motorsport-Magazin.com. "Er hat mich mit offenen Armen willkommen und alles mit mir geteilt. Ich kam aus dem Langstreckensport und war es gewöhnt, alles mit Teamkollegen zu teilen. Nicht wie in der Formel 1, dass man sich gegenseitig killen will."

Lotterer wusste Vergnes Offenheit in seinem Rookie-Jahr in der Formel E zu schätzen. Während er selbst eine Weile brauchte, um sich auf die ungewohnten Gegebenheiten einzustellen, kämpfte der Franzose um die Meisterschaft. Lotterer machte nie einen Hehl daraus, ihn im Titelrennen zu unterstützen und dafür selbst zurückzustecken.

Finale in New York: Unsportliches Verhalten vom neuen Champion? (14:14 Min.)

Vom Santiago-Clash bis zum Bern-Rückschlag

Dass Lotterer aber schon zu Beginn auch eigene Ambitionen verfolgte, zeigte er beim vierten Rennen in der vergangenen Saison in Chile. Auf dem Weg zum Techeetah-Doppelsieg - dem ersten eines Teams in der Geschichte der Formel E - griff er Vordermann Vergne beherzt an, es kam sogar zur Berührung. Lotterer erzielte in Santiago gleichzeitig den ersten seiner bisher vier Podestplätze.

Lotterer legte eine steile Lernkurve an den Tag und zählte in dieser Saison seinerseits zu den Titelkandidaten, als Vergne eine Durststrecke durchlief. Zur Saisonmitte belegte Lotterer durchweg Positionen in den Top-3 der Gesamtwertung, bis er in Berlin (Ausfall) und Bern (Strafe) heftige Rückschläge erlebte.

Lotterer: Das Ende war bitter

"Allgemein war es eine gute Saison von der Performance her und mit dem Team-Titel", blickt Lotterer zurück. "Man kann schon sagen, dass wir einen guten Job gemacht haben. Aber seit Berlin ist es nicht gut zu Ende gegangen. Das Ende war bitter, da muss ich mich mit der Team-Meisterschaft trösten." Lotterer hatte als Gesamtachter mit 86 Punkten (Vergne: 136) seinen Anteil an Techeetahs erstem Triumph in der Herstellerwertung.

Mit dem Schweizer Neel Jani erhält Lotterer bei Porsche nun einen Teamkollegen, den er aus gemeinsamen Zeiten in der Langstrecken-Weltmeisterschaft kennt. Doch es scheint nur schwer vorstellbar - besonders auf diesem hohen Level des professionellen Motorsports - dass sich diese Beziehung wie zu Vergne verhalten wird.

Andre Lotterer in der Formel E: Seine Techeetah-Highlights (03:10 Min.)

Lotterer: Lachen im Loch

Lotterer über seinen französischen Ex-Teamkollegen und Freund im 'echten' Leben: "Wir sind zwei komplett verschiedene Charaktere, haben aber sehr ähnliche Lebensstile und mögen die gleichen Sachen. Wir verstehen uns sehr gut, wenn wir auf Reisen sind und waren immer auf der gleichen Seite. Wir saßen beim Simulator-Fahren oft drei, vier Tage in diesem Loch und haben es trotzdem geschafft zu lachen."

Auch sportlich hatte Lotterer großen Respekt vor dem alten und neuen Champion der Formel E und bedankte sich für die Unterstützung durch Vergne, der inzwischen auf 56 Rennen, acht Siege und 20 Podestplätze zurückblickt. "Es hat auch ein paar Jahre gedauert für ihn, um auf das Level zu kommen", sagt Lotterer. "Aber er ist die stärkste Nummer in der Formel E. Großer Glückwunsch an ihn, echt beeindruckend."

Vergne: Bester Teamkollege

Vergne, der als Teil des Team-Managements auch abseits der Rennstrecke in Entscheidungen involviert ist, gab das Lob an Lotterer gern zurück. Bei Motorsport-Magazin.com bezeichnete er Lotterer als "den besten Teamkollegen, den ich jemals hatte".

Wer Lotterers Nachfolge bei Techeetah antritt, steht offiziell noch nicht fest. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com gilt Antonio Felix da Costa, der mit BMW in dieser Saison einen Sieg und insgesamt vier Podestplätze feierte, als heißer Kandidat.

Auf der Sieger-Pressekonferenz in New York sagte Vergne außerdem: "Es war wichtig, einen Teamkollegen zu haben, der so schnell wie möglich bei der Musik ist. Die Beziehung zu Andre war großartig für das Team."