Mit reichlich Verspätung hat Jean-Eric Vergne den ersten Bern ePrix in der Geschichte der Formel E gewonnen. In einem Rennen, das von einer 39-minütigen Rotphase in Folge einer Massen-Karambolage unterbrochen wurde, setzte sich der Techeetah-Fahrer durch und feierte seinen zweiten Saisonsieg.

Mitch Evans (Jaguar) und Sebastien Buemi (Nissan) komplettierten das Podium beim vorerst letzten Auftritt der Formel E in der Schweiz. Im vorläufigen Rennkalender für die Saison 6 ist kein Rennen in der Schweiz vorgesehen, in der 2018 mit dem Zürich ePrix erstmals seit mehr als 60 Jahren wieder ein Rundstreckenrennen ausgetragen worden war.

Nach der Massen-Karambolage entwickelte sich ein spannendes Rennen mit mehr Positionswechseln als erwartet auf der hügeligen und mit Bodenwellen gespickten Rennstrecke. An der Spitze des Feldes musste sich der spätere Sieger Vergne über die gesamte Renndauer wegen Evans wehren, der dem amtierenden Champion stets eng im Genick saß.

Vergne, zwei Rennen vor dem Saisonende nun mit besten Chancen auf die erste Titelverteidigung in der Geschichte der Formel E, verstand es jedoch geschickt, dem Jaguar-Piloten nicht die Tür zu öffnen.

Vergne behielt sogar in den letzten Minuten des Rennens, als es plötzlich wie in Strömen regnete, die Ruhe.

Dahinter sammelte Lokalmatador Sebastien Buemi mit Platz drei seinen zweiten Podiumserfolg in dieser Saison nach dem vorangegangenen Rennen in Berlin. Der Schweizer fuhr ein mehr oder weniger einsames Rennen hinter dem Top-Duo.

Mit Andre Lotterer, Maximilian Günther hinter Sam Bird und Daniel Abt fuhren drei Deutsche auf die Plätze vier, sechs und sieben. Während Lotterer, der sich mit einem späten Überholmanöver gegen Virgin-Fahrer Bird durchsetzte, seine Titelchancen aufrecht erhält, gelang Formel-E-Rookie Günther mit P6 im Rennen und zuvor P5 im Qualifying eine Überraschung.

39 Minuten Rotphase nach Massen-Karambolage

Überschattet wurde das Rennen von einer 39-minütigen (!) Rotphase. Vorausgegangen war eine Massen-Karambolage kurz nach dem Start in der ersten Schikane. Pascal Wehrlein wurde auf Platz vier liegend in die Streckenbegrenzung gedrückt, dahinter staute sich das Feld auf. Bis alles repariert und wieder geordnet war, verging eine gefühlte Ewigkeit. Die Rennleitung entschied, das Rennen in der ursprünglichen Startreihenfolge wieder aufzunehmen statt die Fahrer auf den Positionen zu belassen, die sie zum Zeitpunkt des Abbruchs belegt hatten.

Enttäuschend verlief der Bern ePrix für Vergnes Titel-Herausforderer Lucas di Grassi im Audi und Antonio Felix da Costa. Der BMW-Pilot musste das Rennen vom 20. Startplatz, direkt hinter di Grassi, aufnehmen. Im Rennen ging es für das Duo nur mäßig nach vorne: Di Grassi überquerte die Ziellinie auf Platz zehn, Felix da Costa wurde Zwölfter.

Das große Saisonfinale der Formel E steigt Mitte Juli mit einem Double-Header (zwei Rennen an einem Wochenende) in New York.

Die Meisterschaft: Jean-Eric Vergne baut die Gesamtführung mit dem Bern-Sieg und den Extrapunkten für die Pole Position auf 130 Punkte aus. Techeetah-Teamkollege Andre Lotterer rückt mit 98 Zählern auf die zweite Position vor. Lucas di Grassi (97 Punkte) fällt nach P10 im Rennen auf den dritten Platz in der Meisterschaft zurück. Während Vergne langsam an der Spitze wegzieht, trennen den Zweitplatzierten Lotterer und Daniel Abt auf Platz 8 nur 25 Punkte.

So lief der Bern ePrix 2019

Die Startaufstellung: Jean-Eric Vergne sicherte sich seine zweite Pole Position in dieser Saison sowie die zehnte seiner Formel-E-Karriere. Seine Titelgegner erlebten hingegen einen bitteren Rückschlag: Audi-Pilot Lucas di Grassi kam nicht über Startplatz 19 hinaus, Antonio Felix da Costa von BMW landete sogar nur auf P20. Mit Pascal Wehrlein auf P4 und Maximilian Günther als Fünftem, schafften es zwei Deutsche in die Superpole-Runde. Daniel Abt (Audi) und Andre Lotterer (Techeetah) nahmen das Rennen aus der vierten Startreihe auf.

Das Wetter: 24 Grad und Sonnenschein - vom befürchteten Regen war am Samstagabend (Startzeit: 18:00 Uhr) in der Altstadt von Bern nichts zu sehen. Die Streckentemperatur auf dem 2,750 Kilometer langen Kurs mit 14 Kurven und einigen Bergauf/Bergab-Passagen wurde mit 21 Grad gemessen.

Der Start: Die Überraschung hielt sich in Grenzen: Nach dem Start krachte es schon in der ersten Schikane heftig. Die Top-3 aus Vergne, Evans und Buemi schafften es noch unbeschadet durch die enge Kurve, dann wurde der von P4 gestartete Wehrlein in die Mauer gedrückt. Es kam zu einer Massen-Karambolage, ähnlich wie beim Rom ePrix. Involviert waren auch Günther, Bird, Abt, Lotterer, Frijns, D'Ambrosio und Rowland, für die eine Weiterfahrt zunächst nicht möglich war.

Einigen Piloten gelang es, auf der Innenseite der Schikane durchzuschlüpfen, bevor rote Flaggen geschwenkt wurden. Das zahlte sich jedoch nicht aus, weil die Rennleitung entschied, das Rennen in der ursprünglichen Startaufstellung erneut aufzunehmen.

"Das ist komplett falsch", regte sich unter anderem Lucas di Grassi in der Rotphase auf und verwies darauf, dass das Feld ja schon eine Runde absolviert habe. Hintergrund: Start- und Ziellinie sind in Bern 550 Meter voneinander entfernt und der Zielstrich wurde bereits überquert. Für di Grassi wäre ein Re-Start in der aktuellen Reihenfolge lohnenswert gewesen: Beim Rennabbruch belegte der von P19 gestartete Audi-Pilot die achte Position. Nach einer 39-minütigen Rotphase wurde das Rennen wieder aufgenommen.

Der Re-Start nach der Massen-Karambolage: Das Rennen wurde in der ursprünglichen Startreihenfolge nach 39 Minuten Unterbrechung hinter dem Safety Car wieder aufgenommen. Mit 40 Minuten plus einer Runde Restdauer führte Pole-Setter Vergne das Rennen vor den Verfolgern Evans, Buemi, Wehrlein, Günther, Bird und Abt durch die ersten Kurven. Diesmal verlief alles ohne größere Kollisionen.

Der Fanboost: Das Audi-Trio Daniel Abt/Lucas di Grassi, Lokalmatador Sebastien Buemi, Stoffel Vandoorne und Antonio Felix da Costa erhielten die meisten Stimmen beim Voting und sicherten sich somit den kurzzeitigen Zusatzboost im Rennen.

Die Ausfälle: Titelanwärter Robin Frijns wurde zum einzigen Opfer der Massen-Karambolage nach dem Start. Derr Virgin-Pilot wurde kurz nach dem Start von Jerome D'Ambrosio (Durchfahrtsstrafe) gedreht. Der Schaden an seinem Rennwagen war zu beträchtlich, um in der provisorischen Boxengasse an der Strecke (das Paddock ist in Bern einen Kilometer entfernt) repariert werden zu können. Frijns hatte den Bern ePrix von der aussichtsreichen neunten Position aufgenommen.

In der vierten Runde kollidierte Edoardo Mortara mit dem BMW von Alexander Sims. Der Lokalmatador aus dem Team Venturi musste das Rennen wegen Problemen mit der Bremse aufgeben. In Runde 11 erwischte es dann Pascal Wehrlein, der mit seinem Mahindra auf P5 liegend ausrollte. Eine Kollision könnte in dieser unübersichtlichen Situation vorausgegangen sein.