Formel E Marrakesch 2019: Rennen Highlights und Zusammenfassung: (04:57 Min.)

1. - Wie kam es zum teaminternen BMW-Crash?

Durch einen etwas übermotivierten Antonio Felix Da Costa. Der BMW-Werksfahrer hatte den zweiten Sieg in Folge nach Riad vor Augen und verteidigte sich zu hart gegen Teamkollege Alex Sims, der zu diesem Zeitpunkt eine bessere Pace hatte. Der Brite bremste spät hin zu Kurve 7, Felix da Costa noch später - da war die Kollision unvermeidlich. Sims schaffte es gerade noch zurück auf die Strecke und betrieb mit Platz vier ein klein wenig Schadensbegrenzung.

Der GT-Spezialist hatte sich für den Angriff entschieden, weil von hinten der spätere Sieger Jerome D'Ambrosio immer mehr Boden gutmachte. Als es zwischen den beiden BMW krachte, hatte der Mahindra-Pilot 1,8 Sekunden Rückstand. Später nahm Felix da Costa, der in der Mauer landete, den teaminternen Crash ohne Umschweife auf seine Kappe.

2. - Wie viel schneller war das neue Gen2-Rennauto?

Im Schnitt war das neue Gen2-Rennauto 2,5 Sekunden schneller als der Vorgänger, wie sich beim ersten indirekten Vergleich unter realen Bedingungen in Marrakesch zeigte. Lucas di Grassi war mit der schnellsten Rennrunde in 1:20.296 Minuten ganze 2,536 Sekunden schneller als Nelson Piquet Junior (Jaguar) im Vorjahr mit dem alten Gen1-Auto.

Einen schönen Vergleich lieferte auch Audi-Ersatzpilot Nico Müller, der 2018 beim Rookie-Test in Marrakesch den Streckenrekord aufstellte und ihn ein Jahr später mit dem Gen2-Auto bei gleicher Gelegenheit knackte. Müller war auf seiner besten Runde 2,577 Sekunden schneller als im Vorjahr.

Marrakesch 2018 / 2019 Zeitenvergleich

Marrakesch 2018Marrakesch 2019Unterschied
Bestzeit Wochenende1:19.6511:17.074-2,577
FahrerNico Müller, AudiNico Müller, Audi
SessionRookie-Test Rookie-Test
Theor. Bestzeit gesamt1:19.5491:16.997-2,552
Bestzeit Qualifying1:20.115 (Rosenqvist)1:17.489 (Bird)-2,626
Bestzeit Rennen1:22.832 (Piquet)1:20.296 (Di Grassi)-2,536

3. - Wie schlug sich Pascal Wehrlein bei seinem Formel-E-Debüt?

Mehr als beachtlich. Der Mahindra-Neuzugang trumpfte im Qualifying auf, nachdem ihn in beiden vorangegangenen Trainings technische Probleme eingebremst hatten. Trotz verkürzter Vorbereitung sicherte sich der frühere Mercedes-Pilot wenig später den siebten Startplatz und war damit der erfolgreichste der vier deutschen Piloten.

Im Rennen kam Wehrlein aber nicht weit: In der chaotischen Startphase erwischte ihn Audi-Fahrer Lucas di Grassi am Heck. Der 24-Jährige musste seinen beschädigten Mahindra wenig später in der Box abstellen. Wehrlein: "Das Qualifying war gut. Und dass man mir dann am Start so von hinten ins Auto fährt, dafür kann ich nichts."

4. - Wie lief es für die weiteren deutschen Fahrer?

Mittelmäßig. Andre Lotterer musste sich nach einem verpatzten Qualifying mit Startplatz 20 begnügen. Auch dank seines starken Techeetah-Autos betrieb der dreifache-Le-Mans-Sieger mit Platz sechs am Ende Schadensbegrenzung, wie es Lotterer selbst formulierte. Ähnlich lief es bei Daniel Abt, der im Qualifying nicht über Platz 16 hinauskam. Der Audi-Werksfahrer fuhr im Rennen auf den zehnten Platz vor und sammelte zumindest einen Punkt. Der amtierende Teamchampion aus Ingolstadt bleibt aber hinter den eigenen Erwartungen zurück.

Keine Punkte, aber einen Motivationsschub bekam Maximilian Günther. Der Formel-E-Rookie vom kleinen Team Dragon verbesserte sich im Rennen vom 21. bis auf den 12. Rang. Günther war der erste Fahrer, der den Attack Mode einsetzte - daraus schlug der Allgäuer früh im Rennen mit vier Positionsgewinnen Kapital.

5. - Wie kam es zum Unfall des HWA-Duos?

Nicht nur die BMW-Piloten kamen sich gegenseitig ins Gehege, auch bei HWA ging so einiges schief. Auf den hinteren Plätzen verbremste sich Stoffel Vandoorne während des Start-Chaos in der ersten Kurve und knallte seinem Teamkollegen Gary Paffett in die Seite. Der DTM-Champion zog sich einen Reifenschaden zu und musste aufgeben, für Vandoorne war mit gebrochener Aufhängung ebenfalls früh Feierabend.

HWA-Teamchef Uli Fritz sprach von einem Desaster. Und das alles unter den Augen von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, der in Marrakesch vor Ort war und dort seinen 47. Geburtstag feierte. Auch HWA-Gründer Hans Werner Aufrecht verfolgte das Rennen an der Strecke.

6. - Warum wurde Felipe Massa so angefeindet?

Weil die Konkurrenz offenbar nicht wusste, dass der frühere Formel-1-Pilot in den Trainings mit technischen Problemen zu kämpfen hatte. Erst kam er Nelson Piquet Junior in die Quere, dann wurde es auch noch mit Nissan-Pilot Oliver Rowland enger als nötig. Piquet am Teamfunk: "Habt ihr gesehen, was Massa in der letzten Kurve mit mir gemacht habt? Das war lächerlich! So ein Amateur!"

Und Rowland funkte nach seinem Zwischenfall mit Massa: "Was macht dieser Massa-Typ?! Er ist ein kompletter Idiot!" Massa, angesprochen auf die Kritik seines brasilianischen Landsmannes: "Das ist traurig, denn ich hatte ein Problem mit meinem Auto. Ich habe den Antrieb verloren, deshalb gestoppt und bin direkt in die Box gefahren. Ehrlich gesagt, ist mir auch egal, was er (Piquet) sagt. Ich kann nur sagen, dass ich nichts falsch und auch nichts mit Absicht getan habe."

7. - Was war das Besondere an Jerome D'Ambrosios Sieg?

Jerome D'Ambrosio profitierte in Marrakesch vom BMW-Crash und überquerte die Ziellinie als Sieger. Der Mahindra-Neuzugang (kam von Dragon) übernahm damit gleichzeitig die Führung in der Meisterschaft, nachdem er schon beim Saisonauftakt in Riad auf das Podium gefahren war.

Das Spezielle am Triumph in Marrakesch: D'Ambrosio durfte den Sieg zum ersten Mal wirklich ganz oben auf dem Podium feiern - obwohl er schon zwei Siege in der Formel E auf dem Konto hatte! Kurios: 2015 (Berlin) und 2016 (Mexiko) erbte der Belgier den Sieg, weil beide Male Audi-Pilot Lucas di Grassi wegen technischer Auffälligkeiten nachträglich den Sieg aberkannt bekam.

Jerome D'Ambrosio feiert seinen dritten Sieg in der Formel E - erstmals ganz oben auf dem Podium, Foto: LAT Images
Jerome D'Ambrosio feiert seinen dritten Sieg in der Formel E - erstmals ganz oben auf dem Podium, Foto: LAT Images

8. - Worüber regte sich Champion Jean-Eric Vergne auf?

Über sich selbst. Der Techeetah-Pilot brachte sich schon in der ersten Kurve nach dem Start selbst um den Sieg. Von Startplatz zwei griff Vergne direkt Pole-Setter Sam Bird an, verpasste aber den Bremspunkt. Um eine Kollision zu vermeiden, zog Vergne im letzten Moment rüber und drehte sich dabei. "Ich war ein Idiot, da war tot al unnötig. Das Rennen hätte ich locker gewonnen", ärgerte sich der Franzose später.

Vergne fiel bis auf den letzten Platz zurück, kämpfte sich im Verlauf des 45-minütigen Rennens dank seines überlegenen Autos aber auf den fünften Platz nach vorne. Einen durchaus möglichen Sieg zuvor in Riad hatte er wegen einer Durchfahrtsstrafe in Folge einer fehlerhaften Software kassiert. Vergne ist Dritter in der Meisterschaft, müsste die Wertung aber eigentlich locker anführen...

9. - Was machte Max Verstappen in Marrakesch?

Die ihm von der FIA aufgebrummten Sozialstunden ableisten. Der Motorsportweltverband ließ den Formel-1-Star beim ersten großen FIA-Event des neuen Jahres antanzen, um die Rennleitung vor Ort zu begleiten. Verstappen verbrachte den gesamten Tag in der Race Control und erlebte unter anderem mit, wie die Stewards vom 1. Training bis zum Rennende insgesamt 18 Mal aktiv werden mussten.

Verstappen hatte sich die Strafe eingehandelt, nachdem er beim Brasilien GP 2018 gegen Esteban Ocon handgreiflich geworden war. So erlebte der 21-jährige Heißsporn eher unfreiwillig seine Premiere im Fahrerlager der Formel E ("Die Meisterschaft wächst und es gibt hier viele Hersteller. Ich denke also, dass es eine coole Serie ist").