"Effizienz! Wir brauchen Effizienz! Wenn Sie wissen, was das heißt..." So hätte ein gewisser Fußball-Titan nach einem vermasselten Formel-E-Rennen klingen können. Oliver Kahn nutzte anno 2003 zwar ein anderes Wort mit 'E', wäre er aber Rennfahrer statt Kicker gewesen - es hätte durchaus seine Wortwahl sein können.

Effizienz ist das große Zauberwort in der Formel E; das 'E' sollte eigentlich eher für Effizienz statt für Electric stehen. In kaum einer anderen Rennserie auf der Welt kommt es derart auf effizientes und smartes Arbeiten an. Nicht umsonst können sich viele globale Unternehmen perfekt mit den Anforderungen der Formel E identifizieren.

In Zeiten schwindender Ressourcen ist der möglichst effiziente Umgang mit ebendiesen ein essentieller Punkt in der Industrie. "In der Formel E duellieren sich nicht nur die Fahrer und die Power ihrer Autos", erklärt etwa Max Viessmann, Mitglied des Viessmann Verwaltungsrats. "Es ist gleichzeitig ein Rennen um Effizienz und das beste Energiemanagement. Und genau diese Felder sind Motor der Entwicklung von Viessmann."

Doch was genau bedeutet es eigentlich, in der ersten rein-elektrischen Rennserie der Welt effizient zu arbeiten? Motorsport-Magazin.com untersucht die wichtigsten Faktoren.

Der Zwang, möglichst effizient zu Werke zu gehen, ist allein schon dem einzigartigen Rennformat in der Formel E geschuldet. Trainings, Qualifying und das Rennen selbst werden innerhalb nur eines Tages ausgetragen. Zwischen den einzelnen Sessions liegen nur wenige Stunden, in denen die Teams ihre Autos und Strategien optimieren können.

Besonders heftig geht es zwischen dem 2. Training und dem extrem wichtigen Qualifying zu. Die Teams haben zwischen diesen beiden Einheiten nur genau eine Stunde Zeit, um sich für den Kampf um die Pole Position auszusortieren. In vielen anderen Rennserien steht dafür fast ein ganzer Tag zur Verfügung.

Nicht umsonst beschäftigt ein Großteil der Teams eigene Fahrer, die in den heimischen Teamfabriken parallel zum Streckengeschehen fleißig Runden im Simulator drehen und dabei mit aktuellen Daten von der Rennstrecke gefüttert werden.

The Next Generation of Motorsport - presented by Viessmann (02:07 Min.)

In jedem Formel-E-Rennauto sind mehr als 200 Sensoren angebracht, die Daten an die Ingenieure und Strategen am Kommandostand liefern. Nimmt man dazu die Millionen Software-Einstellungsmöglichkeiten in der Formel E, entstehen schier unzählige Daten. So gilt es innerhalb kürzester Zeit für die Ingenieure und Software-Experten, aus dieser Masse die wichtigsten Erkenntnisse herauszufiltern und im Rennen umzusetzen.

Da die Anzahl der Mitarbeiter pro Team reglementbedingt - Stichwort: Kosteneffizienz - zudem beschränkt ist, ist noch größere Effizienz von jedem einzelnen Mitglied gefordert. So wird das 'Rennen neben dem Rennen' ähnlich spannend wie die Action auf der Rennstrecke. Wer nach einem Training mal in eine Team-Box reinschauen und das geschäftige Treiben an Autos und vor Computerbildschirmen miterleben konnte, versteht, was gemeint ist.

Warum sind diese Daten so wichtig gerade in der Formel E? Ganz einfach: Ein Großteil der Rennwagen besteht aus Einheitsbauteilen. Chassis und Batterie sind für jedes Team gleich, verändert werden darf nur der Antriebsstrang, der aus Motor, Getriebe, Teilen des Fahrwerks sowie der entsprechenden Software besteht. Dadurch wird es noch wichtiger, die eingeschränkt zur Verfügung stehenden Performance-Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen.

Daten sind schön und gut, aber umsetzen muss es in der Formel E wie in jeder anderen Rennserie auch letztendlich der Fahrer selbst - und das im wohl komplexesten Rennauto der Welt, wie wir es in diesem Artikel bereits veranschaulicht haben:

Die Spannung in den Rennen ist eng verknüpft mit der Effizienz. Warum geht es gerade in den letzten, entscheidenden Runden oft drunter und drüber? Weil ein Fahrer mit seinem Material effizienter umgeht als die anderen. Während manche Piloten in der Schlussphase derart auf ihr Energie-Management achten müssen, können andere ihre Ressourcen in Performance umwandeln, um nach vorne zu kommen. Das funktioniert, weil sie vorher mit ihrer Energie möglichst effizient umgegangen sind.

"In der Formel E geht es nicht um den Speed, sondern um Effizienz", erklärt Nelson Piquet Junior. Der heutige Jaguar-Werkspilot sicherte sich in der ersten Formel-E-Saison die Meisterschaft und gilt als einer der akribischsten Piloten im gesamten Feld. "Wir versuchen immer, so effizient wie möglich zu fahren. Es gibt aber so viele unterschiedliche Faktoren: von der Temperatur der Batterie bis hin zum Scheitelpunkt in einer Kurve, der sich sogar während eines Rennens ändert."

Jaguar startet in seiner zweiten Saison in der Formel E, Foto: LAT Images
Jaguar startet in seiner zweiten Saison in der Formel E, Foto: LAT Images

Dabei im Mittelpunkt steht immer die Rekuperation (Energierückgewinnung über die Hinterachse) der Batterie, auch Re-Gen genannt. In einem Rennen dürfen per Reglement maximal 150kW rekuperiert werden mittels der Batterie, die im Rennmodus auf 180kW (umgerechnet 240 PS) limitiert ist. Der Fahrer hat verschiedene Möglichkeiten, der Batterie neue Leistung einzuspeisen, um auf in der folgenden Runde die bestmögliche Leistungsausbeute erzielen zu können.

Das funktioniert über unterschiedliche Arten des Bremsens entweder mit dem Fuß, einer Wipppe am Lenkrad sowie zahlreichen Modi, die der Fahrer manuell am Lenkrad auswählen kann. Techniken wie das aus der Formel 1 bekannte 'Lift and Coast' (vor einer Kurve vom Gas gehen, heranrollen und dadurch Energie erzeugen) kommen auch in der Formel E zum Einsatz.

Formel-E-Boliden gehören zu den komplexesten Rennautos der Welt, Foto: LAT Images
Formel-E-Boliden gehören zu den komplexesten Rennautos der Welt, Foto: LAT Images

Jedem Fahrer steht im Rennen die gleiche Menge Energie sowie die gleiche Anzahl an Runden zur Verfügung. Es geht also um Effizienz und nicht um die reine Pace des Autos oder das beste Reifen-Management. "Es gibt so viele Kleinigkeiten, die zunächst nicht wichtig erscheinen", erklärt Piquet Junior. "Aber am Ende des Tages brauchst du all diese Dinge, um besser zu sein als die anderen Teams."

Der knifflige Teil der Formel E für einen Fahrer, um möglichst effizient zu fahren: Die Vorgaben ändern sich in praktisch jeder Runde. Jedes Mal nach dem Überqueren der Ziellinie erhält der Fahrer ein neues Ziel - genannt: Energy Target - das er erreichen muss. Aufgrund der Vielfalt der Möglichkeiten ändern sich pro Runde dadurch Bremspunkte oder die Art, wie eine Kurve durchfahren wird. Von der Kür, andere Fahrer zu überholen und dabei nicht zu viel Energie zu verbrauchen, ganz zu schweigen...

Von all diesen Vorgängen bekommen die Zuschauer im Prinzip kaum etwas mit. TV-Anzeigen wie das aktuelle Energie-Level helfen aber dabei, das Renngeschehen besser zu verstehen. Trotz der komplexen Technik kommen die Fans aber voll auf ihre Kosten: Da die Piloten zu einem Großteil eigenverantwortlich für den Umgang mit ihrem Auto sind, macht das Fahrerische einen entscheidenden Unterschied. Bühne frei für die E-Helden!