Das was es wohl mit dem Angriff auf die Meisterschaft. Daniel Abt überquerte die Ziellinie beim Punta del Este ePrix auf Platz 14 und ging damit zum dritten Mal in der Formel-E-Saison 2017/18 leer aus. Dabei wäre in Uruguay so viel mehr drin gewesen.

Ein weiterer Podiumsplatz schien dem Audi-Piloten nach seinem Sieg zuletzt in Mexiko schon sicher. Nach dem Autowechsel in Runde 19 fuhr Abt an dritter Position hinter dem späteren Sieger Jean-Eric Vergne sowie Teamkollege Lucas di Grassi.

Gurt-Panne kostet Abt Podestplatz

Dann das große Drama in Runde 23: Plötzlich verließ Abt die Strecke und bog ein zweites Mal in die Boxengasse ab. Selbst der Audi-Kommandostand machte zunächst einen perplexen Eindruck. Dann die bittere Auflösung: Abts Gurtesystem war nicht korrekt befestigt und musste von den Mechanikern nachjustiert werden.

Abt wurde durch den ungeplanten Boxenstopp bis ans hintere Ende des Feldes zurückgeworfen. Mehr als Platz 14 war letztendlich nicht drin, während di Grassi bis zur letzten Kurve um den Sieg kämpfte und nur vier Zehntel hinter Vergne die Ziellinie überquerte. Diesmal war es der Brasilianer, der mit seinem ersten Podestplatz der Saison den Speed des Audi in Zählbares umwandeln konnte.

Großer Frust hingegen auf Abts Seite der Garage, der nach sechs von zwölf Saisonrennen fast uneinholbare 72 Punkte hinter Spitzenreiter Vergne vom Techeetah-Rennstall liegt. Kurz nach dem Rennen schrieb Abt auf seiner Twitter-Seite: "Ich musste P3 aufgeben, nachdem sich aus irgendeinem Grund auf der Strecke meine vier Gurte öffneten. Mein Leben ist mir wichtiger."

Abt komplett unangeschnallt

Abt merkte kurz nach dem Boxenstopp, dass etwas nicht stimmte. Tatsächlich saß er völlig unangeschnallt im Auto! Wie die FIA später mitteilte, war das Gurtsystem beim Verlassen der Boxengasse noch korrekt angebracht gewesen. Es schien sich also erst gelöst zu haben, als Abt schon wieder auf der Strecke unterwegs war.

Der 25-Jährige über die heikle Situation: "Alles war gut und ich war schnell unterwegs. Etwa zwei Runden später merkte ich, dass sich meine Gurte beim Bremsen lösten - alle vier. Ich saß also komplett unangeschnallt im Auto. Ich habe keine Ahnung, wie so etwas möglich ist. Aber was macht man in so einer Situation: riskierst du dein Leben oder kommst du rein? Da war keine Wahl für mich und ich fuhr wieder an die Box."

Was genau bei Abt in der Box während des Autowechsels schiefgegangen war, konnte sich Audi zunächst nicht erklären. "Für Daniel war es eine große Enttäuschung", sagte Audi-Teamchef Allan McNish. "Nach dem Boxenstopp fuhr er auf dem dritten Platz, bis etwas passierte. Wir wissen noch nicht genau, was. Er musste aber wieder an die Box, um im Cockpit etwas zu befestigen. Dadurch hatte er keine Chance mehr auf ein Doppel-Podium für uns."

Boxenstopps das leidige Thema Nummer 1

Was auch immer genau bei Abt vorgefallen war: Die Boxenstopps beziehungsweise Autowechsel sind seit vielen Wochen das große Thema in der Formel E. Seit dem Santiago-Rennen in Chile hat die Formel E - nach vielen Kontroversen - die Mindestwartezeit bei einem Boxenstopp komplett abgeschafft. Die Teams und Fahrer können sich mit einem möglichst schnellen Autowechsel also einen mitunter entscheidenden Vorteil im Renngeschehen verschaffen.

Dabei schossen in der Vergangenheit immer wieder Fahrer und Teams über das Ziel hinaus. Mehrfach gab es Gerüchte über Fahrer, die nicht korrekt angeschnallt auf die Strecke zurückkehrten, also die Gurte nicht richtig befestigten, um Zeit zu sparen. Ein extremes Sicherheits-Risiko, dessen ist sich auch die FIA bewusst. Deshalb sollen die Gurt-Systeme mittels Sensoren an gewissen Punkten strengstens überwacht werden. FIA-Helfer überprüfen zudem das Geschehen in den Garagen während eines Boxenstopps.

Die Boxenstopps in der Formel E sorgen für große Kontroversen, Foto: LAT Images
Die Boxenstopps in der Formel E sorgen für große Kontroversen, Foto: LAT Images

FIA weist Teams zurecht

Vor dem sechsten Saisonrennen in Uruguay hatte die FIA noch einmal deutlich auf den Sicherheitsaspekt in dieser Angelegenheit aufmerksam gemacht. In einem Schreiben an die Teams teilte der Automobilweltverband explizit mit, dass die Fahrer zu jedem Zeitpunkt sicher angeschnallt sein müssen.

"Es liegt in der Verantwortung des Fahrers (und des Teams), jederzeit seine Sicherheitsgurte korrekt und fest angezogen zu haben", hieß es in dem Schreiben. "Dies wird ordnungsgemäß von den Sportberechtigten überprüft, inklusive der Überwachung der Gurtspannvorrichtung an den beiden Schultergurten."

Kamera-Überwachung ab Rom-Rennen

Um weiteren Vorfällen Einhalt zu gebieten, wurden das Technische Reglement der FIA vor Uruguay mit Blick auf den Autowechsel und das Anschnallprozedere noch einmal verfeinert - um auch wirklich keine Lücken zu lassen. Und damit nicht genug: Schon jetzt kündigte die FIA an, dass ab dem nächsten Rennen in Rom in den Boxen Kameras über den Autos installiert werden, um die Anschnallprozedere genau überprüfen zu können. Strafen können gegebenenfalls auch nach dem Rennen verhängt werden.

Schon in Santiago war es zu einer höchst umstrittenen Situation rund um die Gurtsysteme gekommen. Für das Rennen waren neue Gurte aus dem Langstreckensport eingeführt worden, mit den sich ein Fahrerwechsel einfacher handhaben lassen soll. Das Techeetah-Team, das mit Vergne und Andre Lotterer einen Doppelsieg feierte, hatte die Gurtsysteme bearbeitet. Mit einer Strafe von 30.000 Euro kam das Team äußerst glimpflich davon, war die einhellige Meinung im Fahrerlager.

Neue Autos: Thema erledigt

Zumindest ab der kommenden Saison erledigt sich das leidige Problem von selbst. Mit der Einführung komplett neuer Rennwagen fällt der Autowechsel zur Rennmitte weg. Stattdessen werden unterschiedliche Power-Modi während des Rennens eingeführt, um ein strategisches Element zu erhalten. Boxenstopps für Reifenwechsel wie in anderen Serien würden dem Anspruch der Nachhaltigkeit in der Formel E widersprechen und standen nie zur Debatte.