Alles begann mit einem Bierdeckel. 2011, in einem Pariser Restaurant, saßen drei Männer bei Tisch und formten die Rennserie der Zukunft. Die Formel E, die derzeit so viel Hype erlebt wie seit Ewigkeiten keine neue Rennserie mehr.

Damals waren es FIA-Präsident Jean Todt, Antonio Tajani, der heutige Präsident des Europäischen Parlaments, und Alejandro Agag, die ihre Motorsport-Vision von der Zukunft auf einem Bierdeckel skizzierten. Dieser hängt heute eingerahmt an der Wand des besagten Restaurants.

Sportfunktionäre, ranghohe Politiker, Medienmogule: Agag kennt sie alle. Die spanische Zeitung El Pai schrieb einmal, dass die SIM-Karte seines Handys unbezahlbar sei. Vollgepackt mit den Telefonnummern der Big Player. Auf seinem Schreibtisch stehen Bilder von gemeinsamen Treffen und Gesprächen mit Bill Clinton oder George Bush.

Formel-1-Boss trifft Formel-E-Boss: Chase Carey und Alejandro Agag, Foto: LAT Images
Formel-1-Boss trifft Formel-E-Boss: Chase Carey und Alejandro Agag, Foto: LAT Images

Dass heute Superstars wie Leonardo DiCaprio, Orlando Bloom oder Kylie Minogue der Formel E einen Besuch abstatten, ist auch auf Agag zurückzuführen. Und wenn er mit den VIPs händeschüttelnd durch die Startaufstellung läuft, muss man sich die Frage stellen, wer im Gesamtbild wirklich der Wichtigere ist.

Mit 29 Jahren im Europäischen Parlament

Der Sohn eines aus Algerien stammenden Bankiers und Anlageberaters ist in Politik, Wirtschaft und Sport so gut vernetzt wie kaum ein anderer. Kein Wunder, saß Agag im Alter von 29 Jahren für die spanische Partei Partido Popular bereits im Europäischen Parlament. Schon früh hatte sich der 1970 in Madrid Geborene für die Politik interessiert: Im Alter von 18 Jahren trat er der Jugendorganisation der Partido Popular bei.

Agag im Plausch mit Fürst Albert von Monaco, Foto: Formel E
Agag im Plausch mit Fürst Albert von Monaco, Foto: Formel E

Seine politische Karriere eröffnete Agag ganz neue Türen. Ein Beispiel: Bei seiner Hochzeit 2002 in einer spanischen Klosteranlage - ein bedeutendes Medienereignis in seiner Heimat - zählten unter anderem Spaniens König Juan Carlos, Silvio Berlusconi, Rupert Murdoch oder auch Tony Blair zu den Gästen. Agag heiratete an diesem Tag keine Geringere als Ana Aznar Botella, die Tochter des früheren spanischen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar.

Aus der Politik in die GP2

Eine aussichtsreiche Karriere in der Politik hätte es werden können, doch Agag entschied sich fürs Business. Seine unbezahlbaren Kontakte nutzte er, um Unternehmen aus den Bereichen Energie, Medien und Telekommunikation zu unterstützen und zu beraten. Mit Addax Capital gründete Agag zudem sein eigenes Unternehmen.

Addax? Ein Begriff, den die meisten Motorsport-Fans schon einmal gehört haben dürften. Genauer gesagt: Barwa Addax, das spanische Team aus der damaligen GP2- und GP3-Serie. Agag kaufte den Rennstall im Jahr 2009 vom früheren Formel-1-Fahrer Adrian Campos und leitete das Team für eine Weile. Fahrer wie Lucas di Grassi, Romain Grosjean, Sergio Perez oder Giedo van der Garde schafften über Barwa Addax den Sprung in die Formel 1.

Agag mit den späteren Formel-1-Piloten Vitaly Petrov und Romain Grosjean, Foto: LAT Images
Agag mit den späteren Formel-1-Piloten Vitaly Petrov und Romain Grosjean, Foto: LAT Images

Business-Deals mit Briatore

Agag war also schon vor seinem Formel-E-Projekt kein Unbekannter in der Welt des Motorsports - ganz im Gegenteil. 2002 kaufte er zusammen mit einem gewissen Flavio Briatore die TV-Rechte für das Formel-1-Rennen in Spanien, zu einer Zeit, als die Formelserie in seiner Heimat gelinde gesagt nicht der größte Renner war. Rückblickend kein schlechtes Geschäft: Als Fernando Alonso 2005 und 2006 die Weltmeisterschaft gewann, verdiente Agag kräftig mit.

Auch beim Einstieg der spanischen Großbank Santander als Sponsor in der Formel 1 hatte Agag seine Finger im Spiel. Teams wie Ferrari, McLaren und Renault mit Kumpel Briatore setzten in diesen Jahren auf Agags Verhandlungsgeschick mit den großen Playern der Wirtschaftsbranche.

Business-Partner: Briatore und Agag, hier 2006 bei der Formel 1, Foto: LAT Images
Business-Partner: Briatore und Agag, hier 2006 bei der Formel 1, Foto: LAT Images

Premier League mit Bernie

Sportlichen Erfolg hatte Agag nicht nur im Motorsport mit seinem Barwa Addax-Team, das er innerhalb kürzester Zeit zu einem der erfolgreichsten Rennställe der GP2-Serie formte. Auch im Fußball witterte Agag seine Chance und ein gutes Geschäft. Zusammen mit Briatore, dem früheren Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und einem indischen Investor kaufte er 2007 den britischen Klub Queens Park Rangers, damals noch im Unterhaus der Premier League.

Das Quartett hatte sich das ambitionierte Ziel gesetzt, den Verein innerhalb von vier Jahren in die 1. Liga zu bringen und dann gewinnbringend weiterzuverkaufen. Das Vorhaben klappte 2011. "Das war komplett verrückt", sagte Agag in einem Interview mit Spox. "Flavio dachte zuerst, dass die Queens Park Rangers ein Restaurant seien."

Fußballklub-Besitzer unter sich: Bernie Ecclestone und Alejandro Agag, Foto: LAT Images
Fußballklub-Besitzer unter sich: Bernie Ecclestone und Alejandro Agag, Foto: LAT Images

Agags Meisterstück

In solch einem saß in jenem Jahr Agag mit FIA-Boss Todt und grübelte über die Schaffung einer neuen Rennserie unter dem Banner des Motorsport-Weltbverbandes. Die Formel E ist Agags Kind, nicht nur im Geiste. Rund 100 Millionen Euro Eigenkapital soll er zum Start der elektrischen Rennserie im Jahr 2014 investiert haben.

Und wieder einmal dürfte ihn sein unternehmerisches Geschick nicht im Stich gelassen haben. Zu Beginn dieses Jahres stieg der Schweizer Industriegigant ABB als Namenssponsor in die Formel E ein. Ein Deal, der in der Branche mit mehreren hundert Millionen beziffert wird. Vom Bierdeckel zur bedeutendsten Automobilrennserie nach der Formel 1 innerhalb weniger Jahre: die Formel E ist Agags Meisterstück.