Formel E - Audi: Was läuft schief bei Abt und di Grassi? (02:42 Min.)

Was ist nur bei Audi los? Zu Beginn der Formel-E-Saison 2017/18 übernahm der Hersteller das erfolgreiche Abt-Team vollständig. Große Teile des bestehenden Teams wurden übernommen, das Auto technisch weiter verfeinert und mit Allan McNish stieß ein neuer Teamchef zur Mannschaft, die mit Lucas di Grassi den amtierenden Champion stellt.

Bei den Testfahrten in Valencia deutete sich an: Audi hat nicht nur ein schnelles, sondern vor allem ein äußerst zuverlässiges Auto auf die Beine gestellt. Das Fahrerlager fürchtete sich bereits vor einer Dominanz der Ingolstädter, die es sich zum Ziel gesteckt hatten, den Serienmeister Renault von der Spitze zu verdrängen.

Drei Rennen später sieht die Angelegenheit etwas anders aus. Audi hat bislang die drittwenigsten Punkte aller zehn Teams gesammelt, Meister di Grassi steht nach drei Nullrunden am Ende der Gesamtwertung. Teamkollege Daniel Abt krebst im Mittelfeld der Formel-E-Tabelle herum.

Kollektives Rätselraten bei Audi nach dem missglückten Start in die Saison 4. "Vielleicht müssen wir mal in einen Tempel fahren und irgendwas anbeten oder ein paar Räucherstäbchen anzünden", fiel Abt bei Motorsport-Magazin.com nach der Pleite in Marrakesch auf die Schnelle keine Lösung ein. "Ich habe keine Ahnung, aber irgendwas muss passieren."

Audi: Extrem schnell, aber...

Die Situation ist umso ärgerlicher, weil die Audis jedes der bisherigen Rennen hätten gewinnen können. Der sogenannte e-tron FE04 Rennwagen gehört mindestens zu den schnellsten im gesamten Feld. Das zeigte zuletzt sogar Formel-E-Rookie Nico Müller, der bei den Testfahrten in Marrakesch den Streckenrekord pulverisierte - den zuvor Daniel Abt im Training aufgestellt hatte.

Doch statt die schnellen Zeiten in Punkte umzuwandeln, kam Abt nicht über den zehnten Platz beim Marrakesch ePrix hinaus. Eine frühe und diskutable Durchfahrtsstrafe nach einer Kollision mit Virgin-Pilot Alex Lynn sowie großes Pech bei den Boxenstopps - Abt kam eine Runde früher rein, während die Konkurrenz von einer kurz darauffolgenden Full Course Yellow-Phase profitierte - kosteten den 25-Jährigen ein deutlich besseres Ergebnis.

Di Grassi: 100 Prozent Probleme mit der Zuverlässigkeit

Noch schlimmer lief es bei di Grassi, der zum dritten Mal im dritten Rennen ausfiel. Diesmal war schon in Runde 7 Feierabend, als der Brasilianer seinen Boliden mit technischen Problemen chancenlos abstellen musste. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er den aussichtsreichen vierten Platz belegt... Di Grassi zu Motorsport-Magazin.com: "Wir haben das Podium verloren, vielleicht sogar den Sieg. Das ist sehr frustrierend, weil wir so ein schnelles Auto haben. Wir hatten bis jetzt zu 100 Prozent Probleme mit der Zuverlässigkeit. Das ist unglaublich."

In Marrakesch lieferte di Grassi in den Trainings und auch im Qualifying eine Top-Performance. Selbst in der eigentlich benachteiligten Quali-Gruppe 1 gelang ihm der Einzug in die Superpole-Runde - bis sich Probleme am Auto bemerkbar machten, die ihn einen möglicherweise besseren Startplatz kosteten. Eilig wechselte Audi in der kurzen Zeit zwischen Qualifying und Rennen vorsorglich den Inverter an di Grassis Auto. Für eine tiefergehende Analyse ist in der Formel E am Renntag wegen des kompakten Formats keine Zeit.

Es half nichts, der amtierende Meister erlebte das nächste Debakel. Ist der neue Audi etwa eine Diva, wie es so schön im Motorsport heißt? Schnell, aber unzuverlässig? Nein, das lässt sich nicht so einfach herunterbrechen. Dafür waren die bisherigen Probleme bei Audi zu unterschiedlich.

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Audis Pannen-Statistik

Ein kurzer Abriss der bisherigen Pannen: Beim Samstagsrennen in Hongkong lag Abt auf Podestkurs, bis ihn eine Panne beim Boxenstopp - das zweite Auto startete nicht direkt - 20 Sekunden kostete und ihn auf den fünften Platz zurückwarf. Di Grassi seinerseits fiel wegen einer kaputten Aufhängung aus, die zuvor nach Kontakten mit Abt sowie schlussendlich Dauerrivale Sebastien Buemi den Geist aufgab.

Am Sonntag in Hongkong versetzte ein Defekt an der Batterie di Grassi den technischen K.o., aber den Tiefschlag des Jahres erlebte Abt. Ausgerechnet an seinem 25. Geburtstag erzielte er seinen ersten Sieg in der Formel E, nur, um Stunden nach Rennende disqualifiziert zu werden.

Abt bekam den Sieg aberkannt, weil Teilenummern seines zweiten Autos nicht mit denen im Wagenpass übereinstimmten. Einen Performance-Zugewinn hatte Abt nachweislich nicht. Futsch war der erste Sieg allein wegen eines menschlichen Fehlers eines Mitarbeiters, über den Abt und Co. im Nahhinein schützend die Hand hielten. Frei nach dem Motto: zusammen gewinnen, zusammen verlieren.

Immer Ärger mit Audi

Boxenstopp-Panne, falsche Wagenpapiere, Aufhängungsschaden, defekte Batterie, Autowechsel-Pech und unbekannte technische Schwierigkeiten - so lautet die traurige Bilanz von Audi nach 3 der insgesamt 12 Rennen in der Formel-E-Saison 2017/18. Ein Muster scheint sich erst einmal nicht daraus ableiten zu lassen. "Ich dachte, die Pechsträhne hätte in Hongkong aufgehört", sagt Abt. "Aber man sieht ja, dass immer wieder irgendwas dazukommt."

Di Grassi ergänzt: "Das Problem ist ja, dass unser Auto sehr gut ist. Wenn es schlecht wäre und ich jedes Mal von hinten starten müsste, wäre es in Ordnung. Aber wir sind immer vorne dabei, selbst mit Problemen. Wir sind auch schneller als Renault. Ich kann jedenfalls nicht sagen, dass Buemis Auto besser ist als meins."

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Hilft nur noch ein Wunder?

In der Vergangenheit galt der Renault als stärkstes Auto in der Formel E. Doch die Franzosen erlebten selbst einen schwierigen Auftakt in die aktuelle Saison, Titelanwärter Buemi rehabilitierte sich in Marrakesch zumindest mit einem Podestplatz.

Dass nun auch noch das Saisonfinale in Montreal ersatzlos gestrichen wurde, hilft Audi nicht. Zwei Rennen weniger für die Aufholjagd. Di Grassis Rückstand auf Spitzenreiter Felix Rosenqvist beträgt bereits 54 Punkte, Abt liegt 42 Zähler hinter dem Meisterschaftsführenden. "Solange wir Chancen auf den Titel haben, werden wir kämpfen", kündigte di Grassi an. "Und wie sagt man so schön: Es ist leichter, ein schnelles Auto zuverlässig zu machen als ein zuverlässiges Auto schnell."

Abgeschrieben hat die Konkurrenz di Grassi immerhin noch nicht. In der vergangenen Saison hatte er zeitweise 43 Punkte Rückstand auf Titelfavorit Buemi, schnappte sich letztendlich aber den Titel beim Finale. "Letztes Jahr hat er Wunder bewirkt als er es brauchte und viele Punkte aufgeholt", sagte der Meisterschaftsführende Rosenqvist. "Wenn er jetzt ein paar Rennen gewinnt, ist er wieder zurück im Spiel." Allerdings: Einen Rückstand von 54 Zählern hat in der jungen Geschichte der Formel E noch niemand aufgeholt.