Daniel, einige Fans erkennen die Formel E noch nicht als 'echten' Motorsport an. Wie siehst du das?
Daniel Abt: Wenn die Leute das kurz nach dem Start der Serie gesagt hätten, hätte ich das vielleicht verstanden. Aber jetzt hatten wir jedes Jahr superspannende Meisterschaften, so ziemlich jedes Rennen hat Action geboten. Tolle Überholmanöver, bekannte Fahrer, Top-Teams, immer mehr Hersteller - da kann man sich nicht mehr einreden, dass die Formel E kein Sport sei. Ich denke, einige Menschen sind noch immer voreingenommen, was das Thema Elektromobilität betrifft. Ich glaube auch, dass viele Kritiker sich noch nie wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt beziehungsweise mal ein Rennen angeschaut haben.

Fehlt gerade in Deutschland diese Akzeptanz mehr als in anderen Ländern?
Daniel Abt: Leider ja. Ich will gar nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Aber wir Deutsche tendieren schon dazu, viel zu nörgeln und nicht so offen gegenüber Neuem zu sein. Wenn ich mir den Motorsport in den vergangenen Jahren anschaue, finde ich es erschreckend, wie viel da gemeckert wird. Es heißt oft, dass in der DTM und in der Formel 1 ja vor 20 Jahren alles besser gewesen sei. Das stört mich ein bisschen.

Und wie ist es im Ausland?
Daniel Abt: In anderen Ländern wie Mexiko sind die Tribünen voll, da feiern die Fans die Formel E und sind froh, dass sie so einen Sport sehen können. Man muss ja nicht alles mögen. Aber wenn man anderen den Spaß an der Formel E verderben will, kann ich das nicht nachvollziehen. Ich muss dazu allerdings sagen, dass bei den Rennen in Berlin immer eine super Stimmung herrschte und auch Menschen gefeiert haben, die sonst mit Motorsport vielleicht nicht so viel am Hut haben.

Zur kommenden Saison übernimmt Audi das Team Abt Schaeffler Audi Sport komplett. Was bedeutet das für euch?
Daniel Abt: Das ist zunächst mal sehr positiv. Der Wettbewerb in der Formel E hat immer weiter angezogen und für ein privates Team sind die Ressourcen nun mal begrenzt. Audi ermöglicht uns jetzt viel Neues. Das heißt natürlich auch, dass der Druck ansteigen wird. Aber insgesamt freuen wir uns sehr darauf, in dieser Konstellation angreifen zu können.

Nach Audi werden auch BMW, Mercedes und Porsche werksseitig einsteigen. Hättest du vor drei Jahren damit gerechnet, dass so ein Boom um die Formel E entstehen wird?
Daniel Abt: Überhaupt nicht. Ich weiß noch genau, als das losging vor drei Jahren. Da haben die meisten Hersteller die Formel E nicht so richtig ernst genommen. Das gleiche Spiel bei vielen Fahrern. Und jetzt sind sie alle da und wollen mitspielen. In sehr kurzer Zeit hat sich in der Formel E unfassbar viel getan. Vielleicht spielt es ein bisschen mit rein, dass jetzt viele Hersteller mehr in diese Richtung machen müssen. Trotzdem ist es beachtlich, was in so kurzer Zeit entstanden ist. Das muss man erst mal nachmachen.

In der DTM herrschen unter den Herstellern viele politische Machtkämpfe. Könnte das auch der Formel E drohen?
Daniel Abt: Die Gefahr besteht immer und wird auch immer bestehen. Allerdings hat die Formel E klar ausgedrückt, dass sie der Chef ist und nach ihren Regeln gespielt wird. Im Gegensatz dazu hat die DTM den Fehler begangen, die Hersteller zum Chef zu machen. Deshalb befindet sich die Serie auch in diesem Schlamassel mit all den Politik-Spielchen. So breit, wie die Formel E jetzt aufgestellt ist, hat nicht ein einzelner Hersteller die Macht, mit einem drohenden Ausstieg die Serie selbst zu gefährden. Ich denke, dass Serienchef Alejandro Agag das alles sehr gut im Griff hat.

Bei all den Herstellern wird es in der Formel E vermutlich zu einem Wettrüsten kommen. Passt das zum Konzept der Serie?
Daniel Abt: Es kommt auf den Rahmen an. Wenn alle Hersteller sofort Unsummen investieren und komplett ausflippen, würde es zum Problem werden. Das Gute an der Formel E: Aufgrund des Reglements können kleinere Teams Motoren von den Herstellern zu einem fixen Preis kaufen, selbst, wenn diese x Millionen investieren. Das sollte dafür sorgen, dass kein kompletter Kosten-Wahnsinn entsteht. Sicherlich wird es bei den Motoren Unterschiede geben. Ich hoffe aber, dass das Konzept der einheitlichen Chassis und Batterien auch in Zukunft bestehen bleibt, damit hier keine Millionen für die Entwicklung verschwendet werden.

Formel E 2017/18 Wissenswertes: Fahrer und Rennkalender (00:47 Min.)

In welchen Punkten kann sich die Formel E künftig noch verbessern?
Daniel Abt: Ach, da gibt's einige Punkte, zum Beispiel den Fanboost. Die Grundidee finde ich gut, die Umsetzung nicht. Es gibt immer Dinge, die man verbessern kann, egal ob in der Organisation oder in der Kommunikation. Das ist aber ganz normal bei einer Serie, die erst drei Jahre alt ist. Das Gute ist: Wir haben einen sehr offenen Dialog, die Meinungen von uns Fahrern und der Teams werden angehört, um die Serie nach vorne zu pushen. Der Spirit vor Ort ist wirklich gut. Es kann alles noch etwas professioneller werden, aber die Formel E befindet sich auf einem guten Weg.

Und was sollte sich aus deiner Sicht als Fahrer ändern?
Daniel Abt: Es gibt ein paar Strecken-Layouts, die ich nicht so toll finde. Da ist es sehr eng und in den ersten Runden besteht eine große Auffahr-Gefahr, weil sich alles in einer engen Spitzkehre staut. Das liegt natürlich auch daran, dass sich die Kurse der jeweiligen Stadt anpassen müssen. Montreal war das perfekte Beispiel, wie eine Strecke in der Formel E aussehen sollte. Der Kurs war breit genug und hat richtig gutes Racing zugelassen.

Kann die Formel E das gleiche Niveau erreichen wie die Formel 1?
Daniel Abt: Ich traue der Formel E sehr viel zu. In absehbarer Zeit wird sie aber nicht das Niveau der Formel 1 erreichen. Die F1 ist eine Weltmarke, die jeder auf der Welt seit Jahrzehnten kennt. In der heutigen Zeit kannst du nicht einfach eine Rennserie aus dem Boden stampfen, die schnell das Level der Formel 1 erreicht. Aber ich glaube, dass sich die Formel E als zweitgrößte Serie etablieren wird - nur mit einem anderen Ansatz als die Formel 1. Und ich bin sicher, dass sich die Formel E deutlich vor der DTM oder der WEC platzieren wird. Seien wir mal ehrlich, ein Zuschauermagnet war die WEC, abgesehen von Le Mans, ohnehin nicht.