Der sogenannte Fanboost in der Formel E ist ein weiteres Merkmal, dass die Serie einzigartig im Motorsport macht. Fans können hierdurch aktiv auf den Rennverlauf Einfluss nehmen, indem sie ihrem Lieblingsfahrer eine Portion Extra-Leistung zukommen lassen. Die Fans können per Online-Voting abstimmen, die drei Fahrer mit den meisten Stimmen kommen dann in den Genuss des Fanboost.

Fanboost gibt es seit der ersten Saison der Formel E. Seitdem hat das System immer wieder Änderungen durchlaufen. Eine Weile galt das Voting-System als zu intransparent und es soll sogar zu manipulierten Wahlen gekommen sein. Auch die tatsächliche Leistung des Fanboost war häufig umstritten. Dabei stellte sich die Frage, wie groß der Einfluss des Extra-Boost auf den Rennverlauf sein darf.

Wie viel Power bringt Fanboost wirklich?

Fanboost ist viel komplexer, als einfach nur ein Knöpfen am Lenkrad zu drücken, um mehr Gas geben zu können. Kommt ein Fahrer in den Genuss des Leistungszuwachses, darf er per Reglement zusätzlich 100 Kilojoule in einem Leistungsfenster zwischen 190 und 200 kW beliebig einsetzen. Anders ausgedrückt: Dem Fahrer steht eine definierte Energiemenge zur Verfügung, mit der er die eigentliche kW-Leistung im Rennen kurzzeitig übertreten kann, um schneller zu fahren.

Per Reglement dürfen die Autos im Rennen maximal 180 kW (im Vorjahr 170 kW) benutzen. Durch den Fanboost erhöht sich die Leistung um 10 bis zu 20 kW. Dem Fahrer steht ein Zeitfenster von 5 Sekunden zur Verfügung, um die zusätzliche Leistung abzurufen. Das kann entweder ein kurzer, starker Push sein oder zusätzliche, aber im Vergleich weniger Leistung über einen längeren Zeitraum.

Die meisten Fahrer entscheiden sich für einen kurzen, starken Push, um an den Vordermann heranzufahren oder ihn im besten Fall zu überholen. Die mögliche längere Leistungssteigerung lohnt sich auf den wenigsten Strecken, da die Geraden auf den meisten Stadtkursen relativ kurz sind. Wichtig: Der Fanboost darf ausschließlich im zweiten Auto, also nach dem Autowechsel zur Rennmitte, verwendet werden. In der Vergangenheit durften die Fahrer sogar schon nach der ersten Runde fanboosten.

Die Leistung des Fanboost kann man mit ungefähr 40 PS Mehrleistung beziffern. Zur besseren Einordnung: Im Rennen ist die Leistung des Formel-E-Autos auf 180 kW begrenzt, was etwa 245 PS entspricht. Der Fanboost ist keine Überhol-Garantie, sondern bietet dem Fahrer vielmehr die Möglichkeit, sich vor einer Kurve besser für den Angriff zu positionieren, am Ende einer Geraden die letzten Meter für das gestartete Überholmanöver rauszuholen oder um sich zu verteidigen. Der eigentliche Effekt des Fanboost hält sich im Gesamtkontext also eher in Grenzen, wie die meisten Fahrer bestätigen.

Noch ein Kniff, der nicht so bekannt sein dürfte. Nach dem Autowechsel sollte der Fahrer seinen Fanboost relativ zügig einsetzen, um die maximale Leistung erzielen zu können. Der Fanboost funktioniert nur richtig, wenn die Batterie-Ladung noch mindestens 50 Prozent beträgt. Unter 50 Prozent gibt die Williams-Einheitsbatterie nicht mehr die volle Leistung von 200 kW ab, die die Fahrer ausschließlich im Qualifying für eine schnelle Runde nutzen dürfen.

Formel E 2017/18 Wissenswertes: Fahrer und Rennkalender: (00:47 Min.)

Wie können Formel-E-Fans abstimmen?

Inzwischen öffnet das Voting 6 Tage vor einem Rennen, also am Montag vor dem Wochenende. Fans können sogar bis 6 Minuten nach Rennbeginn abstimmen, welcher Fahrer den Fanboost erhalten soll. Die Rennleitung muss den Fahrer bis spätestens 15 Minuten nach Rennstart informieren, ob er Fanboost einsetzen darf. Fans können auf der offiziellen Webseite der Formel E, der Formel E App und auch bei Twitter voten. Bei Twitter muss ein User die Hashtags #Fanboost und den jeweiligen Namen des Fahrers angeben.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik am Voting-System. Während auf Twitter öffentlich sichtbar ist, wer für einen Fahrer abstimmt, ist das auf der FE-Website und in der App kniffliger. Zwar werden die Zwischenstände regelmäßig aktualisiert. Aber wer wirklich gewählt hat, ist nicht zu sehen. Medien berichteten in der Vergangenheit von automatisierten Bots, die am Voting teilgenommen haben und die Zahlen künstlich verfälscht haben sollen. Das Online-Voting wird durch die externe Firma Telescope überwacht.

Was muss noch beim Fanboost beachtet werden?

In der Formel E gibt es Zusatzpunkte für die schnellste Rennrunde. Der schnellste Fahrer bekommt 1 Meisterschaftszähler. Wird diese Runde mithilfe des Fanboost erzielt, kommt sie allerdings nicht für die Wertung infrage. Ansonsten wäre der Einfluss des Fan-Gimmicks zu groß. Den Punkt für die schnellste Runde erhalten ab Saison 4 auch nur noch Fahrer auf den ersten 10 Plätzen respektive in den Punkterängen. In der vergangenen Saison ging der Extra-Punkt stets an einen Fahrer außerhalb der Top-10.

Wer sind die beliebtesten Fan-Booster?

Ein Blick auf die bisherigen drei Saisons der Formel E zeigt: Die Titelfavoriten liegen auch in der Gunst der Fans weit vorne. In seinen bislang 33 Rennen bekam der amtierende Champion Lucas di Grassi 19 Mal den Fanboost zugesprochen. Damit ist er der Fahrer mit den meisten Boosts in der jungen Geschichte der Formel E. Auf dem zweiten Platz folgt di Grassis Dauer-Rivale Sebastien Buemi. In 31 Rennen - 2016/17 verpasste er den Double-Header in New York - erhielt der Schweizer 17 Mal Fanboost.

Auf dem dritten Platz der Alltime-Fanboosts folgt der frühere Formel-1-Pilot Jean-Eric Vergne. Bei seinen bislang 31 Starts erhielt er 11 Mal die Zusatz-Power. Auf dem geteilten vierten Platz folgen zwei deutsche Fahrer. Die beiden Formel-E-Pioniere Nick Heidfeld und Daniel Abt kamen bislang je 9 Mal in den Genuss des Fanboost. Kurios: Abt erhielt seine 9 Boosts alle in der abgelaufenen Saison.

Nelson Piquet Junior, der erste Meister der Formel E, liegt mit bislang 8 Fanboosts auf dem fünften Platz. Dabei profitiert der Brasilianer auch von seiner enormen Twitter-Fangemeinde. 525.000 eigene Fans kann der zu Jaguar gewechselte Brasilianer allein auf Twitter mobilisieren. Zum Vergleich: Di Grassi hat 196.000 Twitter-Follower, Heidfeld kommt auf 210.000 Follower und Daniel Abt hat 21.400 Fans auf Twitter.