Alain, wie bewertest du die neue Formel E-Serie?
Alain Prost: Es ist schwierig, schon etwas Konkretes dazu zu sagen, weil wir noch nicht so viel von der Formel E gesehen haben. Wir kennen das Konzept, und das finde ich sehr positiv. Es gibt noch einige Unbekannte, wie etwa den Sound. Das Wichtigste aber ist, dass sowohl die sportliche als auch die technische Seite der Formel E passt. Das macht einfach Sinn. Wir dürfen aber keinen Vergleich zur Formel 1 ziehen, sondern müssen beide Serien getrennt voneinander betrachten.

Klar ist aber, dass der Sound bei der Formel E fehlt. Wie siehst du das als alter Racer?
Alain Prost: Ich bin schon elektrische Autos gefahren und wenn du darin sitzt, ist das einfach etwas anderes. Oder die Trophée Andros als Beispiel, an der ich auch schon teilgenommen habe: Im Schnee hörst du das Reifengeräusch und die Spikes. Was ich sagen möchte: Man muss anders denken, wenn es um solche Rennserien geht.
In der Formel 1 gab es viele Beschwerden über den aktuellen Turbo-Sound, weil die Menschen immer Vergleiche zu den Vorjahren ziehen wollen. Es ist aber eine neue Technologie und eine neue Herausforderung - warum muss man immer vergleichen? In Sachen Formel E: Warum sollten wir uns verpflichtet fühlen, mehr Sound hinzuzufügen? Warten wir doch erstmal ab, wie die Leute darauf reagieren. Zum Sound bin ich überhaupt nicht negativ eingestellt.

Die Formel E startet im September in ihre erste Saison, Foto: Michelin
Die Formel E startet im September in ihre erste Saison, Foto: Michelin

Aber du kannst nachvollziehen, dass sich Motorsport-Fans über den fehlenden Sound in der Formel 1 und Formel E beschweren?
Alain Prost: Ja, in gewisser Weise schon. Ich möchte aber nochmals betonen, dass wir beide Serien nicht miteinander vergleichen dürfen. Vielleicht wird es bei der Formel E ja ein Formular geben, damit sich die Leute schriftlich beschweren können... Wir sprechen hier von 100-prozentig elektrisch angetriebenen Autos und das ist der Punkt. Den Sound der Formel 1 möchte ich nicht beurteilen, weil ich mich persönlich nicht darüber beschwere.

Welche Motivation hattest du, dich der Formel E mit dem Team e.dams anzuschließen?
Alain Prost: Die Motivation dahinter ist einfach zu erklären: Ich verfolge das Projekt schon seit dem Beginn vor einigen Jahren, weil ich an neuen Dingen stets interessiert bin. Schon davor gab es Ideen, mit rein elektrischen Autos auf richtigen Rennstrecken oder im Rahmen der Formel 1 zu fahren. Ich dachte aber immer, dass das nicht funktionieren würde, weil es dann direkte Vergleiche gäbe. Das Konzept der Formel E mit den Rennen auf Stadtkursen überzeugt mich hingegen. Die größte Motivation ist aber die Technologie. Die sportlichen und technischen Entwicklungen haben mich sehr neugierig gemacht und meine Denkweise hinsichtlich der Formel 1 geändert - weil es einfach Sinn macht, solche Serien parallel laufen zu lassen.

Wir trafen Alain Prost bei Reifentestfahrten von Michelin in Frankreich, Foto: Michelin
Wir trafen Alain Prost bei Reifentestfahrten von Michelin in Frankreich, Foto: Michelin

Hybrid-Technologie ist ja auch in der Formel 1 ein großes Thema...
Alain Prost: Es ist außergewöhnlich, was es jetzt schon in der Formel 1 gibt mit all den Batterien. Mit der Formel E werden wir weitere Erfahrungen sammeln und können uns vielleicht mit der F1 austauschen. Da gibt es immer eine Verbindung in gewisser Art und Weise, und das macht die Angelegenheit sehr interessant. Es gibt ja noch viele Fragezeichen: Wie werden die Batterien beispielsweise in drei, vier Jahren aussehen? Wenn die Technologie offen ist, gibt es nicht nur Hersteller, sondern auch Unternehmen, die ihr Interesse bekunden werden. Wenn wir von Motorsport sprechen, bedeutet das, dass wir testen, entwickeln und Risiken eingehen können. Normalerweise geht das bei großen Unternehmen eher nicht, aber der Rennsport macht es möglich. Das könnte eine richtig große Sache werden.

Du sagst, dass man Formel 1 und Formel E nicht miteinander vergleichen darf. Ist es dann sinnvoll, dass die Formel E ebenfalls in Monaco gastiert, wo der Sound ja eine beträchtliche Rolle spielt?
Alain Prost: Ja, das macht Sinn. Eine Logik dahinter: Monaco steht hinter dieser neuen Technologie. Außerdem sind Rennen im Fürstentum sehr prestigeträchtig und für die Formel E ist es wichtig, Bekanntheit zu erlangen. Wenn ich bei der Formel 1 in Monaco bin, mache ich mir zu allererst Sorgen um meine Ohren - das ist ein Alptraum dort. Deshalb bin ich froh, wenn die Formel E in Monaco fährt...

Batterien und Kabel ohne Ende: Viel Elektro-Power im Formel E-Boliden, Foto: Michelin
Batterien und Kabel ohne Ende: Viel Elektro-Power im Formel E-Boliden, Foto: Michelin

Ist die Formel E in deinen Augen richtiger Rennsport oder eine Kombination aus Motorsport und Marketing?
Alain Prost: Wenn du Erfolg im Motorsport haben willst, benötigst du unbedingt eine Marketingplattform. Es muss aber auch eine sehr gute Show mit Blick auf den sportlichen Aspekt sein, das ist wichtig. Wenn es nur um Marketing und Technologie geht, funktioniert ist es nicht. Wenn nur der Sport im Vordergrund steht, ebenso wenig.

Worauf ich hinausmöchte: Es heißt, dass Fans via Twitter abstimmen können, welcher Fahrer an einem Rennwochenende zusätzliche Power bekommt...
Alain Prost: Als ich zum ersten Mal davon gehört hatte, dachte ich zunächst: 'Oh Shit...' Aber: Man muss das Konzept als Ganzes betrachten und offen sein für Neues. In der Formel 1 ist es doch genauso, dass es immer Leute gibt, denen etwas gefällt und andere, die sich damit nicht anfreunden können. Dinge wie die Einbindung von Social Media können interessant sein gerade für ein jüngeres Publikum. Ich finde die Idee gut, man darf es nur nicht zu weit treiben, so dass der sportliche Aspekt untergeht.

Die Formel E in den Straßen von Las Vegas, Foto: Formel E
Die Formel E in den Straßen von Las Vegas, Foto: Formel E

Würde es dich reizen, selbst einmal ein Formel-E-Auto zu fahren?
Alain Prost: Das würde ich auf jeden Fall gern. Wenn die Zeit reif ist, vielleicht nach dem Beginn der Saison, werde ich das sicherlich einmal ausprobieren. Ich würde auch gern ein aktuelles Formel-1-Auto mit all der neuen Technologie fahren um zu sehen, wie sich das anfühlt.

Kannst du dir vorstellen, wie sich das anfühlt?
Alain Prost: Ja, das kann ich mir schon vorstellen - schließlich weiß ich, wie ein Auto mit Turbo funktioniert. Was ich mir aber nicht vorstellen kann, ist, was man tun oder auch nicht tun muss, wenn es um die elektrische Power geht.