Am nächsten Wochenende beginnt für die Formel 2 in Bahrain der finale Showdown im Titel-Kampf. Zwei Rennwochenenden zu je zwei Rennen stehen an - und nach dem zweiten im Rahmen des Sakhir-GPs der Formel 1 wird ein neuer Meister gekrönt. Ferrari-Junior Mick Schumacher führt vor diesen vier Rennen mit 22 Punkten Vorsprung auf Callum Ilott die Tabelle an.

Doch es liegen 96 Punkte auf dem Tisch, und neun Fahrer sind mathematisch im Titelkampf, darunter Red-Bull-Junior Yuki Tsunoda, Renault-Junior Christian Lundgaard und Schumachers Teamkollege Robert Shwartzman. Und wie üblich gilt in der Formel 2: Alles kann passieren! Motorsport-Magazin.com analysiert.

Wie gut stehen die Chancen von Mick Schumacher?

Vor dem Finale ist Schumacher trotzdem der Favorit auf den Titel. Vor allem, weil er sich in der zweiten Saisonhälfte in bestechender Form präsentierte. Mit seiner Konstanz konnte in den letzten Rennen niemand mithalten: In den letzten neun Rennen fuhr er sieben Mal aufs Podium, und feierte zwei Siege.

Besonders beeindrucken konnte Schumacher beim Reifen-Management. Im Vorjahr, und teils auch zu Beginn der Saison 2020, hatte er noch klare Probleme gehabt, die Pirelli-Reifen über die Renndistanz zu bringen. Nicht überraschend - Schumacher kam 2019 aus der alten F3-Euroseries in die Formel 2. Dort wurde auf Hankook-Reifen gefahren. Der Wechsel auf die filigranen F2-Pirellis, die auf das Reifenmanagement der Formel 1 vorbereiten sollen, ist ein signifikanter Sprung.

Seit Spa aber scheint Schumacher den Sweetspot gefunden zu haben. Wie schon in der Formel 3 zeigte er kontinuierliche Fortschritte, und war in den letzten vier Events der klare Star des Feldes. Während er in diesen Events gesammelt 112 Punkte holte, kam niemand anderes über 65 hinaus. Und auch Bahrain verspricht, ein Reifenmanagement-Rennen zu werden. Das macht Schumacher zum Favoriten.

Wer sind Schumachers Gegner in Bahrain?

Wenngleich die Ergebnisse von Callum Ilott, Schumachers erstem Verfolger, etwas trügerisch sind: Eine Kollision kostete ihm gute Punkte in Spa. In Monza würgte er sein Auto in der Box ab und schenkte Schumacher den Sieg. In Mugello verlor er in einem Chaos-Rennen gute Punkte. Außerdem ist Ilott der stärkere Mann im Qualifying, er stand schon vier Mal auf Pole. Schumacher noch nie.

Red Bulls Junior Yuki Tsunoda rutschte aufgrund seines desaströsen, punktelosen Mugello-Wochenendes auf den dritten Rang zurück. Mit Pole und einem Podium in Sotschi bewies er aber, dass mit ihm weiter zu rechnen ist. Tsunoda bringt einiges an Aggressivität mit. Die sicherte ihm in Spa den Sieg, wurde ihm aber auch schon zum Verhängnis.

Renault-Junior Christian Lundgaard hat wie schon im Vorjahr in der Formel 3 Probleme, sein Potential an jedem Wochenende abzurufen. Er hat aber die Pace, und holte seit Monza drei Podien und einen Sieg. Mick Schumachers Teamkollege Robert Shwartzman findet sich indessen mit 51 Punkten nur mehr auf Platz fünf wieder. Je länger die Saison dauert, desto deutlicher wird: Shwartzman fehlt trotz Ausrufezeichen noch die Erfahrung, um Auto und Reifen an jedem Wochenende perfekt hinzubekommen.

Punktegleich mit Shwartzman ist Nikita Mazepin. 2019 noch unscheinbar, platzte ihm in Silverstone der Knoten. Seitdem holte er zwei Siege und Punkte in allen bis auf drei Rennen, präsentierte sich aber ein paar Mal als Heißläufer und zeigte im Zweikampf Nerven. Mathematisch noch im Rennen sind weiters Louis Deletraz, Renault-Junior Guanyu Zhou und Luca Ghiotto. Doch allen dreien fehlte bei zu vielen Rennen die Pace, um in der Spitzengruppe konstant mitzumischen. Nur Ghiotto und Zhou können einen Sieg vorweisen. Sie müssten wohl auf Chaos hoffen, um tatsächlich noch ins Titel-Rennen eingreifen zu können.

Was bedeutet das F2-Finale für die Formel-1-Cockpits?

Für einige geht es in Bahrain um mehr als um den Titel. Drei hoffen auf ein F1-Cockpit. Mick Schumacher vorneweg - alles deutet darauf hin, dass Ferrari ihn unabhängig vom Ergebnis bei Haas unterbringt. Nikita Mazepin gilt als heißer Kandidat für den zweiten Haas, Yuki Tsunoda bei AlphaTauri als gesetzt. Diese beiden brauchen allerdings noch eine Superlizenz - die Berechtigung, in der Formel 1 zu fahren. Beide sind auf Kurs: Tsunoda reicht ein fünfter Platz in der Meisterschaft, Mazepin ein siebter.

Wer steht unter Zugzwang?

Renault wird ein Auge auf ihre Junioren Christian Lundgaard und Guanyu Zhou haben. Zhou konnte in seiner zweiten F2-Saison nicht beeindrucken, seine Zukunft erscheint fraglich. Lundgaard unterstrich hingegen als Rookie sein Potential, und wird versuchen, sich für ein Renault-Cockpit in naher Zukunft zu empfehlen. Eine zweite Saison würde ihm wohl helfen.

Jehan Daruvala hatte nach einer knappen Meisterschafts-Niederlage in der Formel 3 im Winter bei Red Bull angedockt, sah gegen Yuki Tsunoda aber kein Land und war zweikampf-schwach. Er liegt auf einem enttäuschenden 15. Rang. Ferrari-Junior Marcus Armstrong fiel nach zwei Podien in den ersten vier Rennen in ein Formtief, während seine Kollegen Schumacher, Ilott und Shwartzman um den Titel kämpfen.

Callum Ilott blieb zuletzt hinter Mick Schumacher zurück, Foto: LAT Images
Callum Ilott blieb zuletzt hinter Mick Schumacher zurück, Foto: LAT Images

Und was geht für die Ferrari-Junioren überhaupt noch? Ilotts F1-Chancen schwinden mit der wahrscheinlichen Schumacher-Verpflichtung. Ihm winkt wohl ein Testfahrer-Job. Robert Shwartzman hat hingegen sein Potential untermauert. Er dürfte 2021 weiter F2 fahren, auf Titel-Mission.

Wer wird Team- und Rookie-Meister?

Prema (Schumacher und Shwartzman) hat in der Teamwertung eine solide Führung auf UNI-Virtuosi (Ilott und Zhou) aufgefahren, während Hitech (Mazepin und Ghiotto) versucht Anschluss zu halten. Für die beteiligten Teams stehen also zwei nervenaufreibende Wochenenden mit zwei Titelkämpfen an. Besonders, da sowohl die Prema- als auch die Hitech-Piloten bereits miteinander kollidierten. Die um den 'Anthoine Hubert Award' kämpfenden Rookies sind ebenfalls bekannt: Für Tsunoda, Lundgaard und Shwartzman ist es die erste volle Saison.

Die Strecke: Bahrain - und Bahrain-Außenkurs

Wie üblich wird die Formel 2 ihre Saison im Rahmen der Formel 1 beschließen. In Abu Dhabi ist sie nicht mehr dabei, daher gibt es ein Bahrain-Doppel. Den GP-Kurs kennen alle vom Vorjahr. Außer Hitech, da das Team 2020 seine erste F2-Saison bestreitet. Doch ausgerechnet das Finale findet dann auf dem kurzen Highspeed-Außenkurs statt.

In der Formel 2 bedeutet das: Windschatten-Schlachten. Die Autos eignen sich viel besser zum Überholen als die Formel 1, und Windschatten wird auch im Qualifying signifikante Unterschiede versprechen. Durchaus möglich, dass daher ausgerechnet das Finale zum Chaos ausartet. Gepaart mit den Anforderungen, die der Kurs an das Reifenmanagement stellt, wird der Titel-Showdown daher wohl jene belohnen, die auch bei so vielen Herausforderungen einen kühlen Kopf bewahren können.