Warum haben Flavio Briatore und Pat Symonds Renault verlassen?

Renault wird von der FIA verdächtigt, den Rennausgang des Singapur GP 2008 manipuliert zu haben. Ex-Renault-Pilot Nelsinho Piquet behauptet, dass ihm Briatore und Symonds in einem Meeting vor dem Rennen sagten, er solle absichtlich in die Mauer fahren, um so einen Unfall auszulösen, der seinem Teamkollegen mit einer Safety Car Phase hilft. Bislang stritt Briatore alle Vorwürfe ab, verteidigte diese auch bei Renault-Boss Carlos Ghosn, weshalb das Team in der letzten Woche Strafanzeige gegen Vater und Sohn Piquet wegen Verleumdung und Erpressung stellte.

In den letzten Tagen vermehrten sich jedoch die Hinweise darauf, dass doch etwas an den Anschuldigungen dran sein könnte. Die veröffentlichten Telemetriedaten ließen sich noch in verschiedene Richtungen deuten, der Boxenfunk wies hingegen eindeutiger auf ein Mitwissen von Symonds und Briatore hin. So soll Piquet mehrfach nach der Runde gefragt haben, in der er sich befinde - um exakt in der richtigen Runde eine Safety Car Phase nach Alonsos Boxenstopp auszulösen. Auch wiegelten Briatore und Symonds die Bedenken der nicht eingeweihten Ingenieure ab. In einer Befragung durch die FIA verweigerte Symonds zudem mehrfach die Aussage oder meinte, er könne sich nicht mehr erinnern. Im Gegenzug für weitere Informationen bot ihm die FIA Immunität an - ebenso wie sie Piquet für seine Kooperation genießt.

Dieser Unfall war der Auslöser., Foto: Sutton
Dieser Unfall war der Auslöser., Foto: Sutton

Die Abgänge von Briatore und Symonds könnten darauf hindeuten, dass der Ingenieursdirektor dieses Angebot annahm. Renault dürfte mit der Beseitigung der beiden "Schuldigen" als Bauernopfer versuchen, die FIA zu besänftigen. Immerhin hat das in diesem Jahr schon einmal funktioniert: Der Rückzug von Ron Dennis aus den F1-Aktivitäten von McLaren Mercedes verhinderte eine Strafe in der Lügenaffäre rund um Lewis Hamilton und den Australien GP. Die FIA stritt zwar ab, dass der Rücktritt von Dennis als McLaren-Boss etwas damit zu tun hatte, aber in F1-Kreisen gilt das als sehr wahrscheinlich. Ein Kuhhandel: Max Mosleys Dauerrivale verschwindet von der Bühne und McLaren wird dafür nicht bestraft. Ähnliches könnte sich Renault erhoffen: Das Team gesteht in einer Pressemitteilung die Schuld ein, indem es sagt, dass es die Anschuldigungen der FIA nicht anfechtet, trennt sich gleichzeitig von den beiden Verantwortlichen und hofft auf Gnade vor dem FIA-Weltrat, ganz besonders, weil die FIA kein Interesse daran haben dürfte, nach BMW und Honda einen dritten Hersteller innerhalb eines Jahres zu verlieren.

Wie geht es weiter?

Erst nach der Sitzung des FIA-Weltrats am Montag, den 21. September möchte sich Renault wieder offiziell zu dem Fall äußern. Dann entscheidet die FIA über die Schuld oder Unschuld der Franzosen sowie ein mögliches Strafmaß. Artikel 151c des Internationalen Sporting Code der FIA ermöglicht Strafen bis zum WM-Ausschluss. McLaren Mercedes wurde 2008 auf Grundlage des gleichen Artikels wegen Rufschädigung des Sports in der Spionageaffäre mit 100 Millionen Geldstrafe belegt. Sollte Renault schuldig gesprochen werden, dürften auch die Strafverfahren gegen Nelson Piquet Senior und Junior in Frankreich und England eingestellt werden.

Ein Schuldspruch und eine Strafe dürften auch gleichbedeutend mit einem F1-Rückzug des Herstellers sein. Bereits seit einigen Jahren gelten die Franzosen als Wackelkandidat. Sollte das Team straffrei ausgehen, könnte es vielleicht unter Regie eines neuen Teamchefs oder - bei einem F1-Ausstieg - als Nachfolgeteam weitergeführt werden. Schon zu Saisonbeginn verdichteten sich die Anzeichen, dass sich Briatore auf einen möglichen F1-Ausstieg von Renault vorbereitete und die Fabrik in Enstone für einen Alleingang vorbereitete.

Auch Pat Symonds hat Renault verlassen., Foto: Sutton
Auch Pat Symonds hat Renault verlassen., Foto: Sutton

Kurzfristig dürfte sich nichts ändern: Romain Grosjean und Fernando Alonso sollten auch bei den letzten vier Saisonrennen 2009 am Start stehen - angefangen beim nächsten Rennen in Singapur, ein Jahr nach den Vorfällen rund um Nelsinho Piquets Unfall. Die Leitung des Teams könnte kurzfristig intern besetzt werden. So verriet RenaultF1 Commercial Manager Renato Bisignani bereits am Nürburgring gegenüber Motorsport-Magazin.com, dass es ein Traum für ihn wäre, eines Tages ein eigenes F1-Team als Teamchef zu führen. Zumindest kurzfristig könnte dieser Traum in Erfüllung gehen.

Was ist in Singapur passiert?

28. September 2008, Großer Preis von Singapur. Die Formel-1-Boliden bestreiten zum ersten Mal unter Flutlicht ein Rennen. Felipe Massa reißt beim Boxenstopp den Tankschlauch heraus. Und: Nelsinho Piquet kracht in Runde 15 nach einem Dreher in die Mauer. Schon damals kamen zunächst spöttische, danach ernsthaft gemeinte Meinungen auf, wonach Piquet den Renault absichtlich auf Anweisung des Teams in die Mauer gesetzt haben könnte, um so einen Vertrag für die Saison 2009 zu erhalten und seinem Teamkollegen Fernando Alonso zu einem guten Ergebnis zu verhelfen - immerhin gewann der Spanier später auch das Rennen.

Das sagte Renault damals: Kurz vor Runde 15 forderte Renault seinen Fahrer Nelsinho Piquet mittels Funk dazu auf, schneller zu fahren. Keine unübliche Vorgehensweise bei F1-Teams und gerade bei Renault. "Mein Team hat mich aufgefordert, zu pushen. Das habe ich auch gemacht", sagte Piquet damals. "Plötzlich habe ich das Heck meines Wagens verloren und bin ziemlich heftig in die Wand eingeschlagen. Wir kratzen immer an den Mauern entlang und sobald man die Mauer etwas zu viel berührt und die Kontrolle verliert, dann ist es das."

Flavio Briatore tritt von der F1-Bühne ab., Foto: Sutton
Flavio Briatore tritt von der F1-Bühne ab., Foto: Sutton

Der Unfall von Nelson Piquet löste eine chaotische Phase aus. In der Safety Car Phase erhielten Robert Kubica und Nico Rosberg Drive-Through-Strafen, weil es damals nicht erlaubt war, nachzutanken, so lange die Boxengasse nicht geöffnet war. Nachdem der Führende Felipe Massa den Tankschlauch abriss, das Feld durch Strafen und die Safety-Car-Phase durcheinander gewürfelt wurde, fand sich plötzlich Alonso in Führung wieder. Eine Position, die er bis zur Zielflagge nach 61 Runden nicht mehr abgeben sollte - obwohl eine zweite Safety-Car-Phase zehn Runden vor Schluss das Feld noch einmal zusammenführte. Übrigens: Piquet hatte sich auf der Einführungsrunde auf dem Weg in die Startaufstellung schon einmal gedreht.

Warum erst jetzt?

"Vielleicht ist die Geschichte nur eine Erfindung", mutmaßte Bernie Ecclestone nach dem Bekanntwerden der Anschuldigungen. "Vielleicht hat Piquet sie in die Welt gesetzt, weil er wegen seines Rauswurfes sauer ist." Grund für den kleinen "Racheakt" könnte die Entlassung von Nelsinho Piquet nach der Sommerpause bei Renault sein. Der Brasilianer wurde durch den jungen Renault-Ersatzfahrer Romain Grosjean ersetzt.

Noch bevor Renault den Fahrerwechsel offiziell bestätigte, schimpfte Piquet Jr. in brasilianischen Medien und einem aggressiven Presseschreiben über seinen Teamchef und Manager Briatore. "Er liebt es zu protzen. Er mag ein guter Geschäftsmann oder etwas Ähnliches sein, aber das F1-Team könnte gut ohne ihn auskommen", so Piquet damals. "Als ich bei Renault anfing, war Flavio bei allen Meetings dabei. Aber wenn man die Business-Seite weglässt, dann hat er nur sinnloses Zeug gesprochen." Den einzigen Vorteil, den Renault durch Flavio Briatore habe, sei dessen gute Beziehung zu Bernie Ecclestone und zur FIA. "Von allem anderen hat er keine Ahnung. Es ist so als würde ich mit meiner Schwester über das Auto reden."