Die Formel 1 ist kein Wunschkonzert. Das erleben Neulinge wie Etablierte immer wieder aufs Neue. Nehmen wir zum Beispiel Nelsinho Piquet. "Nico Rosberg hat außer in der GP2 nie wirklich etwas gewonnen", sagte uns der Brasilianer im September 2006. Und: "Wenn ich so viel Unterstützung wie Vettel bekommen hätte, wäre ich schon lange in der F1." Zwischen Australien und Spanien hat der Junior mittlerweile gelernt, was es heißt, in der F1 zu sein. Renault-Mann Steve Nielsen war jedenfalls nicht besonders angetan vom Weltmeistersprössling: "Er ist noch immer kein wirklich gutes Rennen für uns gefahren."

Mit den Wünschen ist es also nicht so einfach - außer man heißt Bernie Ecclestone und ist der kleine, große Macher des gesamten Zirkus. Doch selbst Mr. Ecclestones Wünsche brauchen manchmal etwas länger. Vor langer Zeit wünschte er sich einen schnellen Deutschen, einen Farbigen und eine Frau in der Formel 1 - je nach Überlieferung auch noch einen Chinesen, aber da reicht ihm wohl vorerst ein Grand Prix in Shanghai. Der Deutsche kam, sah und siegte. Der erste Farbige tat es ihm im ersten Jahr beinahe gleich. Nur die Damenwelt hat Bernies Wunsch noch nicht so richtig vernommen. Seit Giovanna Amati 1992 nahm keine Frau mehr an einem Grand Prix-Wochenende teil. Sarah Fisher durfte einige Demorunden drehen und Katherine Legge testete einen Minardi. Ansonsten wurde die F1-Welt von Männern beherrscht.

Wenig überraschend schlussfolgert Adrian Sutil: "Die Formel 1 ist ein Männersport." Der Hobbypianist kennt es nicht anders. Als Lella Lombardi 1975 in Spanien als erste und bislang einzige Frau einen halben WM-Punkt holte, war der Force India-Pilot noch lange nicht geboren. Dennoch glaubt er: "Warum sollte eine Frau nicht schnell in der F1 sein? Es gibt eigentlich keinen Grund, der dagegen spricht." So glaubt Sutil daran, dass es Damen gibt, die das Zeug zur F1-Pilotin haben. Nur müsse man ihnen auch eine Chance geben.

Diese Damen machten 2007 die DTM und deren Rahmenserien unsicher., Foto: DTM
Diese Damen machten 2007 die DTM und deren Rahmenserien unsicher., Foto: DTM

Genauso schätzt Rekordweltmeister Michael Schumacher die Situation ein, wobei er ein anderes Hauptproblem ausmacht: "Es ist eher ein Problem, dass es an der Basis noch zu wenig Mädchen gibt, die Kart fahren." Dieser Meinung schließen sich Nick Heidfeld, Nico Rosberg und Sebastian Vettel an. "Das Problem ist, dass es nicht genügend Frauen versuchen", betont Rosberg.

Dadurch sei es noch schwieriger, eine richtig gute Dame zu finden. "Es ist wie mit den Nationen: wenn es nur so wenig Russen versuchen, ist es noch schwieriger, einen richtig Guten zu finden." Vettel stellt eine andere Hochrechnung auf, die aufs Gleiche hinausläuft: "Wenn fünf Mädchen mit dem Kartsport anfangen, bleibt am Ende wahrscheinlich keine mehr übrig. Wenn aber 1.000 Jungs anfangen, bleiben am Ende vielleicht drei übrig." Denn Vettel weiß: "So ein Rennen durchzustehen, ist kein Zuckerschlecken." Heidfeld stellt aber eine Veränderung fest: "Es fangen immer mehr Frauen erfolgreich an zu fahren. Ich kann mir schon vorstellen, dass es über kurz oder lang wieder eine Frau in die F1 schafft."

Wenn es um eine Frau in der Formel 1 geht, sagen viele: die Physis einer Frau ist dafür nicht geiegnet. So auch Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve. "Der Körper einer Frau ist anders gebaut als der eines Mannes und das ist für mich die größte Hürde", verriet uns der Kanadier schon vor einigen Jahren. Die F1 sei ein extrem physischer Sport. "Vielleicht gibt es die Möglichkeit für eine Frauen-Weltmeisterschaft, aber aus dem gleichen Grund aus dem Frauen und Männer nicht im Fußball, Rugby oder der Leichtathletik gegeneinander antreten, sollten sie es auch in der F1 nicht." Villeneuve sieht Frauen physisch im Nachteil. "Bei Tourenwagen, Rallye-Autos und in Ovalen kann eine Frau sicher locker mit Männern mithalten, aber in der F1 hätte sie einen zu großen Nachteil."

Aber sind Frauen den körperlichen Anstrengungen eines Formel 1-GP, den hohen Flieh- und Bremskräften tatsächlich nicht gewachsen? Rennarzt Dr. Riccardo Ceccarelli erklärte dazu vor einigen Jahren in der Auto Bild: "Nacken und Arme können so trainiert werden, dass eine Frau in jeder Rennserie mithalten kann. Allerdings gilt dies nicht für Sportarten, in denen 90 Prozent des Kraftaufwandes körperlich sind, wie zum Beispiel im Radsport oder der Leichtathletik." Durch Testosteron, das Männer in großen und Frauen nur in geringen Mengen produzieren, könnten sie nicht die gleichen Leistungen erbringen. "Aber beim Reiten oder Rennfahren kommt es nicht auf die reine Muskelmasse an. Da gibt es kein körperliches Limit für Frauen." Wegen des Testosteron-Mangels müssten Frauen einfach mehr trainieren.

Lella Lombardi eroberte mit Platz 6 einen halben Punkt., Foto: Phipps/Sutton
Lella Lombardi eroberte mit Platz 6 einen halben Punkt., Foto: Phipps/Sutton

Katherine Legge hatte bei ihrem Minardi-Test jedenfalls keine konditionellen Probleme. "Am wichtigsten ist es, schnell zu denken", sagte sie. "Die Muskeln zählen nur bis zu einem gewissen Punkt. Es ist nicht wahr, dass es für eine Frau anstrengender ist, ein F1-Auto zu fahren. Ich hatte das auch geglaubt und habe deshalb in den letzten Monaten vier Stunden täglich trainiert. Aber was wirklich zählt, ist dein Kopf."

So argumentieren auch die aktuellen männlichen Kollegen. "Alles lässt sich trainieren", betont Sutil. "Frauen haben auch in anderen Sportarten extrem viel Power." Aus Sicht von Nick Heidfeld wäre es in seiner F1-Zeit locker möglich gewesen, für eine Frau einen F1-Boliden zu fahren. "Es gibt einige, die das drauf haben", glaubt Rosberg. Den Schlusspunkt unter diese Diskussion setzt Sebastian Vettel: "Ich sehe nicht gerade wie ein Bär aus und schaffe es ja auch irgendwie." Aber beißen Männer nicht ins HANS-System, wenn sie von einer Frau geschlagen werden? "Das interessiert mich nicht", sagt Timo Glock. "Ich ärgere mich so oder so, egal ob mich ein Mann oder eine Frau überholt." Am liebsten würde er gar nicht überholt werden - aber wir wissen ja, wie das mit den Wünschen ist...

Vettel sieht sogar noch einen Grund, der für Ecclestones Traum von einer schnellen Frau im Motorsport spricht: "Sie gelten ja allgemein als feinfühliger", merkt der junge Deutsche an. Durch die vielen Hilfen, die einfacher zu bedienenden Autos - auch ohne elektronische Fahrhilfen - sollten es die Damen mit ihrem Rhythmusgefühl doch besser haben als ihre männlichen Kollegen. "Prinzipiell stimmt das natürlich", sagte uns Maria Teresa de Filippis - die erste Frau in der Königsklasse. "Die heutigen Autos sind sicher leichter zu fahren als die Autos zu meiner Zeit." Aber es brauche etwas mehr als ein gutes Rhythmusgefühl. "Denn es kommt dann jener Moment, in dem man den Mut und die Courage haben muss, an die Grenzen zu gehen." Dass man sich an das Limit heran wage, dass man die Punkte auslote, wo es gefährlich werde. "Vielleicht ist das der Grund, warum wir derzeit keine Frau in der Formel 1 haben? Vielleicht gibt es hier eine Hemmschwelle?"

Sind Frauen zu sensibel für das harte Geschäft Motorsport? "Ich glaube, die große Masse der Frauen ist vielleicht so", sagt Sutil, "aber es gibt sicher ein paar der Frauen, die nicht so sind." Ellen Lohr, die einzige Frau, die ein DTM-Rennen gewonnen hat, ist ganz sicher nicht so, sie nimmt mittlerweile sogar an Marathonrallyes querfeldein durch Wüste und Wälder teil. Aber Lohr sieht ein anderes Problem: die Politik. "Generell ist es gleich schwer für Männer und Frauen", sagt sie. "Als Frau hat man am Anfang sogar den Vorteil, dass man schneller Aufmerksamkeit genießt." Das halte aber nicht lange an, wenn die Leistung nicht stimme. "Ein Nachteil ist, dass Frauen es in Teams erfahrungsgemäß immer noch schwerer haben, siegfähiges Material zu bekommen. Das wird eher an Männer vergeben, da allgemein noch die Meinung herrscht, dass Männer doch noch etwas schneller sind."

Katherine Legge testete für Minardi. Am ersten Tag ging es in die Mauer, am zweiten wollte sie nicht aufhören., Foto: Sutton
Katherine Legge testete für Minardi. Am ersten Tag ging es in die Mauer, am zweiten wollte sie nicht aufhören., Foto: Sutton

Frauen bekommen im Motorsport nichts geschenkt. "Man muss sich viel mehr beweisen als ein Kerl", sagte uns Steffi Halm, 2007 die einzige Dame unter 40 Männern im Porsche Carrera Cup. "Es gibt die eine oder andere Meinung, die man zunächst verändern muss." Wenn das geschafft ist, herrscht aber immer noch Alarmstufe Rot. So sieht Hans-Joachim Stuck in der IRL-Pilotin Danica Patrick den Schlüssel, um mit der Formel 1 den wichtigen US-Markt zu erobern. "Sie würde einen gewaltigen Schub geben", glaubt Stuck. Patrick will davon nichts hören: sie will nicht als Werbemittel missbraucht werden, hat schon F1-Demorunden in Indianapolis abgelehnt und will nur für einen ernsthaften, ehrlichen Test in ein F1-Auto steigen - dann aber gerne.

Wohin das führen kann, erlebten wir am 20. April, dem Damentag im internationalen Motorsport: Danica Patrick gewann in Motegi als erste Frau ein IRL-Rennen. Steffi Halm siegte bei ihrem Comeback in der Mini Challenge in Hockenheim. Die Schweizerin Simona de Silvestro wurde mit ihrem Sieg in Long Beach die zweite Frau, die ein Formel Atlantic Rennen gewinnen konnte. Und die erste Siegerin eines Formel Atlantic Rennens, Katherine Legge, schnappte sich beim DTM-Rennen in Oschersleben Platz 17 - na ja. Es scheint also nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis auch der letzte Punkt auf Bernies Wunschzettel abgehakt ist.