Die Formel 1 ist unvorhersehbar. Ja, auch in Zeiten von Supercomputern, Multistoppstrategien und Ungarn-Prozessionen gibt es in der F1 Dinge, die niemand vorhersagen kann - noch nicht einmal Bernie Ecclestone; und der weiß bekanntlich (fast) alles. Oder hat irgendjemand erwartet, dass nach elf Saisonläufen ein Rookie die Fahrer-WM anführen würde? "Damit hätte niemand rechnen können", bestätigt Norbert Haug. Na also. Oder hat irgendjemand damit gerechnet, dass Copyshopmitarbeiter in Kriminalfälle verwickelt sein können? Hätte jemand geglaubt, dass ein zweifacher Weltmeister und ein Neuling sich gehörig ins Gehege kommen können? Oder was das Wetterchaos am Nürburgring anrichten würde? Die Formel 1 ist eben unvorhersehbar.

Vorhersehbar I: Abschied von Scott Speed., Foto: Sutton
Vorhersehbar I: Abschied von Scott Speed., Foto: Sutton

Immer? Nicht immer. Denn ausgerechnet das unvorhersehbare Eifelwetter sollte den Anfang von Scott Speeds offensichtlichem Ende bedeuten. Dabei hat es schon zu Jahresbeginn so verdächtig lange gedauert. "Liuzzi und Speed stehen auf der Pole Position", betonte Gerhard Berger Wochen, ja fast Monate lang. Bestätigt wurde jedoch keiner der beiden Fahrer für die Saison 2007. Es ging hin und her. Erst beim Roll-Out in Barcelona gab das Team Liuzzi als Stammfahrer bekannt. Für die Bekanntgabe von Speed brauchte man noch zwei Wochen länger.

Die Gründe dafür waren wohl eine Mischung aus PR-Effekt und erhobenem Zeigefinger gegenüber den Piloten. Diesen warf man schon zu diesem Zeitpunkt vor Saisonbeginn eine zu lockere Einstellung, zu wenig Entschlossenheit und Ehrgeiz vor. Bei Partyhengst Liuzzi habe man im Winter eine Steigerung feststellen können, bei Speed eben noch nicht sofort. Dennoch dürften beide schon länger als Stammfahrer festgestanden haben, als es das Team zugeben wollte. Immerhin fuhr Speed bei den Demorunden in Abu Dhabi Ende Januar und waren beide im Februar bei den Dreharbeiten zum Red Bull Imagemovie dabei.

"Wir haben über den Winter die Leistungen der Fahrer genau analysiert", sagte Gerhard Berger damals zu motorsport-magazin.com. "Junge Fahrer machen Fehler und haben Schwächen, aber wir mussten verstehen, ob sie an ihren Schwächen arbeiten." Für den Moment konnte man das wohl bei beiden bejahen. Das war allerdings im Februar. Jetzt ist August und dazwischen hat sich viel getan - oder besser gesagt aus Sicht von Berger und Teamchef Franz Tost wohl nicht genug. Denn Speed durfte schon vor dem Beginn der Sommerpause in Urlaub fliegen. Jedoch nicht, bevor in der Box kurzerhand die Fäuste geflogen sein sollen...

"Für kein Geld der Welt würde ich noch einmal für Gerhard Berger und Franz Tost fahren", sagte er nach dem bereits erwähnten Nürburgring-Chaos, welches er nach Aquaplaning im Kiesbett beendete. So knallhart und vor Worten sprudelnd kannten Speed nur die wenigsten; noch weniger werden ihn vermissen. In der ansonsten unvorhersehbaren F1-Welt waren diese offenen - und zugleich letzten - Worte von Speed als Toro Rosso-Pilot ein klares Zeichen: Ihr Einsatz Mr. Vettel. "Wisst ihr was? Ich will keine Sekunde mehr über Speed sprechen. Das ist Geschichte", sagte Berger nach dem Fahrerwechsel. Speed hatte das in seiner Rage vorhergesagt: "Sie werden weiter mit dem Finger auf uns Fahrer zeigen, bis sie den erwünschten Wechsel bekommen." Manchmal ist die F1 eben doch vorhersehbar.

Vorhersehbar II: Abschied von Tonio Liuzzi, Foto: Sutton
Vorhersehbar II: Abschied von Tonio Liuzzi, Foto: Sutton

Und tatsächlich: auch Liuzzi muss gehen - nur diesmal dauert es bei ihm etwas länger. Doch am Saisonende muss auch er seine vielen angeblich stylischen Kopfbedeckungen nehmen. Ohne eine einzige Erwähnung des Italieners gab das Team am Freitag die erwartete Verpflichtung von Sebastien Bourdais für die Saison 2008 bekannt. Für Liuzzi war das keine Überraschung. "Die Atmosphäre im Team ist nicht die beste, denn sehr häufig sind die Fahrer zu unrecht kritisiert worden, nur um Probleme am Auto zu kaschieren", hatte er schon vorher gesagt. Bei solchen Worten kommt ein Fahrerwechsel nicht wirklich unvorhersehbar. Andererseits gilt angesichts der Vorher- und Aussagen von Speed und Liuzzi frei nach Blechkamerad Arnie: "Die Zukunft ist nicht vorherbestimmt, jeder ist seines eigenen Schicksals Schmied."