"The Home of British Motor Racing" steht in großen Lettern über der Haupteinfahrt zum Silverstone Circuit. Darunter hindurch müssen in den kommenden Tagen auch die Teamtransporter der elf Formel 1-Rennställe ihren Weg ins Fahrerlager bahnen. Die Anreise ist für die meisten der Teams aber kürzer als sonst: Sie alle sind im Umfeld der britischen Rennstrecke beheimatet. Die Erwartungshaltung ist dementsprechend hoch: Alle möchten in Silverstone gut abschneiden - entweder um ihren Mitarbeitern und Fans etwas zu bieten oder um sich in der Höhle der britischen Löwen zu behaupten.

Silverstone ist auch für die Franzosen ein Heimspiel., Foto: Sutton
Silverstone ist auch für die Franzosen ein Heimspiel., Foto: Sutton

Renault: Den Tiger auf dem Tank

Ein Designstudio aus Taiwan entwarf das neue Artwork des R26, mit dem Renault anstelle der Tabakwerbung in Silverstone an den Start gehen wird. Ansonsten hat sich bei den Gelb-Blauen nichts geändert: Sie möchten ihre Siegesserie aus Barcelona und Monaco fortsetzen. Als Hauptrivalen machen sie dabei wieder Ferrari aus - mit McLaren rechnen sie nur, wenn sie sich auch auf einem "normalen" Kurs so steigern können wie zuletzt in Monaco. Neben Fernando Alonso brennt auch Giancarlo Fisichella auf ein gutes Ergebnis: Silverstone gehört zu seinen Lieblingsstrecken und seine Aufholjagd in Monaco hat dem Italiener Lust auf mehr gemacht. Die Chancen für einen weiteren Erfolg stehen gut, auch wenn die Franzosen immer wieder betonen, dass sie in Silverstone womöglich nicht ganz vorne stehen werden - das sagten sie aber auch anno 2005.

Ferrari: Den Sieg im Visier

Das Monaco-Wochenende war für die Roten zum Vergessen: Die schlechtesten Startplätze der Teamgeschichte sprachen Bände - ganz zu schweigen von Michael Schumachers kleinem Parkvergehen in der Rascasse. Das Motto für Silverstone lautet: Zurück zur Normalität - auch wenn die britischen Fans es den Italienern sicher nicht einfach machen werden. Letztlich zählt für Michael Schumacher & Co ohnehin nur eines: Der nächste Sieg. Seit dem Triumph vom Nürburgring sind immerhin schon wieder zwei Grand Prix vergangen. Und bei 21 WM-Zählern Rückstand auf WM-Spitzenreiter Alonso müssen sich die Roten ins Zeug legen, um dem amtierenden Weltmeister Punkte abzuknöpfen. Felipe Massa muss sich zudem von seinem eher enttäuschenden Monaco-Wochenende rehabilitieren. Es gibt also viel zu tun.

JPM würde eine Wiederholung des Vorjahressieges gut tun., Foto: Sutton
JPM würde eine Wiederholung des Vorjahressieges gut tun., Foto: Sutton

McLaren: Die Hoffnung auf mehr

Monaco war ein Lichtblick - allerdings ein trügerischer. Schon im Vorfeld war klar: Die einzigartige Streckencharakteristik könnte es McLaren Mercedes einfach machen die Probleme von Barcelona zu überwinden und vorne mitzumischen. Genauso sollte es kommen: Kimi Räikkönen hätte ohne seinen technischen Defekt sogar um den Sieg mitfahren können. Der Finne und Norbert Haug waren sich jedenfalls sicher: Räikkönen hätte gewinnen können. Am Ende reichte es nur zu Platz 2 für Juan Pablo Montoya. In Silverstone wäre ein solcher Podestplatz fast schon zu viel des Guten - selbst bei ihrem Heimspiel dürfen die Silbernen keine Wunder erwarten. Dennoch: Vielleicht können sie ihren Aufwärtstrend fortsetzen - wenn auch nicht unbedingt auf dem gleichen hohen Niveau wie im Fürstentum.

Honda: Die Hoffnung auf ein Wunder

In der letzten Woche sprach Jenson Button Klartext: Liebend gerne würde er den vielen britischen Fans ausgerechnet bei seinem Heimspiel in Silverstone seinen ersten GP-Sieg schenken. Doch angesichts der aktuellen Form seines Teams, ist dies nicht realistisch. Entsprechend hofft JB derzeit auf ein kleines Wunder in Form eines Wetterchaos. Ansonsten müssen die Weißen ihre Probleme von Monaco überkommen, dort waren sie nicht konkurrenzfähig genug. Button muss zudem seine Form steigern: An den letzten Rennwochenenden lag er deutlich hinter seinem Teamkollegen Rubens Barrichello. Zu Saisonbeginn sah es noch genau andersherum aus.

BMW Sauber setzt den Kampf gegen Williams fort., Foto: Sutton
BMW Sauber setzt den Kampf gegen Williams fort., Foto: Sutton

BMW Sauber: Die Konstanz zählt

Am Saisonbeginn sah BMW im Vergleich mit seinem alten Partner Willliams nicht gerade gut aus: Die Mitternachtsblauen konnten mit starken Vorstellungen und Wunderkind Nico Rosberg überzeugen. Der Speed des FW28 und der Ruf des Cosworth-V8 machten die Truppe von Sir Frank sogar zu einer Art Geheimfavorit. Nach 7 WM-Läufen sieht die Sache anders aus: Williams mag zwar das klar schnellere Auto besitzen, aber die Konstanz spricht für BMW Sauber - die bayerisch-schweizer Allianz führt mit 14:10 WM-Punkten. In Silverstone wollen Nick Heidfeld und Jacques Villeneuve genauso weitermachen. Dafür benötigen sie aber wohl einige Ausfälle in den Reihen vor ihnen.

Williams: Die Zuverlässigkeit zählt

In Barcelona hatte Williams große Probleme. Zwei Wochen später lief es in Monaco extrem gut - bis die Zuverlässigkeitsprobleme abermals beide Autos aus dem Rennen rissen. Da der ehemalige Flugplatzkurs von Silverstone der Charakteristik von Barcelona ähnelt, rechnen die Dunkelblauen mit einem schwierigen Wochenende. Nico Rosberg peilt dennoch WM-Punkte beim Heimspiel seines Rennstalls an. Dafür müssen die Autos aber endlich einmal über die Runden kommen - und zwar alle Runden. Die Motoren im Heck der beiden FW28 werden die gleichen wie in Monaco sein. Obwohl das Team die Achtzylinder aufgrund der Ausfälle tauschen dürfte, verzichtet Cosworth auf einen Motorwechsel. Als Grund gibt man die geringe Laufleistung im Fürstentum an.

Mit dem TF106B soll es aufwärts gehen., Foto: Sutton
Mit dem TF106B soll es aufwärts gehen., Foto: Sutton

Toyota: Das B-eflügelt

Im Vorfeld des Monaco GP gab es zwei Sichtweisen: Die Presse jubelte den vierten neuen Toyota-Boliden innerhalb von anderthalb Jahren zur lange ersehnten B-Version hoch. Das Team betonte hingegen immer wieder, dass es sich nur um eine mechanische Ausbaustufe handele, die maximal zwei bis drei Zehntel bringe. In Monaco lag Jarno Trulli trotzdem auf Podestkurs - jedenfalls bis ihn seine schier unglaubliche Pechsträhne wieder einmal einholte. In Silverstone muss der TF106B nun erstmals auf einer "richtigen" Rennstrecke beweisen, was in ihm steckt. Monaco kann bekanntlich nicht als Maßstab gelten.

Red Bull Racing: Das war super, Mann

Mit einem roten Cape um den Hals flog David Coulthard durch die Straßenschluchten von Monaco und auf das fürstliche Podium. Eine Widerholung dieser wahrhaftigen Heldentat erwartet der Schotte aber nicht. Gerade Silverstone entpuppte sich bislang als hartes Pflaster für den RB2 - hier erlebte das Auto im Dezember sein Roll-Out; und die ersten Kühlungsprobleme. Immerhin hofft man auf ein neues Aerodynamikpaket, welches mit einigen Änderungen für mehr Schwung sorgen soll. Neben mehr Speed fehlt den roten Bullen aber vor allem eines: Mehr Zuverlässigkeit. Davon kann Christian Klien ein Liedchen singen...

Scuderia Toro Rosso: Der Griff nach den Punkten

Auch nach sieben Rennen ist das zweite Red Bull Team noch ohne WM-Punkte. In Monaco hatte man sich ein paar Pünktchen erhofft, aber am Ende war es dem Schwesterteam vorbehalten über den ersten Podestplatz zu jubeln. In Silverstone gilt für Scott Speed und Tonio Liuzzi die gleiche Ausgangslage wie bisher auch: Ohne Ausfälle oder Probleme in den vorderen Reihen besteht keine Chance auf WM-Zähler.

Heimspiel für Midland - vielleicht zum ersten und letzten Mal?, Foto: MF1 Racing
Heimspiel für Midland - vielleicht zum ersten und letzten Mal?, Foto: MF1 Racing

MF1 Racing: Die Punkteränge außer Sicht

Verkaufen, verkaufen, verkaufen! Nein, wir sind nicht auf dem Parkett der Londoner Börse. Diese Worte schallen derzeit auch durch die Flure in der MF1 Racing Fabrik in Silverstone. Ob man sie am kommenden Wochenende über die Straße hinweg auf der Rennstrecke hören wird, bleibt abzuwarten. Noch gibt es keine offizielle Entscheidung von Alex Shnaider: Verkauft er sein Team nach nur anderthalb Jahren schon wieder oder bleibt er der F1 treu? Die Konkurrenzfähigkeit seines Teams gestaltet sich auch beim Heimspiel unverändert: Es braucht ein kleines Wunder, um in die Punkteränge zu gelangen. Selbst da das Team auch am kommenden Wochenende wieder die "geschmolzene Lücke" und die "vielen Fortschritte" hervorheben wird.

Super Aguri: Die Konkurrenz außer Reichweite

Bei Super Aguri gibt es nichts hervorzuheben: Takuma Sato und Franck Montagny werden auch in Silverstone um die letzten Plätze kämpfen. Der einst für Silverstone angekündigte SA06 lässt weiter auf sich warten - und selbst nach seinem Debüt dürfen keine großen Sprünge erwartet werden. Die Truppe von Aguri Suzuki lebt weiterhin vom olympischen Gedanken: Dabei sein ist alles - willkommen zu Hause: In Silverstone!