Was würden wir nur machen, wenn wir nicht an 18 F1-Rennwochenenden im Jahr so viele weise Lehren erhalten würden? Vielleicht würden wir dann eine ernsthaft spannende Beschäftigung verfolgen. Beispielsweise eine Rennserie, bei der tatsächlich und wahrhaftig noch Überholmanöver stattfinden...

Die Lehre vom Alter

Mit 66 Poles fängt das F1-Leben erst an, titelten wir vor nicht allzu langer Zeit, als Michael Schumacher seine Rekord-Pole feiern durfte. Manchen Kollegen scheint dies entgangen zu sein. Sonst hätten sie den Ex-Weltmeister in Barcelona nicht danach befragt, wie er den Kampf gegen den Jungspund Fernando Alonso sieht. "Ich fühle mich nicht alt, also sehe ich ihn auch nicht als jung an", sagte der Ferrari-Star auf jener berühmt-berüchtigten Pressekonferenz. Aber was ist Alonso dann? "Er ist gut."

Schumachers sind nicht nur in der F1 gut..., Foto: Sutton
Schumachers sind nicht nur in der F1 gut..., Foto: Sutton

Die Lehre von den Schumachers

Ja ja, die lieben Journalisten und ihre seltsamen Fragen. Die einen fragen pausenlos das gleiche - etwa wann er denn aufhören, verlängern oder wechseln wird -, und die anderen fragen angesichts des neuen Rad-Stars Stefan Schumacher, warum diese Schumachers im Sport so gut sind? "Ich finde das natürlich interessant, aber wenn Du ins Telefonbuch schaust und die Liste an Schumachers siehst, dann gibt's da auch ein paar..."

Die Lehre von den Tankstellen

Mehr als nur ein paar gibt es von den lebensgroßen Fernando Alonso Pappfiguren, die in Spanien an allen Tankstellen anzutreffen sind. Der Pate für die Pappkameraden empfindet dies als "sehr seltsam". Im Gegensatz zu seinen Papp-Doppelgängern tritt Alonso aber auch quietschfidel mit flotten Tanzschritten in einem Werbespot auf. "Ja, das bin ich - ich habe mich zwei Monate darauf vorbereitet", versicherte der Weltmeister ernst. Um lachend hinzuzufügen: "Nein, das bin nicht ich in dem Spot. Das war nur ein Scherz."

Die Lehre vom Tischfußball

Nirgends ist man mehr sicher - selbst in den Weiten der Energy Station wird scharf auf einen geschossen. Besonders wenn Tonio Liuzzi sein italienisches Temperament am Kicker auslebt. Dann fliegt das kleine Bällchen schon einmal von der Dachterrasse bis in die untere Ebene. So viel Einsatz wünschen sich sicherlich auch die Anhänger der Squadra Azura von ihren Kickern bei der WM in Deutschland.

Die Lehre vom Wirbel

Viel Wirbel um nichts: Nirgends ist dieser Spruch zutreffender als in der Formel 1. An diesem Wochenende gab es wieder einmal den besten Beweis dafür: Exklusiv wollte eine niederländische Internetseite erfahren haben, dass ihr Landsmann Robert Doornbos sich für 15 Millionen Euro in das Red Bull Stammcockpit von Christian Klien eingekauft habe. Doornbos sollte schon in Monaco sein GP-Comeback geben. Dies sei zu "110 Prozent sicher", erklärte man auf unsere verdutzte Nachfrage. Bei Red Bull beurteilte man die 110-prozentigen Fakten jedoch anders: "Das ist totaler Unsinn", sagte uns eine Teamsprecherin. Christian Klien selbst empfand die 'Nachricht' als "nicht amüsant", aber perfekt "für den Papierkorb". Und was sagte Teamboss Christan Horner zu dieser angeblichen Exklusivmeldung? "Sie ist exklusiv falsch."

Christian fand seinen exklusiven Abschied nicht lustig., Foto: Sutton
Christian fand seinen exklusiven Abschied nicht lustig., Foto: Sutton

Die Lehre vom Wirbel - Teil II

Noch mehr Wirbel löste Michael Schumacher aus. Als Journalisten schneller aus dem Ferrari-Motorhome eilten als Max Mosley die Regeln ändert, wusste jeder sofort: Da ist etwas passiert! Hat der Ex-Champ etwa seinen Rücktritt bekannt gegeben? Oder gar seine Vertragsverlängerung mit Ferrari? Weit gefehlt - das Ergebnis des Pressegesprächs war, dass es vorerst kein Ergebnis geben wird. Erst am Ende des Jahres müsse sich Schumacher entscheiden, wie es mit ihm weitergehe. Dies hätte ihm Ferrari dankbarer Weise erlaubt. Die große Ruhe nach der Entscheidungs-Verschiebung währte aber nicht lange: Schumachers langjähriger Wegbegleiter Jean Todt scheint den Sinn der Übung falsch interpretiert zu haben; er sagte am Sonntag, dass Ferrari seine Fahrerpaarung beim Heimrennen in Monza bekannt geben wolle. So wird es nichts mit dem Ende der Spekulationen, Herr Todt.

Die Lehre von den Lehren

Einen Artikel über die Lehren eines Rennwochenendes zu schreiben, ist gar nicht so einfach wie es sich theoretisch anhört. Natürlich geht es 'nur' darum schräge Szenen zu beobachten, lustige Zitate zu sammeln, kultige Beobachtungen zu machen und seltsame Dinge in noch komischere Texte zu verwandeln. Aber manchmal steht man wie am Nürburgring vor dem Rennen ohne eine einzige Lehre da und manchmal hat man schon am Donnerstag mehr als in der gesamten bisherigen Saison angesammelt. "Die Formel 1 ist verrückt", sagte uns Scott Speed. Wie recht er damit hat.

Die Lehre vom Geiz

Endlich ein Rekord, den nicht Michael Schumacher hält: Am Freitagmorgen erzielte die Formel 1 im 1. Freien Training einen neuen Rundengeizrekord! Wir nannten es die B-Version des Rundengeizes. Die Berechnungsformel dafür lautet wie folgt: 3+6+1+1+R(1-3). Sie können damit nichts anfangen? Drei Stammfahrer und sechs Testfahrer fuhren eine gezeitete Runde, ein Stammfahrer fiel vorher aus, einer blieb ganz in der Box und der Rest fuhr eine bis drei Runden. Und wieder haben wir etwas Weltbewegendes gelernt.

Sie fingen den MP4-21 ein., Foto: Sutton
Sie fingen den MP4-21 ein., Foto: Sutton

Die Lehre vom Schnappschuss

Umso größer der Rundengeiz desto schwieriger haben es die Fotografen Bilder von fahrenden Autos zu schießen. Die absolute Königsdisziplin war es am Freitag ein Bild eines in freier Wildbahn befindlichen Chrompfeils zu knipsen. Nur wer sehr viel Glück und Geduld hatte, konnte Räikkönen oder Montoya auf einer ihrer insgesamt 10 Ründchen in Aktion erwischen. Der Zeitaufwand dafür: Zwei volle Trainingsstunden.

Die Lehre vom Spaß

In einem Interview forderte Ron Dennis zuletzt mehr Spaß. Ausgerechnet Ron Dennis. Er setzte sich für Clowns in der Boxengasse und für Fahrerrundgänge auf der Strecke mit Wasserpistolen ein. Strikt "off the record" natürlich. Sonst könnte man ja tatsächlich meinen, dass er wirklich für mehr Spaß sorgen möchte. Die FIA galt bislang als eher wenig spaßig. Doch diese Aussagen beflügelten den Weltverband den Teilnehmern der Freitagspressekonferenz Wasserspritzpistolen auf die Plätze zu legen. "Diese hier hat eine vorzeitige Ejakulation, Ron", scherzte Honda-Boss Nick Fry. "Damit solltest Du Dich auskennen. Hier ist ein Reserve-Tank unter dem Tisch", entgegnete Scherzkeks Ron. "Der funktioniert aber nicht."

Die Lehre vom Qualifying

Nach sechs Ausgaben des neuen KO-Qualifyings, glaubten wir eigentlich schon alles gesehen zu haben. Aber in Barcelona kamen die Teams abermals mit einer neuen Taktik: Viele gingen bereits in den ersten beiden Sessions früh auf die Strecke, um so am Ende nicht in Zeitprobleme zu geraten. Dafür standen die Ausgeschiedenen auch schon einige Zeit vor dem Ablaufen der Uhr fest. Das Motto lautete also: Früh raus, schnell fertig.

P20, P22, P21? Hauptsache 200 Rennen., Foto: Sutton
P20, P22, P21? Hauptsache 200 Rennen., Foto: Sutton

Die Lehre von der Startaufstellung

Zu einem richtigen GP-Wochenende des Jahres 2006, gehört auch eine Verwirrung um die Startaufstellung - sonst macht das alles keinen Sinn. Diesmal betraf es allerdings nur eine Teilverwirrung - nämlich in der Presseabteilung von Red Bull. Kurz nach dem Qualifying wurde David Coulthard im RBR-Press Release der 20. Startplatz zugeteilt. Wie David ohne eine gefahrene Rundenzeit zwei Fahrer hinter sich lassen sollte, war aber selbst den roten Bullen nicht klar. Deshalb schoben sie schnell eine zweite Pressemitteilung nach. Diesmal stand der Schotte auf P22. Damit lag man aber erneut falsch: Durch den doppelten Motorwechsel bei Jacques Villeneuve startete DC von P21 in seinen 200. Grand Prix. Macht nichts: Ohne Chaos, wäre es keine richtige Startaufstellung gewesen...

Die Lehre von der Flucht

Fernando Alonso befindet sich pausenlos auf der Flucht: "Auf der Strecke jagen mich nur 21, aber daneben sind es viel mehr." Wohl wahr, am gesamten Wochenende kamen 343.000 Zuschauer an den Circuit de Catalunya. 131.000 davon erlebten seinen Triumph am Sonntag. Und jeder wollte ein Foto mit ihm und ein Autogramm von ihm.

Die Lehre von den Statistiken

Über was die Leute nicht alles Statistiken führen! GP-Siege, GP-Starts, Pole Positions, Weltmeistertitel - all dies lassen wir uns für Fahrer, Teams und Motorenhersteller ja noch eingehen. Aber nach Alonsos 3. Saisonsieg verblüffte Renault mit einem eigenen Press Release für den 100. gemeinsamen Sieg von Renault und elf. Sollte dieses Beispiel Schule machen, dürfen wir uns angesichts der üblichen Todt'schen Lobeshymnen auf die Partner und Sponsoren, schon einmal auf eine Flut an Pressemeldungen zu diversen Siegjubiläen der Ferrari-Partner freuen. Nummer 1 steht bereits in den Startlöchern: Bridgestone hat momentan - ebenso wie Konkurrent Michelin - 97 GP-Erfolge auf dem Konto. Wer macht die 100 zuerst voll? Das nächste Press Release wird es uns rechtzeitig mitteilen...

Auch überrundet werden will gelernt sein..., Foto: Sutton
Auch überrundet werden will gelernt sein..., Foto: Sutton

Die Lehre vom Überrunden

Am Samstag beschwerte sich Christijan Albers noch lautstark über Takuma Sato: "Ich verstehe nicht, was Sato da gemacht hat", schimpfte der heißblütige Niederländer. Am Sonntag dürfte sich Fernando Alonso das gleiche gedacht haben, als ihm eben jener Albers beim Überrunden vor der gelb-blauen Fahrzeugnase herumturnte. Überhaupt schienen die beiden Midland-Piloten ihre eigene Lehre nicht befolgen zu wollen: Gleich mehrmals fielen sie negativ bei Überrundungsmanövern auf.

Die Lehre von der Nase

Ralf Schumacher fand, dass seine leichte Kollision mit seinem Teamkollegen "nicht erwähnenswert" gewesen sei. In der Toyota-Chefetage dürfte man dies anders gesehen und die Nase gerümpft haben. Aber vielleicht wollte Ralf nur einer zukünftigen Entwicklung vorgreifen: Er tauschte die konservative Flügellösung an seinem TF106 gegen eine flexible Flügellösung mit einem halb beschädigten Frontflügel ein. Die einzige Gefahr bei solchen technischen Eigeninterpretationen ist, dass man damit vielleicht eine "Meinungsverschiedenheit über die technische Ausrichtung" hervorruft. Was das bedeutet? Fragen Sie einmal bei Mike Gascoyne nach...

Die Lehre vom Jubel

Das Rennen ist erst gewonnen, wenn die Flagge fällt? Fernando Alonso kümmerte diese alte Weisheit überhaupt nicht. Bereits auf der 66. und letzten Runde winkte er aus dem Cockpit in die begeisterten Massen. Auf der Zielgeraden vollführte er sogar eine euphorische Zickzack-Fahrt, die fast ein bisschen an das intensive Anwärmen der Reifen auf dem Weg in die Startaufstellung erinnerte. Wie gefährlich so etwas sein kann, weiß Juan Pablo Montoya aus eigener Erfahrung zu berichten...