Es war fast schon ein bisschen Ironie des Schicksals, dass das erste F1-Team mit russischer Motorsport-Lizenz seinen neuen Boliden auf einer Strecke debütierte, über dessen Eingang in großen Lettern prangt: "Welcome to Silverstone - The Home of British Motor Racing".

Die wahrlich motorsportverrückten Briten sehen die grüne Insel trotzdem als Nabel der Motorsportwelt an. Und tatsächlich: In keinem anderen Land sind so viele F1-Rennställe beheimatet und nirgends sonst gibt es eine ähnlich starke Motorsportindustrie wie in Großbritannien.

Selbst der am Freitag vorgestellte russische Midland-Bolide wurde in der alten Jordan-Fabrik in Silverstone gebaut. Das wird sich beim nächstjährigen M17 nicht ändern. Und das obwohl Teambesitzer Alex Shnaider seine Headhunter bereits in die russischen Heimat ausgeschickt hat, um dort Aerodynamikfachleute und Luftfahrtingenieure für sein Team zu gewinnen.

Deutschland und die F1? Da darf er nicht fehlen..., Foto: Sutton
Deutschland und die F1? Da darf er nicht fehlen..., Foto: Sutton

Eine Woche vor dem MF1 Toyota M16 wurde in Grove der neue Williams Cosworth FW28 vorgestellt. Auch dort machte sich in der Fabrik der britische Stolz breit: Nach dem Abschied von den ungeliebten bayerischen Partnern aus München möchte man zu den britischen Wurzeln und alten Erfolgen zurückkehren. Schließlich wähnen die einheimischen Motorsportfans jetzt wieder alles in britischer Hand.

Doch ist Williams wirklich ganz in britischer Hand? Absolut nicht: Der FW28 wird nach der unrühmlichen Absage des britischen Möchtegernstarfahrers Jenson Button von einem Australier und einem Deutschen pilotiert. Aber Nico Rosberg ist nicht der einzige deutsche Einfluss in der Truppe von Sir Frank Williams. Mit Alex Wurz bewegt ein - 'mehr oder minder' - deutschsprachiger Österreicher das Freitagsauto, welches obendrein von Jörg Zander, dem deutschen Chefdesigner, weiterentwickelt wird.

"Die sind hier jetzt ganz stolz auf das Britische, aber kaum einer merkt, dass das Auto von einem Deutschen entworfen wird", witzelte Zander im Gespräch mit motorsport-magazin.com-Redakteur Juha Päätalo. "Und das gleiche gilt auch für den Cosworth-Motor. Dort ist ja Alexander Hintzinger verantwortlich für die ganze Motorenentwicklung."

Da kann sich MF1-Pilot Christijan Albers noch so sehr darauf berufen, dass er selbst am Flughafen in London spüre "in einem Motorsportland" zu sein. Denn auch bei MF1 sind die deutschen Einflüsse kaum zu übersehen: Angefangen bei Teamboss Colin Kolles bis hin zu den diversen neuen Sponsoren sowie den beiden Testfahrern Markus Winkelhock und Adrian Sutil.

Dank dieser beiden Jungspunde verdoppelt sich die Anzahl der deutschen F1-Piloten in diesem Jahr von drei auf sechs. Während Sutil und Winkelhock an einigen Freitagen das dritte Auto von MF1 pilotieren dürfen, sind Michael und Ralf Schumacher, Nick Heidfeld sowie Nico Rosberg konstant als Stammpiloten im Einsatz.

Die deutschen Fans dürfen sich auf sechs Piloten freuen., Foto: Sutton
Die deutschen Fans dürfen sich auf sechs Piloten freuen., Foto: Sutton

Großbritannien mag also das Mutterland des Motorsports sein, aber die stärkste Rennsportnation ist momentan Deutschland. Wer am erfolgreichsten ist, wird sich aber erst im Laufe der Saison herausstellen.

Zu den sechs Piloten kommen natürlich noch die Mercedes-Motoren des McLaren Teams sowie das BMW Sauber Team hinzu. Außerdem dürfen wir nicht unterschlagen, dass Toyota in Köln-Marsdorf beheimatet ist und als einziger Rennstall sein Auto komplett auf deutschem Boden baut.

Nur die beiden deutschen Grand Prix Austragungsorte am Nürburgring und vor allem in Hockenheim sorgen derzeit für Sorgenfalten. Nach dem Wirbel um die finanziellen Schwierigkeiten des Hockenheimrings, ermittelt jetzt erneut die Staatsanwaltschaft, weil angeblich ein Anfangsverdacht gegen einen Mitarbeiter der Rennstrecke vorliegen soll.

Aber Ärger mit der Rennstrecke ist man auch in Silverstone gewohnt. Davon kann Bernie Ecclestone ein Liedchen singen. Nur die Zuschauerzahlen versprechen derzeit angesichts der ausverkauften Vorverkaufslage auf der Insel besser als in Deutschland zu sein. Bis zu den Rennen an den beiden deutschen Ringen bleibt den vielen schwarz-rot-goldenen F1-Vertretern allerdings noch genügend Zeit, um dafür zu sorgen, dass sich auch dieses Blatt noch wendet.