Groß war der Jubel bei Alpine über Fernando Alonsos dritten und Esteban Ocons fünften Platz beim Großen Preis von Katar. Durch diesen Big Point war den Franzosen im drittletzten Lauf der Formel-1-Saison 2021 eine Vorentscheidung gegen AlphaTauri im Kampf um den fünften Platz der Konstrukteurswertung gelungen. Zwei Rennen später war dieser Rang final fixiert und das Werksteam von Renault belegte nach 2019 und 2020 zum dritten Mal in Folge P5 in der Gesamtwertung.

Richtigerweise könne man deshalb durchaus von Stagnation sprechen, gesteht Marcin Budkowski, Executive Director beim Formel-1-Team des französischen Herstellers. Ein Hersteller, der sich eigentlich sehr viel höhere Ambitionen auf die Fahnen schrieb, als Renault 2016 als Werksteam in die Formel 1 zurückkehrte. Bis hin zu Siegen und zum WM-Titel reichte damals eine alles andere als nur interne Planung über fünf Jahre.

Alpine fuhr 2021 drittes Jahr mit gleichem Grundgerüst

Kritische Nachfragen zum zunächst zähen Voranschreiten eines Teams mit einem Automobilriesen im Rücken musste sich schon Cyril Abiteboul gefallen lassen, ehe der langjährige Teamchef nach der Saison 2020 und dem bevorstehenden Rebranding des Renault-Teams in Alpine den Hut nehmen musste. Unter neuer Führung - einer doppelten Spitze um Budkowski und Rennleiter Davide Brivio - lief es 2021 allerdings nicht besser. Wieder ein fünfter Platz in der Gesamtwertung, diesmal sogar mit 26 Punkten weniger als 2020 - trotz eines fünf Rennen längeren Kalenders.

Allerdings gebe es auch gute Gründe für diese Stagnation, so Budkowski, selbst bereits seit Anfang 2018 an Bord. Einerseits sei es natürlich die dritte Saison in Serie, in der das Team auf dem fünften Platz gelandet sei. "Und das kann man - und zwar richtigerweise - als Stagnation sehen", gesteht der Pole. "Gleichzeitig nutzen wir das dritte Jahr so ziemlich denselben Motor, so ziemlich dasselbe Chassis und so ziemlich dasselbe Getriebe."

Renault fror 2018 Entwicklung ein - dann kam Corona

Damit verweist Budkowski auf eine einst längerfristig angelegte strategische Planung des Renault-Teams. "Wir wollten sie [Power Unit, Getriebe, Chassis] zwei Jahre lang nutzen, das war eine bewusste strategische Entscheidung", erinnert Alpines F1-Direktor. Nach einer mit P4 bis dahin besten Saison 2018 wollte Renault seine Ressourcen bereits zu einem größeren Teil auf die längerfristige Zukunft richten. Für 2021 stand die Revolution des Technischen Reglements bevor. Darin sah Renault mehr Chancen als in dünneren Potentialen am Ende eines Entwicklungszyklus für nur noch zwei Jahre, 2019 und 2020.

Deshalb vertraute Renault mehr auf sein Grundgerüst und die Optimierung vor allem der Aerodynamik. Größere Revolutionen gab es bei allen aufgezählten Kernkomponenten des Boliden kaum mehr. Das lief zunächst solide, 2020 schnitt Renault sogar doppelt so gut ab wie im Vorjahr. Trotz eines erneut fünften Gesamtrangs ergattern die Franzosen 181 statt 2019 noch 91 Punkten - bei vier Rennen weniger. Im selben Jahr betrat allerdings ein neuer Spieler das Feld - Corona. Aus Kostengründen verschob die Formel 1 die Revolution auf 2022 und fror die Chassis-Entwicklung ein.

Wegen Corona: Alpine in strategischem Plan gefangen

Finanziell gesehen kam das den Teams entgegen, auch Renault. Sportlich jedoch hatte das nun Alpine genannte Team ein Problem. Nun durften die Franzosen - zumindest das Chassis - nicht einmal mehr entwickeln und mussten 2021 noch ein drittes Jahr mit dieser bereits 2020 leicht veralteten Basis starten. "Wir haben nicht geplant, sie für drei Jahre zu nutzen, aber das war das Ergebnis von Covid und den um ein Jahr verlängerten Regularien", klagt Budkowski über das für Renault unglückliche Zeitgeschehen.

Die Power Unit hätten die Franzosen im Winter allerdings sehr wohl frei entwickeln dürfen, allerdings hielten sie an ihrem ursprünglichen Plan fest. Nun war der Nutzungsdauer großer Investitionen mit nur noch einem Jahr noch einmal sehr viel geringer geworden. Somit habe das Team 2021 als zum dritten Mal in Folge mit einer nahezu identen Basis in der Startaufstellung gestanden, verteidigt Budkowski die Stagnation in der WM-Tabelle.

Alpine sieht nicht nur Stagnation

Angesichts dieses weitgehenden Stillstands - in der Formel 1 in der Regel gleichbedeutend mit einem Rückschritt in der Hackordnung - bewertet Bukowski das Abschneiden 2021 sogar als einen gewissen Fortschritt. "Mit einem Auto, das so ziemlich dieselbe mechanische Basis hatte, wenn man so will, haben wir es geschafft, unsere Position in der WM zu halten und sogar näher an die Pole, näher an die Besten heranzukommen", kommentiert Budkowski das 2021 näher an die Top-Teams gerückte Mittelfeld.

Das würde zeigen, dass sich zumindest andere Bereiche des Teams sehr wohl verbessert hätten, so der Pole. "Die, die wir nicht eingefroren haben", sagt Budkowski und nennt Beispiele wie die Zuverlässigkeit und die Arbeit des Einsatzteams an der Strecke, inklusive Strategieabteilung und Interaktion mit den Fahrern. "Das ist für kommendes Jahr ziemlich aufregend, denn da werden wir alles entwickeln. Wir werden einen brandneuen Motor haben und natürlich ein neues Chassis und eine neue Aero, weil sich die Regeln ändern."

Alpine gesteht trotz Freeze: Andere haben besseren Job gemacht

Alles führt Alpine jedoch nicht auf die strategische Entscheidung vor drei Jahren für - eigentlich - zwei Jahre zurück. "Mit den neuen Regeln haben wir nicht den besten Job gemacht, die veränderten Regularien von 2020 auf 2021", gesteht Budkowski im Hinblick auf die Restriktionen um Unterboden, Diffusor und Bremsbelüftungen. "Bei diesen Modifikationen, vor allem am Unterboden, haben andere einen besseren Job gemacht als wir, deshalb haben wir unsere Ziele etwas verpasst. Wenn wir das nicht hätten, wären wir etwas komfortabler Fünfter geworden, aber ich denke nicht, dass wir in der Lage gewesen wären, diese Leute [McLaren & Ferrari] herauszufordern. Aber wir wären näher dran gewesen."

Großartig bereut wird die strategische Entscheidung vor drei Jahren in Enstone nicht. Natürlich sei man eingeschränkt gewesen und habe zuletzt über Gebühr gelitten. "Die Tatsache, dass wir den Motor vor drei Jahren eingefroren haben, hat uns Boden verlieren lassen, weil unsere Konkurrenten entwickelt haben. Es war eine strategische Entscheidung und sie bezog sich darauf, die neuen Regularien mit den neuen Autos vorzubereiten", sagt Budkowski. Corona konnte Renault 2018 nicht voraussehen. Unabhängig davon hält Budkowski die Entscheidung noch immer für die richtige. "Mit den Ressourcen, die wir haben. Natürlich war es schmerzhaft, unsere Wettbewerber voranschreiten zu sehen. Und mit Chassis und Getriebe war es dasselbe."

Leiden - aber aus guten Gründen

Zumindest ein gewisses Bedauern herrscht deshalb durchaus im Lager der Tricolore-farbenen. Das gebe es immer. Budkowski: "Wir hätten dieses Jahr [2021] gerne mehr Fortschritt gemacht, aber gleichzeitig haben wir es aus einem Grund so gemacht. Wir sind schon eine ganze Weile auf nächstes Jahr [2022] fokussiert und hoffentlich zahlt sich das aus."

Helfen soll dabei neben personellen Umstrukturierungen - der schon 2021 gehandelte Otmar Szafnauer ist inzwischen auf dem Markt, noch dazu wird nach der Trennung von Rémi Taffin ein neuer Motorenchef gesucht - auch die seit 2021 aktive Budgetobergrenze. Trotz Werksunterstützung operierte Renault in den Vorjahren weit unter den Budgets von Mercedes, Red Bull und Ferrari. Mit all diesen Bausteinen soll Alpine den seitens CEO Laurent Rossi bereits aufgestellten nächsten Plan nun auch erfüllen - und in 100 Rennen endlich auf der Siegerstraße fahren.