Nach mehreren Tagen der Unsicherheit gab Mercedes am Donnerstagvormittag bekannt, dass man gegen das Ergebnis des Abu-Dhabi GPs und somit der Formel-1-Weltmeisterschaft keine Berufung einlegen werde. Trotzdem ist Teamchef Toto Wolff nach wie vor wütend auf die Rennleitung und fordert Konsequenzen nach dem Großen Preis von Abu Dhabi.

Wolff: Falsche Entscheidungen

Der Stachel sitzt bei den Silberpfeilen noch immer tief. "Es wurden auf der Strecke die falschen Entscheidungen getroffen. Die Regeln wurden Freestyle ausgelegt", bilanzierte Teamchef Toto Wolff. Die Wogen mit Rennleiter Michael Masi, der eine Runde vor Schluss - entgegen dem Wortlaut des Reglements - die Entscheidung traf noch einen Restart anzusetzen, sind immer noch nicht geglättet.

Wolff hat keine Lust auf ein Gespräch mit dem Rennleiter. "Ich habe kein Interesse daran, mit Michael Masi eine Konversation zu haben. Die Entscheidungen, die in den letzten vier Minuten dieses Rennens getroffen wurden, haben Lewis Hamilton den verdienten WM-Titel gekostet. Das ist inakzeptabel", sagte Wolff.

Der Österreicher fordert, dass die FIA aus dieser Situation lernt. "Mein Gefühl für Integrität passt einfach nicht zu den Entscheidungen, die am Sonntag getroffen wurden, und es ist Sache der FIA, zu entscheiden, wie diese Entscheidungen und Situationen in Zukunft vermieden werden können", forderte Wolff.

Am Mittwoch wurde von der FIA eine Kommission eingesetzt, um die Vorgänge beim Saisonfinale in Abu Dhabi zu untersuchen. "Ich erwarte, dass die Kommission nicht nur mit Worten reagiert, sondern auch zur Tat schreitet und dafür werden wir sie verantwortlich machen. Denn es kann nicht sein, dass sich unser Sport hinter der Unterhaltung anstellt und sich in der Geiselhaft von ad-hoc-Entscheidungen befindet", so der Mercedes-Mann.

Sport vor Unterhaltung

Der Vorwurf von Mercedes lautet: Die Rennleitung habe durch ihre Entscheidungen die normalerweise angewandte Regelauslegung über Bord geworfen und stattdessen darauf abgezielt für eine spannendere WM-Entscheidung zu sorgen. Wolff: "Wir (die Formel 1) liefern Unterhaltung. Aber Unterhaltung muss hinter dem Sport angestellt werden und nicht andersherum. Regeln sind Regeln. Die Konstanz der Anwendung der Regeln ist wichtig und keine Entscheidung soll im Widerspruch zu den Regeln getroffen werden."

Als Beispiel hierfür führt Toto Wolff das Formel-1-Renenn 2020 auf dem Nürburgring auf. "Wie kann es sein, dass vor 14 Monaten beim Eifel-GP genau das Gegenteil von dem als Erklärung verwendet wurde, was am Sonntag passiert ist?", formulierte Wolff die rhetorische Frage. Damals sei eine lange Safety-Car-Phase damit erklärt worden, dass alle Überrundeten sich zurückrunden müssen. In Abu Dhabi durften das nur jene Überrundeten, die sich zwischen Hamilton und Verstappen befanden.

Mercedes legte nach dem Abu-Dhabi GP Protest gegen das Rennergebnis ein., Foto: LAT Images
Mercedes legte nach dem Abu-Dhabi GP Protest gegen das Rennergebnis ein., Foto: LAT Images

Inkonstante Regelauslegung?

Wolff sieht in der derzeitigen Situation nicht nur eine einmalige schlechte Entscheidung, sondern ortet etwas größeres. "Es ist ein umfassenderes Problem, denn wenn man sich die meisten Kontroversen in diesem Jahr ansieht, ging es um Entscheidungen, sportliche Entscheidungen auf der Strecke und die Inkonsequenz bei der Umsetzung der Regeln", schlussfolgerte er.

Wolff: Hätten vor Gericht gewonnen

Ein Fehler-Eingeständnis der Regelhüter gegenüber Mercedes habe es allerdings nicht gegeben. Wolff ist davon nicht überrascht: "Ich denke, dass man in solch einer Situation nicht seine Rechtsposition kompromittieren will, und ich denke, dass der FIA nicht klar war, ob wir die Berufung bis zum Ende durchziehen würden. Deshalb kann man kein Eingeständnis erwarten."

Die Entscheidung die Berufung nicht durchzuziehen sei bei Mercedes vor allem aufgrund der Struktur des International Court of Appeal (ICA) gefallen. "Das Problem ist, wie der ICA strukturiert ist. Die FIA kann nicht ihre eigenen Hausaufgaben benoten. Es gibt einen Unterschied zwischen recht haben und Gerechtigkeit erhalten. Wenn man es von einem rechtlichen Standpunkt betrachtet, wäre es vor einem regulären Gericht fast garantiert gewesen, dass wir gewonnen hätten", behauptete Wolff.