Daran geglaubt hatte Max Verstappen schon längst nicht mehr. "An einem gewissen Punkt sah es sehr schwierig aus. Denn wir hatten nicht die Pace, ich habe keine Möglichkeit gesehen, wie wir es herumreißen können", berichtet der neue Formel-1-Weltmeister - vorbehaltlich gleich zwei Mercedes-Proteste laufen ins Leere - nach seinem erst in der letzten Runde des Abu Dhabi GP errungenen Sieg, der Verstappen gleichzeitig zum Weltmeister krönte.

Zuvor hatte bereits Teamchef Christian Horner im Live-Interview mit Sky noch während des Rennens im Grunde schon das Handtuch geworfen. "Es bräuchte ein Wunder", sagte der Brite. Das kam fünf Runden vor Rennen in Form eines Unfalls von Nicholas Latifi. Safety Car. Mit nur noch einer Runde wurde das Rennen wieder freigegeben. "Am Ende hatten wir dann mit dem Safety Car einen freien Stopp und haben weiche Reifen geholt. Dann war es natürlich eine unglaubliche letzte Runde. Ich hatte natürlich mehr Grip, aber ich musste es noch immer machen. Und das habe ich", betont Verstappen.

Formel 1 Abu Dhabi: Verstappen kassiert Hamilton in letzter Runde

Erschwerend hinzu kam bei dem spielerisch wirkenden Manöver mit frischen Softs gegen einen Hamilton auf abgewetzten harten Reifen ein ungewöhnliches wie unangenehmes Problem im Cockpit. Plötzlich machte bei Verstappen die Beinmuskulatur zu. "Es war ziemlich verrückt", schildert Verstappen. "Ich hatte auch auf dieser ganzen letzten Runde einen heftigen Krampf im Bein. Ich war in Kurve zwei und drei hinter Lewis und hatte einen heftigen Krampf. Ich war voll auf dem Gas, aber hatte kaum noch die Kraft, weiter zu drücken!

Der Bremspunkt für seine Überholstelle rette den Niederländer. Verstappen: "Ich war froh, dass Turn fünf kam, sodass ich bremsen und ein paar Sekunden entspannen konnte!" Doch dann der Härtetest für den starren Muskel. "Dann wieder drauf, was bei den zwei langen Geraden sehr schmerzhaft war", sagt Verstappen. Doch wie einst Ayrton Senna in Brasilien hielt der Niederländer durch. "Aber auf dieser letzten Runde beißt du dich einfach durch. Dann waren es wahnsinnige Emotionen", sagt Verstappen.

Max Verstappen verliert Führung am Start: Verstehe ich nicht

Das Überholmanöver gegen Hamilton selbst ging glatt. "Das war sehr sauber", sagt Verstappen. "Aber insgesamt war es einfach cool und auch hektisch. Dann noch der Krampf da auf der letzten Runde. Das hat die ganze Saison zusammengefasst. Komplett unvorhersehbar und völlig verrückt dieses ganze Jahr!"

Am Start verlor Verstappen gegen Hamilton, Foto: LAT Images
Am Start verlor Verstappen gegen Hamilton, Foto: LAT Images

Losgegangen war es für Verstappen in Abu Dhabi dabei unmittelbar denkbar schlecht. Am Start kam der Niederländer trotz weicherer Reifen viel schlechter weg als Hamilton, der beschleunigte ihn bis Kurve eins aus. "Der Start war echt etwas schwach, ich habe die Kupplung kommen lassen, aber da war einfach kein Grip. Ich weiß nicht warum und dann schoss Lewis schon plötzlich vorbei. Da war echt wenig Grip und ich verstehe nicht warum", rätselt Verstappen. "Das war natürlich nicht ideal."

Verstappen verteidigt erste Attacke auf Hamilton: Kurve bekommen

Seine dann lange Zeit einzige Chance sollte Verstappen allerdings nur sechs Kurven später bekommen. Am Ende der langen ersten Geraden hatte sich der Niederländer im Windschatten Hamiltons herangesaugt und stach mit einem extrem späten Bremsmanöver innen in die Schikane hinein. "Ich hatte einen guten Run und habe es innen versucht. Ich habe mich nicht einmal verbremst, ich habe die Kurve bekommen und habe meine Linie genommen", verteidigt sich Verstappen gegen Vorwürfe, damit habe er Hamilton auch von der Strecke gezwungen.

Verstappen schickt Hamilton weit, Foto: LAT Images
Verstappen schickt Hamilton weit, Foto: LAT Images

So sah es zumindest die Rennleitung. Deshalb gab es keine Ermittlung gegen Hamilton, der nach einem Ausweichmanöver die Strecke abkürzte und vorne blieb. "Er hat sich dann entschieden, in den Notausgang zu fahren. So hat er einen Vorteil gewonnen, weil er ein ganz schönes bisschen vorne war", mosert Verstappen. Mit dem gewonnen Titel ist der Ärger allerdings fast ganz vergessen. "Es ist nichts passiert. Ich habe dann auf mich geschaut und einfach weitergemacht", berichtet Verstappen.

Verstappen adelt Sergio Perez für Hamilton-Blockade

Viel zu holen war mit weichen Reifen hinter Hamilton dann allerdings nicht. "Am Anfang fehlte uns ganz klar die Pace. Ich habe einfach versucht, so lang wie ich konnte an ihm dranzubleiben. Auf welche Weise auf immer", berichtet Verstappen. "Ich war ziemlich allein." Erst nach einem erfolglosen Undercut gegen Hamilton kam Verstappen zurück ins Spiel - weil Teamkollege Sergio Perez draußen geblieben war und Hamilton extrem einbremste. Sechs Sekunden kostete das den Briten. Aus acht Sekunden Vorsprung auf Verstappen wurden zwei.

"Checo hat einen tollen Job, Lewis aufzuhalten. So wurde die Lücke wieder kleiner und es ging wieder neu los", adelt Verstappen den Mexikaner. Dennoch brauchte das Verstappen nur wenig. Zu stark war der Mercedes. "Dann ist er wieder weggezogen", berichtet Verstappen. Erst als Antionio Giovinazzi einen defekten Alfa am Streckenrand parkte und die FIA ein virtuelles Safety Car bestellte, witterte Red Bull wieder eine Chance und steckte erneut frische Reifen auf den RB16B.

Verstappen: Ohne Safety Car keine Chance gegen Hamilton

Doch auch das schien zu verpuffen. "Wir haben dann mit dem VSC etwas anderes versucht, aber das hat nicht funktioniert, weil wir noch immer nicht die Pace hatten", berichtet Verstappen. Ohne das Safety Car hätte er Hamilton niemals einholen können, glaubt der Niederländer. "Nein, ich hätte ihn nicht bekommen. Sie hatten heute zu viel Pace im Auto. Selbst mit frischeren Reifen sah es nicht so aus, als wäre es passiert", sagt Verstappen. "Aber dann wurde es am Ende natürlich ziemlich verrückt mit dem Safety Car und dem Restart auf der letzten Runde."

Nur von Glück will Verstappen allerdings nicht sprechen. Vor allem dank der Perez-Blockade und eigenem bedingungslosem Pushen habe er Hamilton immerhin auch die Möglichkeit versagt, bei einem Safety Car selbst Reifen wechseln zu können, ohne die Position an Verstappen zu verlieren, wäre der Niederländer draußen geblieben. "Natürlich sah es nicht toll aus. Aber ich habe mir immer selbst gesagt, bis zum Ende zu pushen. Ich wollte nicht, dass es zu leicht aussah. Und das hat mich auch in der Reichweite gehalten, sodass sie keinen freien Stopp unter dem Safety Car machen können", sagt Verstappen.

Verstappen über Mercedes-Protest: Passt zur Saison

Das wurde belohnt. Das Safety Car brauchte Verstappen zurück ins Spiel - und dank der unverhofften Freigabe in der letzten Runde auch den WM-Titel. Mercedes' Proteste dagegen - besser gesagt, den späten FIA-Call zum Zurückrunden Überrundeter - hält Verstappen für legitim. "Alles war frei, also warum noch eine Runde hinter dem Safety Car?", fragt Verstappen. "Und wenn alles geräumt ist, musst du die Strecke freigeben. Damit lag die Rennleitung nur richtig. Es lief für mich, aber sowas kann auch gegen dich laufen. Das weiß ich ..."

Der zweite Protest richtet sich gegen Verstappen selbst. Er soll Hamilton am Ende der Safety-Car-Phase um eine Nasenspitze überholt haben. "Du versuchst da natürlich darauf zu reagieren, was er macht. Du versuchst natürlich, da nicht zu weit weg von ihm zu sein", schildert Verstappen diesen Moment des Reifenaufwärmens im Hotel-Abschnitt. Der Protest? "Dazu habe ich nicht wirklich was zu sagen. Das fast auch wieder diese Saison zusammen ..."