Sie haben gesagt, dass es nach dem letzten Formel-2-Rennen Zeit für eine Fahrerentscheidung wird. Warum hat es nun so lange gedauert?
Frederic Vasseur: Es ist kein Geheimnis, dass das Unternehmen mit einige Investoren in Gesprächen war und das wäre zwar kein Game-Changer gewesen, hätte aber eine neue Situation sein können und wir haben die Entscheidung dadurch ein bisschen verschoben. Aber kurz nach Ende der Diskussionen mit diesem potenziellen Investor, sind wir wieder vorangegangen. Wir hätten es jetzt nicht bis zum letzten Formel-2-Event verschoben. Wir waren in Spa, Monza und in Sotschi. Dann gab es die Gespräche mit dem Investor und in der Folge habe wir das Ganze in einer Woche vorangetrieben.

In der Pressekonferenz in Katar haben Sie schon etwas über Antonio Giovinazzi gesprochen. Wann und wie haben Sie ihm das Aus erklärt?
Frederic Vasseur: Ich war sehr deutlich und bin direkt zum Punkt gekommen, dass wir eine Entscheidung getroffen haben und diese Entscheidung aus meinem Blickwinkel eine gute und die beste ist. Ich habe Antonio für die drei Saisons gedankt, die wir zusammen bestritten haben. Natürlich war es ein bisschen ein Rauf und Runter, das hat aber jeder, jedes einzelne Team und in einer Zusammenarbeit hast du immer Up und Downs. Ich möchte aber ein positives Bild und eine positive Beziehung mit Antonio behalten. Wir müssen professionell sein. Wir befinden uns in einer kleinen Welt, in der wir möglicherweise noch in der Zukunft zusammenarbeiten werden - hier oder woanders. Du musst nicht überreagieren, ich kann aber verstehen, dass Fahrer überreagieren können.

Was war die Begründung, die Sie ihm genannt haben, dass Sie sich gegen ihn entschieden haben? Dass er einfach nicht schnell genug ist?
Frederic Vasseur: Nein. Ich denke, es ist eine globale Entscheidung, da wir in der Formel 1 eine neue Reise starten und wir eine Entscheidung treffen müssen. Die Entscheidung basiert auf der puren Performance des Teams für 2022. Meine Aufgabe ist es, darauf zu schauen, was die beste Option sein könnte. Ziel ist es, zu performen. Und die Säule der Performance basiert auf der Performance der Strecke, des Fahrers, der technischen Zusammenarbeit, auf technische Beziehungen, reine Beziehungen und das Budget. Wenn du alle zusammenfügst, dann denke ich, dass unsere Entscheidung eine gute war.

Wie schwer wiegen diese jeweiligen Säulen? Wo rankt beispielsweise die Performance des Fahrers?
Frederic Vasseur: Es ist, wie wenn du über die Auto-Performance sprichst. Die kommt von der Aerodynamik, dem Motor, den Reifen, der Streckencharakteristik. Wenn eines dieser Dinge nicht funktioniert, bist du erledigt. Ich denke, für die Performance des Teams ist es die gleiche Geschichte.

Waren die Aussagen von Antonio unfair, weil es kein Geheimnis ist, dass er in der Vergangenheit auch einen Vorteil hatte, ein Italiener und ein Ferrari-Fahrer zu sein?
Frederic Vasseur: Darauf will ich nicht eingehen. Das ist Ihre Sichtweise, aber meine ist, dass ich bei meinem Punkt bleiben werde und sage: 'Okay, Antonio, wir haben eine Entscheidung getroffen. Danke für den Job, den du getan hast. Jetzt müssen wir eine neue Seite aufschlagen und ich hoffe, wir werden weiterhin eine Beziehung zueinander haben.' Ich werde mich nicht über die Kommentare von Antonio beschweren, weil ich verstehen kann, dass sowas für einen Fahrer emotional sein kann.

Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath neben Alfa-Romeo-Teamchef Frédéric Vasseur, Foto: Motorsport-Magazin.com
Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath neben Alfa-Romeo-Teamchef Frédéric Vasseur, Foto: Motorsport-Magazin.com

Wären Sie ohne die Verpflichtung von Zhou in der Lage, am Limit des Budget Cap zu operieren?
Frederic Vasseur: Nein, wir befinden uns heute unter dem Budget Cap.

Sind sie zuversichtlich, dass Sie so ans Limit des Budget Cap kommen?
Frederic Vasseur: Nein, ich möchte auch keine Zahlen nennen. Versuchen Sie nicht, auf diesen Weg etwas aus mir herauszubekommen (lacht). Es ist aber sicher, dass es eine Unterstützung dabei sein wird. Und es ist nicht das, was Zhou bringt. Ich denke aber, dass es einen großen Trubel gibt. Ich denke, dass es für das Unternehmen eine riesengroße Möglichkeit ist! Denn in den vergangenen Wochen haben mehr Sponsoren angerufen als in den letzten 25 Jahren. Für das Unternehmen, für alle Sponsoren - auch die aktuellen Sponsoren - ist es auch eine große Möglichkeit und wir werden in diese Richtung gehen. Es gibt etwas Verwirrung darüber, woher das Budget kommt. Ich denke aber, für uns, für das Unternehmen und auch für die anderen Teams oder die Formel 1 im Generellen ist das eine große Möglichkeit. Für mich könnte das funktionieren, wenn Zhou auf der Strecke performt. Und es geht immer um eine Balance. Sieh dir an, was er jetzt in der Formel 2 macht. Ich bin überzeugt davon, dass er das auch in der Formel 1 kann.

In der Vergangenheit hatte Alfa ein Mitspracherecht beim Fahrer - das ist jetzt nicht mehr so. War es diesmal allein Ihre Entscheidung?
Frederic Vasseur: Es ist eine Entscheidung des Unternehmens. Die Teilhaber sind auch involviert.

Wie kompliziert war es, alles mit Alpine über Zhou zu verhandeln?
Frederic Vasseur: Das geht mich nichts an (lacht). Ich weiß es nicht genau, denn wir wollen einen Fahrer, der frei von einer Management-Situation ist und er war es. Ich kenne die Beziehung zwischen Alpine und Zhou nicht. Das ist überhaupt nicht meine Angelegenheit. Ich weiß, dass er bis zum Ende des Jahres einen Vertrag hat, weil er mit der Alpine-Akademie in der Formel 2 unterwegs ist. Sie waren aber fair genug, uns darüber diskutieren zu lassen, ob wir früher mit ihm anfangen können. Sie waren da sehr offen. Ich kenne aber ihre Beziehung zueinander nicht.

Über die Vertragslaufzeit wollten Sie nicht sprechen. Warum?
Frederic Vasseur: Es gibt im Vertrag eine Klausel zur Verschwiegenheitspflicht. Wenn wir so eine Klausel in den Vertrag schreiben, dann aus guten Gründen.

Guanyu Zhou fuhr 2021 für Alpine bereits im Training, Foto: LAT Images
Guanyu Zhou fuhr 2021 für Alpine bereits im Training, Foto: LAT Images

Sie meinten, es sei aufgrund des Regelumbruchs kein Problem, zwei neue Fahrer im Team zu haben. Wer ist nun die Benchmark?
Frederic Vasseur: Zunächst einmal kenne ich Valtteri ziemlich gut. Er hat Pole Positions geholt - seit Monza hat er genauso viele Poles wie Lewis Hamilton geholt. Ich denke, dass das eine gute Benchmark ist (lacht). Und ein weiterer Grund, warum wir diese Richtung eingeschlagen haben, ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob es Sinn macht, nach 2021 eine gewisse Kontinuität zu haben, obwohl das Auto so anders sein wird. Du brauchst allerdings wenigstens jemanden mit viel Formel-1-Erfahrung. Ich denke, dass es schwierig wäre, mit zwei Rookies an den Start zu gehen. Auch, weil wir nur sechs Testtage haben werden - das ist verrückt. Aber in Sachen Kontinuität nach 2021 ist es für mich kein Drama.

Sie haben in Bezug auf Antonio erwähnt, dass das hier eine kleine Welt ist man sich möglicherweise zweimal sieht. Besteht die Möglichkeit, dass er dem Team als Test-, Simulatorfahrer oder in einer anderen Position erhalten bleibt?
Frederic Vasseur: Das müssen wir diskutieren.

Wären Sie dafür offen?
Frederic Vasseur: Das müssen wir auch diskutieren (lacht).