1. - S wie Startaufstellung

Der Sprint hat bei seiner dritten Austragung an einem Formel-1-Rennwochenende in Brasilien das getan, was sich seine Erfinder immer erhofft hatten: Die Startaufstellung schön durcheinandergewirbelt. Valtteri Bottas, im Qualifying nur Drittschnellster, steht plötzlich auf der Pole, während ein um die WM kämpfender Verstappen mit einem passiven Samstag einen verlorenen Startplatz in Kauf nahm und nun von P2 losfahren wird.

Dahinter folgt eine bunte Mischung. Carlos Sainz stürmte in die zweite Startreihe, Sergio Perez musste einstecken und steht nur mehr auf P4. Lando Norris hat sich an Charles Leclerc vorbeigeschoben. Pierre Gasly war großer Verlierer, aus P4 im Sprint wurde P7 im Grand Prix. Neben ihm einer der großen Gewinner, Esteban Ocon.

Dann erst folgt, neben Sebastian Vettel, Lewis Hamilton wegen Motorstrafe in Reihe fünf, vor Daniel Ricciardo, Fernando Alonso, Antonio Giovinazzi, Lance Stroll, Yuki Tsunoda, Nicholas Latifi, George Russell, Kimi Räikkönen, Mick Schumacher und Nikita Mazepin. Fazit: Nach dem Sprint sind die Autos bei weitem nicht mehr nach ihrer Pace und ihrem Potenzial gereiht.

2. - S wie Start

Dank Sprint haben alle bereits Übung, wie es in der ersten Kurve abläuft, und auch wenn es nur 195 Meter bis zur ersten Kurve sind, so sind Angriffe hier gut möglich. Die seltener befahrene Innenbahn bietet im Grid trotzdem guten Grip, und da die Zielgerade ganz leicht den Berg hoch geht, zählt der Start hier sowieso zu den schwierigeren im Kalender, bei dem man viel verlieren oder gewinnen kann.

Ist das Feld erst einmal im Senna-S, so gibt es durch den ganzen ersten Sektor Optionen für Attacken und Konter. Das S selbst bietet, als Links-Rechts-Links-Kombination, schon sehr diverse Linienführungen, und wer sein Auto hier richtig positioniert, kann hin zu Kurve vier, vielleicht sogar den Berg hoch bis zu Kurve sechs weiter attackieren. Auslaufzonen sind da, und asphaltiert - aber münden irgendwann in Grasstreifen. Abkürzen birgt also Gefahren mit sich.

3. - S wie Strafe

Alle Augen liegen natürlich wieder auf Lewis Hamilton. Der kämpfte sich nach seiner Disqualifikation im Sprint von P20 auf P5, aber seine Motor-Strafe schiebt ihn wieder zurück auf den zehnten Startplatz. Aber seine Sprint-Performance sorgt im Mercedes-Lager für Zuversicht, und im Red-Bull-Lager für Angst. Von P10 bis zur Spitze ist es nicht mehr weit.

Dass Hamilton so schnell wieder in die Top-fünf hochschoss, ließ Toto Wolff am Samstag verlautbaren: "Wir haben definitiv nicht mit den Reifen gelitten. Morgen wird eine andere Angelegenheit, weil es viel heißer wird, aber die Überholmanöver waren richtig beeindruckend." Um den Sieg zu kämpfen wird nicht einfach, aber Mercedes scheint sich nun erst recht sicher: Hier die Motorstrafe zu nehmen war richtig.

4. - S wie Strategie

Im Sprint hielten die Soft-Reifen ohne signifikante Probleme die 24-Runden-Distanz durch. Im 71 Runden langen Rennen dürfte das schwieriger werden, denn eine frühere Startzeit bedeutet höchstwahrscheinlich einen starken Temperaturanstieg. Pirelli rechnet fest mit einer Zweistopp-Strategie.

Bei der Reifenwahl ein wichtiger Faktor: Aufgrund des Sprints ist sie für alle 20 Fahrer frei. Ein Start auf Medium scheint in diesem Szenario wie so oft wahrscheinlich, wenngleich der Soft-Reifen im Sprint wie angesprochen seinen Wert als Startreifen gezeigt hat. Valtteri Bottas und Carlos Sainz schafften es dadurch, Positionen gutzumachen. Das Risiko kann es für das Mittelfeld durchaus wert sein.

Red Bull könnte sich an der Spitze dank zweier Autos in einer guten Position finden - sofern Perez es schafft, sich hinter Verstappen und Bottas einzureihen. Im Sprint scheiterte er 24 Runden lang an Carlos Sainz. Hält er aber den Anschluss, schafft er Red Bull in einem Zwei-gegen-Einen-Szenario strategische Optionen.

5. - S wie Speed

Der Topspeed wird im Rennen ein entscheidender Faktor: Die lange Bergauf-Gerade bis zur ersten Kurve belohnt Autos mit Power, und davon hat besonders Hamilton mit seinem neuen Mercedes-Motor viel. Red Bull hingegen präsentiert sich schon das ganze Wochenende schwach. Trotz Reifen-Vorteil am Ende des Sprints schaffte es Verstappen nicht an Bottas vorbei. Ist der Mercedes erst einmal vorne, bedeutet das also Probleme. Überholen kann Verstappen wohl nur durch Strategie - entweder an der Box, oder mit massivem Reifen-Vorteil.

Carlos Sainz im Ferrari war im Sprint Störer, Foto: LAT Images
Carlos Sainz im Ferrari war im Sprint Störer, Foto: LAT Images

Sogar die Ferraris könnten - etwas überraschend - hier zum Störfaktor werden, ihre Topspeed-Messungen sind schon das ganze Wochenende gut. Sergio Perez biss sich trotz DRS den ganzen Sprint lang an Carlos Sainz die Zähne aus.

6. - S wie Sonntagswetter

Den größten Einfluss auf die Strategie wird in Brasilien das Wetter haben. Eine Eigenheit von Interlagos ist, dass die Streckentemperatur sehr, sehr variabel ist. Im spätnachmittäglichen Sprint fuhr man bei nur 18 Grad auf 30 Grad heißem Asphalt. Für den mittäglichen Grand Prix sind hingegen nur leichte Bewölkung und 23 Grad Lufttemperatur angesagt. Damit sind Streckentemperaturen über 50 Grad zu erwarten.

Red Bull kämpfte bei kühlen Bedingungen an diesem Wochenende regelmäßig mit der Vorderachse, ist sich aber sicher: Je heißer, desto größer wird ihr Vorteil beim Verschleiß der Hinterreifen. "Wir haben all unser Abstimmungsverhalten aufs Rennen ausgelegt und sind da optimistisch gestimmt", verkündet Motorsportchef Dr. Helmut Marko gegenüber dem ORF. Beim Sprint sei man noch nicht bei den benötigten Temperaturen gewesen.

7. - S wie Sieger

Vier aktive Piloten - Vettel, Hamilton, Räikkönen, Verstappen - haben in Brasilien bereits gewonnen. Vor dem Start ins Wochenende galt Verstappen als Favorit, und Interlagos als Red-Bull-Strecke. Doch das schnellste Auto war bislang das ganze Wochenende lang das von Lewis Hamilton.

Viel wird davon abhängen, ob die hohen Temperaturen Red Bull wirklich so sehr entgegenkommen, wie das Team hofft. Wenn das der Fall ist - oder Verstappen und Perez sich ihre ursprünglichen Plätze eins und drei beim Start zurückholen - stehen die Chancen gut. Valtteri Bottas als Einzelkämpfer hat eine schwere Aufgabe vor sich. Lewis Hamilton ist sicher nicht Favorit, aber Wildcard.