Der entscheidende Moment im Formel-1-Rennen in Mexico spielte sich in mehrerlei Hinsicht am Start ab. Max Verstappens konsequentes Überholmanöver gegen die Mercedes-Teamkollegen war die eine Schlüsselszene, der Unfall von Daniel Ricciardo mit Valtteri Bottas die andere. Das Rennen von Lewis Hamiltons Edelhelfer war nach dem Rammstoß durch den Australier schon nach der ersten Kurve im Eimer. Was die Fahrer n an diesem Sonntag lange beschäftigte, war für die Offiziellen schnell abgehandelt. Die FIA leitete zur Überraschung aller Beteiligten nicht einmal eine Untersuchung ein.

"Es waren natürlich ziemlich traurige 70 Runden, wenn du schon in der ersten Runde an die Box musst und weißt, dass du ziemliches Glück brauchst, damit das Rennen nochmal irgendwie in deine Richtung läuft", so Ricciardo, der die Zielflagge auf einem undankbaren zwölften Platz sah. Dabei waren die ersten Meter des 18. Saisonrennens für ihn äußerst vielversprechend verlaufen. Vom siebten Startplatz aus katapultierte er sich geradewegs in die Spitzengruppe, bevor das Unheil seinen Lauf nahm.

In der ersten Kurve verbremste er sich bei der Attacke auf Sergio Perez und touchierte daraufhin Bottas am rechten Hinterrad. "Vor dem Anbremsen war ich, ich möchte nicht sagen übermotiviert, aber ich habe mich ziemich gut gefühlt und dann ging es ganz schnell", erklärt Ricciardo. Der Finne drehte sich und fiel ans Ende des Feldes zurück, während der McLaren-Pilot mit einem beschädigten Frontflügel zum Reparaturstopp kommen musste.

Ricciardo plagte das schlechte Gewissen

"Als ich ihn berührt hab, war ich mir nicht einmal sicher, ob etwas kaputtgegangen ist. In der zweiten Kurve hatte ich dann aber keinen Grip und ich wusste, dass etwas nicht stimmt", so Ricciardo. Neben seinem in diesem Moment ruinierten Rennen beschäftigte ihn in der Folge auch die Schuldfrage, die er sich aus seiner Erinnerung nicht wirklich beantworten konnte.

"Ich erinnerte mich daran, dass ich mich verbremst hatte und habe mir die Szene über viele Runden immer wieder durch den Kopf gehen lassen", sagt er. Damit setzte er sich deutlich intensiver damit auseinander als die Offiziellen, von denen es keine Reaktion auf die Szene gab. "Ich denke, die Stewards hätten sich das an diesem Punkt anschauen sollen. Rückblickend ist es überraschend, dass sie nicht über eine Strafe nachgedacht haben", so Mercedes-Teamchef Toto Wolff.

Der Österreicher war damit nicht alleine, weshalb sich Formel-1-Rennleiter Michael Masi hinterher den bohrenden Fragen der Journalisten zu diesem Thema stellen musste. Gerade vor dem Hintergrund der in der Türkei gegen Pierre Gasly für einen vermeintlichen Rennunfall ausgesprochenen Strafe, warf die fehlende Aktion der Stewards Fragen auf.

Verstappen behindert Bottas! War das Manöver legal? (16:37 Min.)

Michael Masi rechtfertigt fehlende Aktion der Stewards

"Man muss sich jeden Zwischenfall gesondert anschauen, und wie er abgelaufen ist. Zunächst einmal war es in der Türkei nass, hier war es trocken. Es ist eine völlig andere Kurve, da gibt es viele Dinge", erklärte der Australier. In Istanbul wurde Gasly im Sandwich zwischen Perez und Alonso mehr oder weniger in die Kollision gezwungen und dafür bestraft. Obwohl es sich bei Ricciardo und Bottas um einen scheinbar offensichtliche Auffahrunfall handelte, spricht Masi den McLaren-Fahrer frei.

"Wenn wir uns den Abstand der Autos anschauen, wo sie sich im Vergleich zueinander aufhalten, kommen da einige unterschiedliche Faktoren zum Tragen. Die Ansicht der Stewards war in diesem Fall, dass es ein Rennzwischenfall in Kurve eins war", sagt er. Von willkürlichen Entscheidungen will er nichts wissen: "Nein, ich denke nicht, dass es an Konstanz mangelt, da man sich alles auf Basis bestimmter Werte anschauen muss."

Ricciardo spricht sich selbst frei: Alles unter Kontrolle

Nachdem er nicht von den Stewards belangt wurde, erleichterte Ricciardo sein Gewissen nach dem Rennen anhand des Replays: "Ich bin natürlich enttäuscht und auch sehr hart mit mir selbst. Ich will mein Rennen niemals in der ersten Runde zerstören. Aber wenn es irgendwie möglich ist, sich etwas besser zu fühlen, fühle ich mich nach dem Anschauen der Wiederholung etwas besser."

Anhand der Fernsehbilder sprach er sich selbst frei. "Ich habe zuerst die Räder blockiert, aber es dann korrigiert. Ich denke, als wir am Scheitelpunkt ankamen, hatte ich es unter Kontrolle. Ich sah wie die Lücke sich schließt und habe versucht es zu verhindern, aber es war zu spät", sagt er. Bottas' Linie ließ ihm keine Chance. "Valtteri kam rüber und hat wohl erwartet, freie Bahn zu haben, aber dann waren Perez und ich dort."

Dem Unfallgegner will er damit aber keineswegs die Verantwortung unterschieben. "Ich gebe Valtteri natürlich keine Schuld, denn natürlich bin ich ihm reingefahren", stellt er klar. "Vielleicht war ich etwas optimistisch, aber das war eine dieser Lücken, in die du gehen musst. Ansonsten macht es ein anderer und du ziehst den Kürzeren."

McLaren rügt verpasste Chance

Den Kürzeren zogen am Ende er und sein Team. McLaren verlor gegenüber Ferrari 17 WM-Punkte und ist damit auf 13,5 Zähler hinter die Italiener zurückgefallen. "Es war sehr schade, dass wir Daniel in der ersten Kurve verloren haben. Wir haben wieder gesehen, dass wir vor Ferrari hätten bleiben können", klagt McLaren-Teamchef Andreas Seidl.

Im späteren Rennverlauf trafen sich Ricciardo und Bottas im Mittelfeld wieder und der Australier schaffte es, seinen Verfolger im Mercedes souverän in Schach zu halten. "Irgendwie war ich froh, ihn hinter mir halten zu können, aber andererseits war ich enttäuscht. Wir konnten einen Mercedes aufhalten, aber wir haben nur um Platz 15 gekämpft. Normalerweise bist du viel weiter vorne, wenn du gegen sie fährst. Das hat es nur noch schmerzhafter gemacht", so Ricciardo.