Mercedes steht unter Druck. Zum ersten Mal in der Hybrid-Ära der Formel 1 gehen die Dauersieger nicht als Führende in der Fahrer-WM in die letzten fünf Saisonrennen. Ein großer Faktor sind dabei Motorprobleme. Etwas überraschend, war das Team seit der Einführung der neuen Motor-Regeln von 2014 für eine nahezu perfekte Balance aus Zuverlässigkeit und Performance bekannt.

Damit ist es 2021 vorbei. Unter dem WM-Druck mussten sowohl Lewis Hamilton als auch Valtteri Bottas im Reglement festgeschriebene Komponenten-Limits überschreiten und Startplatz-Strafen in Kauf nehmen. Bottas hat gar den sechsten von nur drei erlaubten Verbrennungsmotoren im Heck. Ob Hamilton straffrei durchkommt, ist immer noch nicht klar. Und die Ursachenforschung läuft weiter.

Wolff verteidigt neue Mercedes-Motorenspitze

Für Mercedes' bislang kugelsichere Motorenabteilung ist es die schwierigste Situation seit Jahren. Die kommt ausgerechnet nach einem Wechsel an der Spitze: Andy Cowell, Motorenguru und langjähriger Chef von Mercedes High Performance Powertrains, nahm im Vorjahr seinen Abschied. 2021 ist das erste Jahr unter der Aufsicht des nun zum neuen Leiter beförderten Hywel Thomas.

Thomas' erstes Jahr ist nun ein Jahr, in dem die direkte Konkurrenz von Honda die Motorenlücke fast schließt, Mercedes zwingt, alle Limits auf der Suche nach mehr Leistung auszureizen, und in dem die Motoren plötzlich schwächeln. Motorsport-Chef Toto Wolff wehrt aber entschieden ab, dass die Probleme etwas mit personellen Abgängen zu tun hätten: "Andy ist ganz klar eine herausragende Persönlichkeit, und hat in seinen Tagen viel beigetragen, aber das gilt auch für Hywel und für alle neben ihm."

"Die Stärke der Organisation ist ihre Tiefe", so Wolff, der die Mercedes-Motorenabteilung nach dem Führungswechsel noch immer als sehr stark besetzt einschätzt. Thomas war wie Cowell jahrelang bei Mercedes beschäftigt, ehe er befördert wurde. "Ich habe hundertprozentiges Vertrauen in die Struktur, die wir haben. Motorentwicklung geschieht nicht über Nacht - es gibt lange Vorlaufzeiten, wenn was schiefgeht."

Mercedes bangt um Motoren: Bottas nur mit Pech?

Auch deshalb muss bei den Problemen fünf Rennen vor Schluss das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Selbst nachdem Lewis Hamilton beim vierten Verbrennungsmotor angekommen ist, und Valtteri Bottas gar beim sechsten. In Austin gestand Mercedes noch, dass die Probleme noch nicht einmal vollends verstanden wurden.

Valtteri Bottas musste sich bereits mehrmals durchs Mittelfeld kämpfen, Foto: LAT Images
Valtteri Bottas musste sich bereits mehrmals durchs Mittelfeld kämpfen, Foto: LAT Images

"Wir jonglieren Performance und Zuverlässigkeit bis zum Schluss", erklärt Mercedes-Chefingenieur James Vowles nach dem Rennen. "Ein Ausfall, egal ob aufgrund des Chassis oder der Power Unit, wäre für die Meisterschaft katastrophal." Daher nahm man in Austin lieber erneut fünf Strafplätze bei Bottas in Kauf.

Der bezahlte das mit einem schwierigen Rennen und nur einem sechsten Platz. War danach aber vorsichtig optimistisch: "Ich hoffe echt, dass wir jetzt damit fertig sind. Ich glaube, die beiden Motoren, die ich noch in meinem Motor-Pool habe, sind okay. Bei denen haben wir keine Probleme gefunden, also hoffe ich, dass ich bis zum Schluss ohne weitere Strafen durchkomme." Einmal verbaut, dürfen die Komponenten nach Belieben durchgetauscht werden.

Mercedes bleibt im WM-Finale unter Druck

Bottas' Aussagen unterstreichen aber auch: Von sechs Verbrennungsmotoren sind vier nicht mehr verwendbar. Darunter einer der drei, die Bottas seit Monza erhalten hat. "Ich glaube, ich hatte einfach ein bisschen mehr Pech", glaubt er, der auch gesteht: "Sie haben es durch alle Zuverlässigkeits-Checks geschafft, bevor sie verbaut wurden. In der Theorie hätten sie okay sein sollen."

Niemand aus dem Mercedes-Lager gibt also Garantien ab, wie sich die Geschichte bis Abu Dhabi entwickeln wird. Nur mehr zwei Mercedes-motorisierte Fahrer - Lance Stroll und Lando Norris - entkamen bislang Strafen. "Wir sind hart am Limit, alle Kunden zu beliefern, das ist nicht trivial", so Toto Wolff in Austin. Und die Sorgen bleiben.