So nah und doch so fern war Alfa Romeo Racing den Punkterängen auch beim Großen Preis der USA. Zum bereits sechsten Mal in dieser Saison beendete der bestplatzierte Sauber-Fahrer, diesmal Antonio Giovinazzi, ein Rennen auf dem undankbaren elften Rang. Sechs Runden vor dem Rennende sah die Welt noch anders aus: Teamkollege Kimi Räikkönen fuhr als Zehnter vor Giovinazzi auf Punktekurs. Doch nach einem schwachen Qualifying und einem bis dahin starken Rennen unterlief dem Rekordstarter plötzlich ein fataler Fehler.

In Kurve sieben flog der Finne völlig unvermittelt einfach ab. In der schnellen Rechtskurve der S-Kurven im ersten Sektor brach Räikkönen das Heck aus, sein C41 rauschte durch das Kiesbett. Sebastian Vettel und Antonio Giovinazzi zogen sofort vorbei, Lance Stroll folgte drei Runden später. Mit ruinierten Reifen war der Alfa Romeo nun ein leichtes Opfer. Gerade so rettete sich Räikkönen noch auf Platz 13 vor George Russell ins Ziel. Der Alfa-Punkt war futsch, auch Giovinazzi konnte nichts mehr ausrichten. Der Italiener befand sich ohnehin im Rückwärtsgang, war erst kurz zuvor von Vettel kassiert worden.

Räikkönen-Reifen nach Tsunoda-Jagd am Ende

Der Deutsche war es auch, der Räikkönen in seinen Fehler trieb. Durch einen sieben Runden späteren Stopp gegen über dem Finnen verfügte Vettel in der Schlussphase des Rennens über die besseren Reifen als beide Alfa Romeo. Rundenlang leistete Giovinazzi erbittert Gegenwehr, doch in Runde 50 musste sich der Italiener geschlagen geben. Nun blies Vettel auch zur Jagd auf seinen ehemaligen Teamkollegen.

Räikkönen wusste sofort welche Stunde geschlagen hatte - und versuchte alles, um Vettel außerhalb des DRS-Fensters zu halten. Das überforderte die abgewetzten Pirelli-Reifen am C41 des Finnen. "Er hat seit Beginn des Stints ziemlich hart gepusht, um Tsunoda zu überholen", erklärt Xevi Pujolar, leitender Renningenieur bei Alfa Romeo, auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Der Japaner fuhr weite Strecken des Grand Prix unmittelbar vor Räikkönen. "So haben die Reifen mehr aufgebaut und in dieser Highspeed-Sektion hat er dann auch gepusht, um die Pace zu halten und sicherzustellen, dass Vettel nicht zu nah herankommt. Dabei hat er dann leider einfach das Auto verloren."

Antonio Giovinazzi hält Vettel auf

Ein technischer Defekt sei für den plötzlichen Ausrutscher nicht verantwortlich gewesen. "Er hatte zu diesem Zeitpunkt einfach mit den Reifen zu kämpfen, auch die Balance hatte sich verschoben", berichtet Pujolar. Deshalb gingen alle Beteiligten davon aus, dass Vettel den Finnen auch ohne Dreher wohl überholt hätte. Nur eine kleine Resthoffnung bestand. "Wir haben gedacht, dass es vielleicht nicht unmöglich war, Vettel zu halten, weil er so viele Runden gebraucht hat, um Antonio zu überholen", sagt Pujolar. "Leicht wäre es aber sicher nicht geworden."

Eine Chance hätte es aber gegeben, so Pujolar: "Vettel musste beim Versuch, Antonio zu überholen, seine Reifen sehr belasten. Da haben wir gehofft, dass es gegen Kimi kniffliger wird, auch wegen seiner Erfahrung. Antonio hat einen guten Job gemacht, ihn aufzuhalten, aber Kimi hat viel Erfahrung. Das haben beide [Vettel]. Es wäre ein schöner Fight geworden."

Räikkönen kämpft gegen Alonso: Kollision zerstört Unterboden

Gänzlich auf schöne Fights unter Routiniers musste die Formel 1 in Austin allerdings nicht verzichten. Nach den ersten Boxenstopps lieferte sich Räikkönen in Kurve eins ein knallhartes Duell mit Fernando Alonso. In Kurve eins zog der Finne in Runde 16 wieder am Spanier vorbei. Zuvor war Alonso per Undercut vorbeigegangen. Während Alonso monierte Räikkönen habe die Strecke verlassen und sich einen Vorteil verschafft, sahen das die Stewards anders und sahen von einer Untersuchung ab. "Man kann es von zwei Seiten sehen. Strecke verlassen und Vorteil verschaffen [Räikkönen] oder jemanden abdrängen [Alonso]", kommentiert Rennleiter Michael Masi die in seinen Augen grenzwertige Szene.

Alonso schimpft über Überholregeln in der Formel 1! (22:16 Min.)

Den Boxenstopp-bereinigten zehnten Platz hatte Räikkönen damit zwar gewonnen, allerdings kostete der Zweikampf den Finnen Teile seines Unterbodens auf der linken Seite. Auswirkungen auf die Balance habe das zwar kaum gehabt, berichtet Räikkönen. "Aber es schien so, dass unsere Reifen danach stärker abbauten als im ersten Stint. Am Ende des Rennens hatte ich kaum noch Hinterreifen übrig als ich versucht habe, hart zu pushen, um vor Sebastian zu bleiben", sagt der Finne. Diese Vorgeschichte spielte also in den Dreher zu Rennende hinein. Kimi: "Schade, dass wir keinen Punkt mitnehmen konnten."

Alfa Romeo: Schaden kostete einige Zehntel pro Runde

Noch dazu kostete der Schaden Räikkönen durchaus Zeit. "Wir denken, dass wir bei Kimi ein paar Zehntel [pro Runde] verloren haben, seit wir den Schaden am Unterboden und auch am Flügel hatten", berichtet Pujolar. Schneller als Teamkollege Giovinazzi war der Finne zunächst dennoch. In Runde 19 wies Alfa Romeo den Italiener daher zum Platztausch an. Räikkönen traute man eher zu, noch etwas nach vorne auszurichten. Anders als in der Türkei widersetzte sich Giovinazzi nicht. "Wir haben als Team eine großartige Arbeit geleistet. Ich habe mit Kimi die Plätze getauscht, weil er in dieser Phase des Rennens schneller war. Und das hätte sich fast ausgezahlt", sagt Giovinazzi.

Diesmal wurde Giovinazzi offenbar auch im Vorfeld informiert, bei einem Misserfolg später seine Position zurückzuerhalten. "Wir haben als Team gearbeitet und haben an einem Punkt die Position getauscht", berichtet Pujolar. "Das wollten wir am Ende wieder zurücktauschen." Durch Räikkönens Dreher erledigte sich das von selbst. Eine andere Gelegenheit habe man zuvor nicht gehabt, so Pujolar - obwohl Räikkönens Reifenprobleme zunahmen.

Teamchef Vasseur: Hatten heute einen Punkt verdient

"Antonio war am Ende dann leicht schneller und wir dachten, dass wir tauschen könne, wenn er näherkommt. Aber vorne war Tsunoda, da wollten wir die Lücke nicht größer machen. Und von hinten kam Vettel. Wir hatten nicht genug Spielraum für das Manöver", erklärt Pujolar. Zuvor hatte Giovinazzi durch zwei Duelle mit Alonso viel Zeit und am Ende einen Platz verloren. "Ich hatte einen guten Kampf mit Fernando, aber an diesem Punkt hatte ich sehr mit den Reifen zu kämpfen. Da haben wir unsere Chance auf Punkte verloren", sagt Giovinazzi. "Ich habe versucht, ihn hinter mir zu halten, aber schlussendlich war er einfach schneller. Es ist immer schön, mit einem Weltmeister wie ihm kämpfen zu können."

So ging letztlich alles daneben. Alonso fiel zwar mit einem Heckflügelschaden aus, doch stattdessen überholte Vettel Giovinazzi. "Der letzte Stint war ziemlich gut, aber dann war es zu spät. Sebastian war am Ende schneller als ich. Es ist enttäuschend, denn ich bin wieder [wie in der Türkei] Elfter, nur eine Position außerhalb der Punkte", sagt der 27-Jährige. Dann drehte sich Räikkönen. "Das Team hätte heute wenigstens einen Punkt verdient. Natürlich ist es enttäuschend, wenn er so kurz vor dem Ziel aus den Händen gleitet", klagt Teamchef Frederic Vasseur.

Alfa Romeo weiter 16 Punkte hinter Williams

Einzig die Pace erfreute den Franzosen einmal mehr. Einmal mehr sprang dabei allerdings auch nichts Zählbares heraus. Bei nur noch fünf zu fahrenden Rennen schwinden die Chancen, Williams doch noch abzufangen, zunehmend. 16 Punkte fehlen den Hinwilern auf die Truppe aus Grove.