Lange auf sich warten ließ Ferrari auch die zweite überarbeitete Power Unit in der Formel-1-Saison 2021 nicht. Nachdem Charles Leclerc beim Russland-GP erstmals eine völlig neue MGU-H samt weiterer Komponenten erhielt, zog die Scuderia gleich am folgenden Rennwochenende am Boliden von Carlos Sainz nach. Wie Leclerc in Sotschi musste nun der Spanier am vergangenen Wochenende in der Türkei durch eine resultierende Strafe vom Ende der Startaufstellung losfahren.

Die Einführung auch am zweiten Boliden schon ein Event später kam einigermaßen überraschend. Immerhin hatte Ferrari zuvor nur davon gesprochen, mit Sainz im weiteren Saisonverlauf nachziehen zu wollen. Das klang eher nach einer längeren Wartezeit - zumal sich das bereits im Sommer angekündigte Upgrade bereits grundsätzlich hingezogen hatte. Aus Gründen der Logistik und Homologation debütierte das neue Hybridsystem so im des SF21 von Leclerc erst beim 15. Saisonrennen.

Ferrari-Teamchef: Upgrade bringt uns einen Vorteil

In Sotschi hielt sich die Scuderia mit großen Bewertungen des neuen Bauteils noch zurück, nach dem Debüt der zweiten Ausführung in der Türkei kommen die Roten nun etwas aus der Deckung. "Es gibt uns einen kleinen Vorteil. Ich will es nicht in Rundenzeit umrechnen, denn das hängt von der Strecke ab", sagt Teamchef Mattia Binotto. "Es geht nicht um reine Power des Verbrennungsmotors, es ist die Energierückgewinnung, also ist es etwas komplexer. Aber ganz sicher gibt es uns einen Vorteil."

Das Qualifying in Istanbul sei da ein gutes Beispiel. "Charles hatte die viertbeste Zeit. Und wenn ich hinter ihn schaue, dann war es sehr eng. Ich bin ziemlich sicher, dass ohne diese Spezifikation ein paar Plätze verloren gewesen wären", sagt Binotto. Eine halbe Zehntel lag Leclerc im Qualifying vor Pierre Gasly, zwei Zehntel vor Fernando Alonso und gute vier vor Sergio Perez. Geht man bei "ein paar Plätzen" nur von zwei Positionen aus, also Gasly und Alonso, so wäre der Gewinn der neuen MGU-H mit zwei Zehnteln in Istanbul noch immer beachtlich.

Carlos Sainz bedauerte Strafe: Ferrari in Türkei stark

Carlos Sainz hingegen schied im Qualifying vorzeitig aus. Die Session war wegen der Strafe gegen den Spanier allerdings ohnehin weniger repräsentativ. Noch dazu spielte Sainz im Q2 Windschatten-Geber für seinen Teamkollegen. Im Rennen allerdings zeigte der Spanier mit dem neuen Boost im Heck seines Ferrari auf und fuhr vom letzten bis auf den achten Platz nach vorne.

War die Strafe angesichts der auch generell stark erscheinenden Ferrari-Form in Istanbul also ein Fehler? Noch am Freitag hatte sich der Spanier angesichts der Shortrun-Pace seines Teamkollegen im Training geärgert, eine Strafe auf sich nehmen zu müssen. "Ich freue mich vielleicht ein bisschen weniger, denn jetzt sehe ich wo Charles im Qualifying-Run war und dass er um das Podest fahren könnte", sagte Sainz. "Ich bereue das ein bisschen, denn ich werde am Samstag und am Sonntag nicht vorne kämpfen können."

Sainz revidiert Meinung: Starke Aufholjagd auch dank PU-Upgrade

Doch nach dem Rennen mit der überarbeiteten Power Unit schlägt der 27-Jährige nun andere Töne an. Seine Aufholjagd sei mitunter auch dem Update zu verdanken gewesen. "Ich würde die Entscheidung nicht ändern. Es war das perfekte Rennen, um eine Strafe zu nehmen", sagt Sainz. Immerhin ging der Grand Prix letztlich ohnehin bei Mischbedingungen über die Bühne. Sainz: "Ich glaube, dass die Entscheidung richtig war. Das hat mir heute auch die Möglichkeit gegeben, durchs Feld zu pflügen. Das ist auch dem guten Job zu verdanken, den in Maranello alle mit dieser neuen Power Unit gemacht haben."

An der Spitze nutzte lange Zeit auch Leclerc das Uprade aus. An Max Verstappen konnte der Monegasse zu Rennbeginn erstaunlich gut dranbleiben. Ein Podium war möglich, einzig ein viel zu später Boxenstopp kostete die Teilnahme bei der Siegerehrung.

Unabhängig davon gilt für Sainz bei solchen Dingen immer eine klare Devise: "Je früher, desto besser. Denn es ist ein Motor mit mehr Performance." Auch im Kampf gegen McLaren um WM-Rang drei - aktuell noch 7,5 Punkte Rückstand - sei das wichtig. So könne Ferrari auf Strecken, die McLaren besser liegen würden als der Scuderia, näher dran sein - und auf anderen, wie der Türkei, klar vorne.

Ferrari-Upgrade vor allem für 2022

Speziell für den Kampf gegen McLaren führte Ferrari das Upgrade allerdings nicht ein. "Als wir es in Sotschi eingeführt haben, war unsere erste Absicht, mehr Erfahrungen im Hinblick auf 2022 zu machen", erinnert Binotto. "Deshalb haben wir es so schnell wie möglich eingeführt und versucht, es zu beschleunigen, wobei wir auch ein paar Risiken eingegangen sind. Aber das ist alles eine Risikobewertung."

Der Italiener weiter: "Für uns geht es klar darum, Laufleistung auf der Strecke zu bekommen und unsere eigenen Erfahrungen zu sammeln, bevor 2022 die Power Units eingefroren werden. Für uns war das der Schlüssel und der Grund dafür."

Ohnehin hatte Ferrari das Upgrade nur deshalb bringen dürfen, weil die Scuderia die MGU-H aus dem Vorjahr im Winter gar nicht angerührt hatte und sich dieses sonst nicht erlaubte Performance-Upgrade für einen späteren Zeitpunkt in der Saison aufgespart hatte. Für die Saison 2021 allein hätte ein solcher Ansatz bei einer derart späten Einführung wenig Sinn ergeben, perspektivisch für 2022 umso mehr.